| # taz.de -- Staatsbesuch: Die Politik der vollen Hand | |
| > Mitten im Krim-Konflikt wird der russische Botschafter herzlich | |
| > empfangen. Er hat sogar eine Schenkung zu erwarten. Doch Bremen gibt | |
| > nicht ohne Hintergedanken. | |
| Bild: Eine russische Trophäe: die Baldin-Sammlung der Kunsthalle. | |
| BREMEN taz | Es geht um hunderte Millionen Euro. Und das kann man auch sehr | |
| moralisch ausdrücken: Es sei „gerade in politisch schwierigen Zeiten | |
| richtig und wichtig, die aufgebauten Verbindungen zu erhalten“, teilte Jens | |
| Böhrnsen anlässlich des Bremen-Besuchs von Wladimir M. Grinin mit. Mit | |
| „großer Überzeugung“ habe er den russischen Botschafter eingeladen, eine | |
| Ausladung nie in Erwägung gezogen. | |
| Das ist einerseits verständlich: Russland ist ein wichtiger Handelspartner | |
| für Bremen. Waren im Wert von 412 Millionen Euro wurden 2013 von hier nach | |
| Russland exportiert. Die Einfuhr von dort wird mit 763 Millionen taxiert. | |
| Zugleich sind es, mitten im Krim-Konflikt, starke Worte, die Grinin nutzte, | |
| um für einen „freundschaftlichen Blick bei der Bewertung bestimmter | |
| Ereignisse“ zu werben. Gerade die Rolle der Bundesländer sei dafür wichtig. | |
| Besonders Bremens Engagement verdiene da Erwähnung, sagte er am Nachmittag, | |
| im Anschluss an den Besuch des EADS-Standortes, in der Kunsthalle. Das | |
| Museum ist selbst in entspannteren Zeiten ein neuralgischer Punkt im | |
| Geflecht russisch-deutscher Beziehungen. | |
| Schließlich hat Russland etliche Bremer Kunstschätze in Beschlag genommen, | |
| allesamt Arbeiten, die man 1943 zum Schutz vor Bomben nach Brandenburg | |
| ausgelagert hatte. Dort waren sie 1945 vom Offizier und | |
| Architekturhistoriker Viktor Baldin entdeckt und über Moskau ins heutige | |
| St. Petersburg abtransportiert worden. Und dort lagern sie noch heute, | |
| obwohl klar ist, dass das Konvolut von 362 Papierarbeiten plus zwei | |
| Gemälden rechtmäßig weiterhin dem Bremer Kunstverein gehören. Selbst das | |
| Verfassungsgericht der russischen Föderation mochte die Aneignung nicht als | |
| Erstattung der erlittenen Kriegsschäden sanktionieren. | |
| Dennoch stürzte vor elf Jahren der Kulturminister darüber, dass er diese | |
| illegale Trophäe hatte zurückgeben wollen. Und das russische Parlament | |
| verbot damals ausdrücklich die geplante Restitution. Entsprechend hatte | |
| auch Grinin kein Mitbringsel im Gepäck – sondern besichtigte eine geplante | |
| Schenkung: Der Kunstverein vermacht der Isaaks-Kathedrale in St. Petersburg | |
| ein Mappenwerk des Malers Johann Conrad Dorner. | |
| Ermöglicht haben die Schenkung Karin und Uwe Hollweg. Die Sammler hatten | |
| Dorners Skizzen einst von einem Nachfahren des Künstlers erworben – und | |
| stellen sie nun zur Verfügung. Sie kommen damit an den Ort, an dem sie ihre | |
| kunsthistorische Bedeutung entfalten: Der 1809 in Vorarlberg geborene | |
| Dorner hatte einst in München im Kreis der Nazarener sein Handwerk gelernt | |
| – der Lieblingsmalerschule der politischen Restauration. Nachdem er nach | |
| St. Petersburg umsiedelte, avancierte er dort ab 1844 für ein Jahrzehnt zu | |
| einem gut bezahlten Lieblingskünstler des russischen Adels. Davon ist wenig | |
| übrig: Die Wut der Bolschewiki zerstörte 1917 viele seiner Schlösser und | |
| Kirchenausmalungen. Umso größer ist das identitäre Potenzial der | |
| Zeichnungen für ein neozaristisches Reich. | |
| Bremen gibt nicht ohne Hintergedanken: „Wir freuen uns sehr“, sagt fast | |
| überdeutlich der Vorsitzer des Kunstvereins, Georg Abegg, „über einen | |
| Austausch“ – schließlich wisse er ja „als Kaufmann, dass aus einer leeren | |
| Hand nichts rauskommt“. Der Botschafter tut so, als hätte er’s nicht gehö… | |
| und spricht in seiner Entgegnung bloß von einer „wunderbaren Geste“. | |
| Russland werde sie, versichert Grinin „mit Dankbarkeit annehmen“, wenn | |
| Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) Ende April mit dem Koffer voll | |
| Skizzen anreist. | |
| Bremen ist wild entschlossen, sich bei der Deutschen Woche als | |
| Partnerregion zu inszenieren. „Die deutsche Außenpolitik wird nicht von | |
| Bremen aus gemacht“, betont Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne). Fast | |
| zeitgleich bezichtigte die Bremer Bundestagsabgeordnete der Grünen, | |
| Marieluise Beck anlässlich eines Moskaubesuchs von Bahnchef Rüdiger Grube | |
| die Bundeskanzlerin eines „doppelten Spiels“. Merkel nehme „der | |
| Sanktionsdrohung und damit der internationalen Diplomatie die Kraft“, so | |
| Beck. Im Hinblick auf die Außenpolitik des rot-grünen Senats schlägt Beck | |
| andere Töne an: Zwar dürfe Bremen nicht aus der kohärenten europäische | |
| Sanktionspolitik ausscheren. Allerdings wolle man ja auch „nicht zurück in | |
| den Kalten Krieg“. Und deswegen müsse es „immer das Gespräch geben“. | |
| 1 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
| ## TAGS | |
| Restitution | |
| Kunsthalle Bremen | |
| Russland | |
| Rente mit 63 | |
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