# taz.de -- Die Wahrheit: Bier vom Auslaufmodell | |
> Die Jungs von Jogi Löw sind prima Rollenvorbilder. Nicht nur auf dem | |
> Rasen, sondern auch am Supermarktregal kann man ihnen nacheifern. | |
Bild: Die unermüdlichen Werbeträger an ihrem Arbeitsplatz | |
Das Gute an so einer Fußballweltmeisterschaft ist, dass sie Orientierung | |
gibt. Mir zum Beispiel. Alle Jahre wieder weiß ich nicht, wohin mit meinem | |
vielen Geld. Auf die Bank? Unter die Bank? Verbrennen? Und gerade wenn ich | |
kurz davor bin, es zu verschenken, sehe ich in einem Werbespot, wie Jogi | |
Löw und seine Fußballjungs joggen. In der Morgendämmerung. Alle schlafen | |
noch, doch die Jungs sind schon auf den Beinen. Und obwohl man um diese | |
Zeit allenfalls Onlinebanking machen kann, laufen sie quer durch Berlin und | |
eine Stadt, die wohl München ist, geradewegs zu einer Filiale der | |
Commerzbank. Gut, denk ich, bringe ich mein Geld dahin, die haben immer | |
auf. | |
Dummerweise haben die gar nicht auf, als ich in der Morgendämmerung dort | |
anklopfe, und sie machen auch nicht auf. Enttäuscht jogge ich heimwärts, | |
und weil ich jetzt stinke, führt mein Weg direkt unter die Dusche. Hier | |
mache ich es wie Jogi und verwende Nivea Men für Säuberung und Pflege. Und | |
weil Thomas Müller sich ausschließlich mit Werkzeugen von Gillette rasiert, | |
entferne auch ich mein struppiges Beinkleid mit Geräten dieser Marke. | |
Apropos Haare. Seit Neuestem habe ich Schuppen. Mats Hummels, den ich sehr | |
süß finde, hat auch Schuppen. Er benutzt Head and Shoulders. Das will ich | |
kaufen und gehe zu Rewe. Das aber ist ein Reinfall, denn Rewe ist zwar | |
„Offizieller Ernährungspartner des DFB“, nicht aber Haarpartner. Aus Frust | |
wähle ich eine Tüte Chips beim Ernährungspartner. | |
Und weil Schweini so’n Schlag bei Frauen hat, wenn er eine Tüte Funnyfrisch | |
aufreißt, habe ich Funnyfrisch gekauft und nicht die billigen, die auch gut | |
schmecken. Nutella wäre auch mal wieder lecker, ich bin aber unsicher, ob | |
das von den WM-Jungs noch gegessen wird, und weiche sicherheitshalber auf | |
Bier aus. Die Entscheidung fällt schwer. Die Nationalmannschaft trinkt | |
Bitburger alkoholfrei, der ausrangierte Mehmet Scholl, der als | |
öffentlich-rechtlicher Fußballkommentator zusehen muss, wo er bleibt, wirbt | |
für Krombacher Weizen. Ich bin eine Frau, ich habe Sympathien für die | |
Schwachen, ich nehme das Krombacher vom Auslaufmodell Scholl. | |
## Eine Elite duldet keine faulen Eier | |
Als ich zu Hause das 6er Pack geleert habe, wird mir umso klarer, wie | |
hilfreich es ist, eine Nationalmannschaft als Orientierung zu haben. Die | |
Männer einer Nationalmannschaft stehen für Kraft und Stärke. Für | |
Durchsetzung und Kampfesgeist. Wie Soldaten werden sie entsandt, das Land | |
und die Ehre in der Ferne zu verteidigen. Das kann man nur mit einer Elite. | |
Und eine Elite duldet keine faulen Eier. | |
Entsprechend aufrichtig und glaubwürdig erscheinen mir die Werbeträger im | |
DFB-Trikot, und augenblicklich beschließe ich, mich ihnen vollends | |
anzuvertrauen. Ich kündige meine Versicherungen und versichere mich | |
justament bei der Allianz. Ich kaufe einen Mercedes. Ich werfe meine | |
Air-Berlin-Meilensammelkarte über Bord, weil ich ab sofort nur noch | |
Lufthansa fliegen werde. Für die Male, in denen ich nicht fliege und der | |
Mercedes kaputt ist, kaufe ich ein VW Sondermodell „Cup“. Ich habe keine | |
Ahnung, wozu man SAP braucht, aber die DFB-Jungs finden das klasse, also | |
kaufe ich zwei Aktien. Ich richte mich darauf ein, acht Wochen lang kein | |
Telefon- und Internetanschluss zu Hause zu haben, denn ich wechsle noch im | |
Rausch des Bieres zu T-Online. | |
Schlau, wie ich bin, nutze ich die Zeit, in der mein Internet noch | |
funktioniert, und bestelle online alle neuen Sachen von Adidas. Klugerweise | |
ordere ich alles in Größe „L“, denn von jetzt ab werde ich es wie Jogi und | |
die Jungs machen und bei McDonald’s essen, wo ich auch literweise Coca-Cola | |
bestelle. Immer. | |
So eine Nationalmannschaft ist schon toll. Schade nur, dass die | |
Bereitschaft dieser hochbezahlten Spitzensportler, sich ein Zubrot zu | |
verdienen, wohl doch Grenzen kennt. Als ich von McDonald’s nach Hause | |
komme, ist meine Bluse voll Burgersoße und Frittenfett. Verzweifelt gebe | |
ich im Internet Suchbegriffe ein und rufe sogar beim DFB an: Ich habe | |
einfach keine Ahnung, welches Waschmittel ich nehmen soll. | |
17 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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