# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Wehklagende Männer | |
> Der Fußball verkommt zum Luschen-Weh-Weh-Vergleich, die Finnen beobachten | |
> ein Klo und der Stern bastelt an der „Redaktion der Zukunft“. | |
Bild: Jogis Jungs machen Sportredakteure zu ganz einfühlsamen Wesen. | |
Hallo taz-Medienredaktion! | |
Ich melde mich heute aus dem WM-Health-Checkpoint, wo ich die einzige Frau | |
unter 127 Kollegen bin. Jede Redaktion des Landes, so scheint es, hat | |
jemanden ausgesandt, den Gesundheitszustand von Jogis Jungs zu beobachten. | |
Ein Hüsterchen hier, ein Finger-Aua dort, alles wird minutiös beobachtet | |
und berichtet. Das nennt man Vorberichterstattung. Der Fußball, einst | |
kerliges Gekicke auf Grün verkommt mehr und mehr zum | |
Luschen-Weh-Weh-Vergleich. WM – wehklagende Männer. | |
Immerhin macht das aus den Kollegen der Sportredaktionen, traditionell die | |
hemdsärmelige Fraktion, ganz, ganz einfühlsame Wesen, die kleinstes | |
Nasenkribbeln mit seismographischer Präzision erfühlen. | |
Auch leidenschaftliche Beobachter sind die Finnen. Bei denen laufen im | |
öffentlich-rechtlichen Fernsehen stundenlang Programme, in denen die Dinge | |
nur sehr, sehr langsam geschehen, Slow-TV genannt, ich berichtete darüber. | |
Nach Schiffen und Schafen wurde nun ein Klo beobachtet, das singulär und | |
ohne Anschluss an die Kanalwelt auf einer Wiese herumstand. Das hat mir gut | |
gefallen. | |
Auch, weil es vielleicht eine hübsche Antwort auf die Sparansprüche der | |
Fernsehsender in unserem netten Land ist. Und dessen Konzept man übernehmen | |
könnte. Orte beobachten, an denen das Geschehen sich nur sehr, sehr langsam | |
entwickelt – mit der Elbphilharmonie und dem Berliner Flughafen bieten das | |
kostengünstiges Fernsehprogramm auf Jahre! | |
Darüber, für wie viele Jahre man noch Saft hat, diese Frage scheint auch | |
die Macher des Stern und die Bestimmer beim selbsternannten „Inhalte-Haus“ | |
Gruner und Jahr zu beschäftigen. Letzte Woche hatte das Magazin Horizont | |
berichtet, die | |
wir-reißen-jedem-Unternehmen-die-Seele-raus-Hauptsache-die-Zahlen-stimmen-B | |
erater von McKinsey hätten Gruner zum Verkauf des Stern geraten. Laut DWDL | |
weist Gruner „etwaige Phantasien von irgendwelchen Beratern“ entschieden | |
zurück und will mit McKinsey nichts zu tun haben. | |
Gleichzeitig soll Stern-Chefredakteur Dominik Wichmann, der bereits das | |
Heft und die Personalstruktur umgekrempelt hat, unter der Notwendigkeit | |
richtig, richtig zu sparen, ein Konzept für die „Redaktion der Zukunft“ | |
vorlegen. Na, ich finde, da passt die „Phantasie“ von „irgendwelchen“ | |
Beratern, die keiner gefragt haben will, doch ganz gut. | |
## Publizistischer Dämmertörn | |
Ein Chefredakteur, der seit bald drei Jahren versucht, die fahrlässigen | |
Versäumnisse, ja quasi den publizistischen Dämmertörn seiner Vorgänger, | |
auszubügeln, soll ein Konzept vorlegen, während im Hintergrund Gerüchte | |
über die Flure wabern, ein Verkauf könnte anstehen. Das erzeugt doch genau | |
jene Bereitschaft die ein Inhalte-Haus, früher Verlag genannt, braucht, um | |
Maßnahmen und Einsparungen durchzudrücken, die durchzudrücken normalerweise | |
kaum denkbar wären. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, in Frau Jäkels | |
Inhaltebude. | |
Da abwarten und Tee trinken nicht so mein Ding ist, rufe ich jetzt mal bei | |
der Hamburger Stadtreinigung an. Dass Jacob Appelbaum seinen | |
Henri-Nannen-Preis zurückgeben möchte, weil Nannen zur Nazi-Zeit in | |
Deutschland dem Beruf des Journalisten regimetreu nachging, obwohl Nannen | |
dies später glaubhaft bereute, beschäftigt mich doch sehr. | |
Ich habe tolle Auszeichnungen für meinen Einsatz an der Medienfront | |
bekommen. Vom medium magazin wurde ich drei Mal unter die Top-3 der | |
Journalisten des Jahres gewählt. Nun ist der mm-Verleger Österreicher. Nach | |
Appelbaumscher Logik quasi Hitler, Waldheim und Jörg Haider in einem. Das | |
wusste ich bei der Annahme der gerahmten Urkunde zwar schon, dennoch würde | |
ich sie jetzt gern zurückgeben und wiederverwerten lassen. | |
Und nun die ewige deutsche Trennungsfrage: Ist das Hausmüll? Oder soll die | |
Glasscheibe in den Glascontainer, der Rahmen ins Altmetall und die Urkunde | |
zum Altpapier? Ich glaube schon. Klug und gewissenhaft wie meist zurück | |
nach Berlin! | |
28 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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