# taz.de -- Filmfestival von Cannes: Der Trickster ist wieder willkommen | |
> Thierry Frémaux, Direktor des Filmfestivals von Cannes, würde den in | |
> Ungnade gefallenen Lars von Trier gerne wieder an der Croisette begrüßen. | |
Bild: Lars von Trier am 21. Mai 2011, zwei Tage nach dem Rauswurf. | |
„Man kann sich darauf verlassen, dass Lars von Trier eines Tages ein großes | |
Comeback haben wird“, sagte Thierry Frémaux, der künstlerische Direktor des | |
Filmfestivals von Cannes, am Freitag im indischen Goa. | |
Laut einem Bericht des Branchenblatts Variety lässt sich dieser Satz als | |
deutlicher Hinweis auffassen: Der dänische Regisseur ist an der Croisette | |
wieder willkommen, nachdem er im Mai 2011 in Ungnade gefallen und zur | |
persona non grata erklärt worden ist. | |
Grund für diesen außergewöhnlichen Schritt war die Pressekonferenz zu von | |
Triers Wettbewerbsbeitrag „Melancholia“. In deren Verlauf redete sich der | |
Regisseur um Kopf und Kragen. Nachdem eine Journalistin aus London nach den | |
Einflüssen nationalsozialistischer Ästhetik auf sein Filmwerk gefragt | |
hatte, antwortete von Trier: „Ich dachte lange Zeit, ich sei Jude.“ – „… | |
dann fand ich heraus, dass ich ein Nazi bin, denn meine Familie war | |
deutsch, Hartmann, das bereitete mir dann aber auch Vergnügen.“ | |
Kirsten Dunst, die Hauptdarstellerin in „Melancholia“, griff kurz nach | |
seinem Arm, als wolle sie ihn schütteln und zur Besinnung bringen, aber von | |
Trier redete weiter: „Was soll ich sagen, ich verstehe Hitler.“ Er sei zwar | |
alles andere als ein „guter Kerl“, aber: „Ich sympathisiere ein bisschen | |
mit ihm, ja.“ Als er merkte, wie sehr er sich verhaspelte, seufzte er: „Wie | |
komme ich hier nur wieder raus?“ – und sagte dann: „Okay, ich bin ein | |
Nazi.“ Ganz am Ende brummelte er noch etwas von einer „Endlösung mit | |
Journalisten“. | |
## Von der Provokation übermannt | |
Wer das seinerzeit live oder per Stream im Internet sah, dem war klar, dass | |
es sich um eine jener Trickster-Performances handelte, für die von Trier | |
berüchtigt ist. Halb suchte er die Provokation, halb wurde er von ihr | |
übermannt. Die Äußerungen waren ungeschickt und unpassend, ernst gemeint | |
waren sie nur in dem Maße, wie sie Anstoß erregen wollten. Wer jedoch den | |
Satz „Ich bin ein Nazi“ später in den Meldungen der Nachrichtenagenturen | |
Agenturmeldungen las, ohne den Kontext der Pressekonferenz-Performance zu | |
kennen, kam leicht zu einem anderen Schluss. | |
Die Festivalleitung reagierte zunächst klar, knapp und der Sache | |
angemessen. In einer Erklärung distanzierte sie sich scharf von den | |
Äußerungen und forderte von Trier auf, sich zu entschuldigen, was der auch | |
tat. Am Folgetag wurde dann aber bekannt gegeben, dass von Trier in Cannes | |
persona non grata sei. Wie lange das Verdikt Geltung haben würde, blieb | |
unbestimmt. | |
Obwohl sich Thierry Frémaux nun wohlwollend über von Trier äußerte, ist es | |
unwahrscheinlich, dass der jüngste Film des dänischen Regisseurs in Cannes | |
Weltpremiere feiern wird. „Nymphomaniac“ – als Hardcore-Film angekündigt… | |
befindet sich zurzeit in der Postproduktion. Am 25. Dezember soll der Film | |
in Dänemark und Spanien in die Kinos kommen, im Januar in weiteren | |
europäischen Ländern. Für eine Teilnahme an einem A-Festival wie der | |
Berlinale oder Cannes kommt er deshalb nicht in Frage. | |
22 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
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Kino | |
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