# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Männer mit Plastikpulle | |
> Bergfest bei „ProQuote“, vorauseilender Selbstmord beim „Spiegel“ –… | |
> bei der WM? Nuckelboys, die medial ins Positive gedreht werden. | |
Bild: Und was kommt nach der Trinkpause? Die Pinkelpause? | |
Hallo, taz-Medienredaktion! Journalismus, so schlägt die FDP | |
Nordrhein-Westfalens vor, solle gemeinnützig werden. Mir geht dieser | |
Vorschlag nicht weit genug. Journalismus, diese vom Tode bedrohte | |
Kulturgattung, dieser Garant für Demokratie und dicke Egos, diese dem | |
Untergang geweihte Kunst der Hohepriester, muss als Weltkulturerbe | |
anerkannt und unter besonderen Schutz gestellt werden! | |
Das scheint mir das Mindeste, das die Menschheit tun muss, um diese vierte | |
Kraft, dieses gesellschaftsmoralische Über-Ich am Leben zu halten. | |
Dummerweise bringen manche Orte, manche kulturellen Errungenschaften | |
Jahrzehnte auf der Warteliste der Unesco zu, bevor deren Mitglieder, vom | |
Lichtstrahl der Erkenntnis gestreift, ihr Placet geben. Dann ist es häufig | |
zu spät. Ich fordere von daher schon jetzt, den Journalismus als besonders | |
schützenswertes Kulturgut einzustufen und in einer Schutzzone, einem | |
Reservat das Überleben zu sichern. Mit UN-Blauhelmsoldaten drumrum. | |
Ums Überleben im Besonderen scheint es beim Spiegel zu gehen. In einer Art | |
vorauseilendem Selbstmord geht das Blatt diese Woche dazu über, dem Focus – | |
danke, Herr Niggemeier, für die treffende Zuschreibung – auf dem Weg zum | |
Irrelevantsmagazin zu folgen. Über das Titelbild einer sehr jungen | |
hüpfenden Frau und der Zeile „Wie Gelenke gesund bleiben“ führt der Weg | |
geradewegs zur Apotheken Umschau, die mit einer Auflage von knapp unter | |
zehn Millionen zum Vorbild einer ganzen Generation an Nachrichtenmagazinen | |
geworden ist. | |
Einen anderen Gang nimmt Spiegel Online. Dort scheint man die | |
WM-Berichterstattung dafür nutzen zu wollen, das Männerbild von der | |
haarigen Kämpferbestie, das ja im Wandel der Zeit zusehends verloren geht, | |
für die nächsten Jahre neu zementieren zu wollen. Darauf ein Trinkpäuschen! | |
## Betende Gartenzwerge und ungeküsste Frösche | |
Ich bleibe bei den Männern und rede über Frauen. Die nämlich haben in Form | |
des Frauen-in-Führungspositionen-Vereins „ProQuote“ am Wochenende in Berlin | |
Bergfest gefeiert und jene mit einer Auszeichnung bedacht, die sich bei | |
diesem Thema besonders hervorgetan haben: Gabor Steingart, Herausgeber des | |
Handelsblatts, zum Beispiel. Bei dem regt sich in punkto Frauen so gar | |
nichts. Er erhielt die Trophäe „Betender Gartenzwerg“. | |
Auch Kurt Kister, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, wurde bedacht. | |
Für ihn gab es den „Ungeküssten Frosch“. Lustigerweise hatte der Graveur, | |
der seinen Namen in Messing geritzt hatte, ihm ein „n“ in den Nachnamen | |
gedichtet. Was glücklicherweise rechtzeitig bemerkt wurde. „Kurt Knister“ | |
wäre in der Tat sehr lustig gewesen. Allerdings hatte der Graveur – wohl | |
besoffen, aber langweilig – „Kistner“ geschrieben. Nun denn. Darauf eine | |
Trinkpause! | |
Ja, die Trinkpause hat es mir angetan. Als Fußballer 30 Millionen im Jahr | |
verdienen, aber ständig Trinkpäuschen machen, nur weil es in Brasilien | |
etwas warm ist. Ey, diese Luschen! Wer in ungeeigneten Ländern Ball spielen | |
will, soll das tun, verdammt noch mal, aber nicht alle 20 Minuten | |
„Trinkpause“ machen. Möchte wissen, was Spiegel Online dazu sagt. Männer | |
mit Plastikpulle an den rauen, aufgeplatzten Lippen. | |
Nicht genug, dass Jogi Löw seinen Werbe„partner“ Nivea nass aussehen läss… | |
weil die Frisur doch nicht hält, nun muss auch noch das Bild des Nuckelboys | |
medial ins Positive gedreht werden. Zum Glück schwitzen die den Suff in 2,5 | |
Minuten wieder aus. Nicht, dass demnächst auch noch das Spiel wegen | |
Pinkelpäuschen für die 30-Millionen-Dollar-Boys unterbrochen werden muss. | |
Wahrscheinlich ist Granufink demnächst Hauptsponsor. Ich sag nur: „Weniger | |
müssen müssen“ – und gebe zurück nach Berlin! | |
2 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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