# taz.de -- Kolumne Cannes Cannes: Strauss-Kahn nur online | |
> Bei den 67. Filmfestspielen von Cannes werden im Wettbewerb vor allem | |
> Filme von bewährten Regisseuren zu sehen sein. Keine überraschende | |
> Auswahl. | |
Bild: Ganz gediegen in Cannes. | |
Als ich mich am Dienstagvormittag auf den Weg zum Palais du Festival mache, | |
strahlt die Sonne über Cannes. Ich passiere die Markthalle, in der | |
Fischabteilung wird ein Moränen-ähnliches Tier angeboten, das Furcht | |
einflößt, obwohl es tot ist. Andere Fische schauen aus, als kämen sie aus | |
vielen Kilometern Meerestiefe, rötliche Wesen mit Stacheln und | |
panzerartigen Körperteilen. Eine Dorade soll 17 Euro kosten. Oder habe ich | |
mich verguckt? | |
Im Keller des Palais hole ich mir meine Akkreditierung ab. Wie immer ist es | |
die rosafarbene, ohne gelben Punkt; im Klassensystem von Cannes sichert mir | |
das einige Privilegien und verwehrt mir andere. So genieße ich den Vorteil, | |
nicht allzu lange in Schlangen stehen zu müssen, bevor ich ins Kino komme, | |
aber wollte ich mir eine Pressekonferenz, an der Stars oder renommierte | |
Regisseure teilnehmen, live ansehen, müsste ich mich mehrere Stunden vorher | |
vor der entsprechenden Saaltür einfinden, und auch das würde vermutlich | |
nichts nutzen, da bessergestellte Festivalbesucher vor mir Zugang hätten. | |
Zum rosafarbenen Ausweis gibt es die Festivaltasche, in diesem Jahr ist sie | |
aus cremefarbenem, glänzendem Plastik, darin befinden sich der Katalog und | |
dem Festival gewidmete Sonderseiten von Le Monde. David Cronenberg gibt der | |
Zeitung ein Interview, die Überschrift lautet „Je ne déteste pas | |
Hollywood“, „Ich verachte Hollywood nicht“, und das Foto dazu zeigt einen | |
alten Mann mit weißen Bartstoppeln und Augenbrauen in herrlich skeptischer | |
Schräglage. | |
Cronenbergs neuer Spielfilm „Maps to the Stars“, eine Satire, handelt von | |
einer Familie, die in Los Angeles lebt und in der Filmindustrie arbeitet. | |
Er läuft im Wettbewerb der 67. Filmfestspiele von Cannes, die am | |
Mittwochabend mit dem Biopic „Grace de Monaco“ von Olivier Dahan eröffnet | |
wurde. Dass Thierry Frémaux, der künstlerische Leiter, eine überraschende | |
Auswahl zusammengestellt hätte, lässt sich nicht behaupten. | |
## Loach, Assayas, Egoya und Leigh | |
Zu sehen sind vor allem Filme von Regisseuren, die wie Cronenberg seit | |
langer Zeit etabliert sind und schon oft an der Croisette zu Gast waren. | |
Etwa Ken Loach und Olivier Assayas, Atom Egoyan und Mike Leigh, Nuri Bilge | |
Ceylan und die Brüder Dardenne. Auch der 83 Jahre alte Jean-Luc Godard, | |
dessen „Film Socialisme“ 2010 in der Nebenreihe „Un certain régard“ li… | |
ist mit „Adieu au langage“ im Wettbewerb vertreten. Xavier Dolan aus Kanada | |
stellt „Mommy“ vor; er ist zwar erst 25 Jahre alt, aber kein Neuling, da er | |
schon mehrmals in Cannes und in Venedig zu Gast war. | |
Zwei der insgesamt 18 Filme im Wettbewerb stammen von Regisseurinnen: | |
„Futatsume no mado“ („Still the Water“) von Naomi Kawase und „Le | |
meraviglie“ („The Wonders“) von Alice Rohrwacher. | |
Eine so gediegene Auswahl wie diese vermittelt den Eindruck, auf der | |
sicheren Seite zu sein, sie birgt aber auch das Risiko, dass gerade die | |
Solidität ermüdet. Wer es erratischer mag, wird möglicherweise in den | |
Nebenreihen fündig – oder er schaut gleich ins Netz. Vincent Maraval vom | |
Weltvertrieb Wild Bunch hat angekündigt, dass „Welcome to New York“, der | |
neue Film des Regie-Haudegens Abel Ferrara, während des Festivals über | |
diverse Streaming-Portale online zugänglich gemacht werden soll. | |
„Welcome to New York“ handelt von Dominique Strauss-Kahn und von dem | |
sexuellen Übergriff, dessen er sich im Frühjahr 2011 in einem New Yorker | |
Hotel schuldig gemacht haben soll. Gérard Depardieu spielt die Hauptrolle. | |
Als Strauss-Kahn vor drei Jahren verhaftet wurde, zog dies in den | |
französischen Medien enorm viel Aufmerksamkeit auf sich; die | |
Filmfestspiele, die zeitgleich stattfanden, gerieten darüber ein wenig ins | |
Abseits der Wahrnehmung. Mal sehen, wie sich die Aufmerksamkeit in diesem | |
Jahr verteilt. | |
14 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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