# taz.de -- Olympia-Baustelle Rio de Janeiro: Zwischen Sandwüste und Kloake | |
> Rund zwei Jahre vor den Olympischen Spielen 2016 steht in Rio lediglich | |
> das Leichtathletikstadion. Das IOC reißt nun die Kontrolle über die | |
> Arbeiten an sich. | |
Bild: Wenig einladend: Der Müll der Bahía de Guanabara sammelt sich an ihren … | |
Die Fußball-WM in Brasilien hat noch nicht einmal begonnen, da geht schon | |
der Ärger wegen der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro los. | |
Internationale Sportverbände machen sich Sorgen um Rennbahnen und Stadien: | |
Die Bauarbeiten seien in Verzug, einige hätten noch nicht einmal begonnen. | |
Ende vergangener Woche schlug das Internationale Olympische Komitee (IOC) | |
Alarm und beschloss, die Regie zu übernehmen. | |
Für die Organisatoren in Brasilien, die stets sehr empfindlich auf Kritik | |
von außen reagieren, ist der internationale Rüffel eine peinliche | |
Angelegenheit. IOC-Präsident Thomas Bach kündigte an, eine Kommission zu | |
gründen, um die Bauarbeiten voranzutreiben. Es sei eine „gemeinsame | |
Initiative, doch die Leitung liegt selbstverständlich in Händen des IOC“, | |
machte der deutsche Olympia-Oberfunktionär deutlich. Zudem würden die | |
Arbeiten ab sofort Schritt für Schritt kontrolliert, sagte Bach während | |
eines IOC-Treffens in der Türkei. | |
Bachs Exekutivdirektor Gilbert Felli betonte, es handele sich weder um eine | |
gelbe noch eine rote Karte. Doch auf Nachfrage von Journalisten, ob das IOC | |
bereits einen Plan B habe, gab er sich nur mit Mühe diplomatisch: „Wir sind | |
immer noch der Meinung, dass diese Spiele ein voller Erfolg werden. Wir | |
werden alles dafür tun“, so Felli. | |
Vor viereinhalb Jahren bekam Rio den Zuschlag für die Spiele, gut zwei | |
Jahre vor der Eröffnungsfeier stehen die Arbeiten noch ganz am Anfang. | |
Lediglich das Leichtathletik-Stadion steht. Das Engenhão wurde für die | |
Panamerikanischen Spiele 2007 errichtet. Doch seit einem Jahr ist es | |
geschlossen, nachdem Schäden an der Dachkonstruktion festgestellt wurden. | |
Die Träger müssen erneuert werden, zudem soll die Tribüne um ein Viertel | |
erweitert werden, damit es 60.000 Zuschauer fasst. | |
## Gebäude sind noch nicht zu sehen | |
Dramatisch sieht die Lage in den beiden Olympiaparks in den Stadtteilen | |
Barra und Deodoro aus. Das Gelände im edlen Strandviertel Barra, wo 2016 | |
unter anderen Tennis gespielt und Rad gefahren werden soll, gleicht einer | |
Sandwüste. Gebäude sind noch nicht zu sehen, und die Arbeiter befinden sich | |
seit Tagen im Streik. Zudem plant die Stadtverwaltung nach wie vor, das | |
direkt anliegende Armenviertel Vila Autódromo zu räumen. Kein einfaches | |
Unterfangen, da die Favela zum Symbol des Widerstands gegen verfehlte | |
Stadtplanung und soziale Säuberungen geworden ist. | |
In Deodoro im dicht besiedelten Norden der Stadt sind die Bauarbeiten noch | |
nicht einmal ausgeschrieben. Hier sollen Sportstätten für Hockey und | |
Modernen Fünfkampf entstehen sowie die Reitwettbewerbe stattfinden. | |
Zeitdruck besteht auch beim Golfplatz am Barra-Strand, zumal Umweltschützer | |
dort protestieren, da das Gelände unter Naturschutz steht. | |
Eine Herausforderung der besonderen Art steht den Seglern bevor. Die Bahía | |
de Guanabara gleicht einer Kloake. Die Säuberung von Abwässern kommt nur | |
schleppend voran. In vielen anliegenden Stadtteilen stinkt es Tag und | |
Nacht, die Besucher werden dies bereits auf dem Weg vom Flughafen zum | |
Stadtzentrum zu spüren bekommen. Rund zwei Drittel der Abwässer der Stadt | |
werden ungeklärt in die Bahía oder das Meer geleitet. | |
## Die Sorgen der Segler | |
Bürgermeister Eduardo Paes, der die Ohrfeige des IOC als „übertrieben“ | |
bezeichnete, betonte mehrfach, dass vom Wasser in der Bahía keine | |
Gesundheitsgefährdung der Segler ausgehe. Da auch Müll und allerlei Unrat | |
in der Bucht schwimmen, machen diese sich allerdings Sorgen um Kollisionen | |
und riskante Ausweichmanöver. Weniger dramatisch, aber alles andere als | |
zufriedenstellend, so die Sportverbände, sei der Zustand in der Lagoa de | |
Freitas im Edelstadtteil Ipanema, wo die Ruderer antreten werden. | |
Die Sorge des IOC um den Zeitverzug gleicht dem Gezeter der Fifa wegen der | |
WM-Stadien, die kurz vor Anpfiff noch nicht fertig sind. Immer wieder kommt | |
es zu teils tödlichen Arbeitsunfällen und spontanen Streiks wegen | |
unzumutbarer Arbeitsbedingungen. Auch einige Flughäfen, die schon seit | |
Langem eine Zumutung für die Reisenden sind, sowie jede Menge | |
Verkehrsprojekte werden kaum rechtzeitig abgeschlossen sein. | |
Das Problem sind allerdings weniger mangelnde Planungen als Korruption und | |
Misswirtschaft. Die meisten Bauten kosten doppelt so viel wie ursprünglich | |
veranschlagt, viele Politiker und Staatsangestellte verdienen mit. Und | |
nahezu alle Bauvorhaben werden von gerade mal vier großen Bauunternehmen | |
ausgeführt. Kritiker sprechen von einem Oligopol, das Preisabsprachen | |
möglich macht und die öffentliche Hand erpresst. | |
Da fast alle Infrastrukturmaßnahmen für die Großveranstaltungen mit | |
staatlichen Geldern finanziert werden, gingen bereits im vergangenen Juni | |
Hunderttausende auf die Straßen. Die Demonstranten forderten mehr Geld für | |
Gesundheit und Bildung sowie öffentliche Verkehrsmittel statt neuer Straßen | |
für die Reichen. Seit Freitag kampieren mehrere Tausend Menschen, deren | |
bisheriger Wohnraum von der Polizei geräumt wurde, [1][vor dem Rathaus in | |
Rio]. Eine explosive Mischung, die das wirtschaftlich aufstrebende | |
Brasilien nicht vorhergesehen hat. | |
14 Apr 2014 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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