# taz.de -- Neuer Journalismus: Im Schatten der Krauts | |
> Die Branche schaut gebannt auf die Crowdfunding-Kampagne „Krautreporter“. | |
> Doch im Hintergrund lauern nicht minder spannende Projekte. | |
Bild: Es braucht viele Krähen für eine mächtige Crowd. | |
Nach der Finanzierung ist vor dem Projekt. Deshalb sind die Münchner | |
Journalistinnen Lisa Altmeier und Steffi Fetz aufgeregt. 4.000 Euro haben | |
sie gerade erfolgreich eingesammelt, weitgehend unbemerkt von der breiten | |
Öffentlichkeit. | |
Mit dem Geld werden Altmeier und Fetz durch Deutschland reisen. Als | |
„[1][Crowdspondent]“ wollen sich die 26-jährigen Reporterinnen von Lesern | |
fernsteuern lassen. Diese können online Themen vorschlagen. Altmeier und | |
Fetz ziehen dann los und recherchieren in Asylbewerberheimen oder der | |
ostfriesischen Provinz. | |
Trotz der guten Idee – wenn derzeit von Journalisten und finanzieller | |
Unterstützung seitens der Masse, also von Crowdfunding die Rede ist, fällt | |
stets der Name „[2][//krautreporter.de/das-magazin:Krautreporter]“. | |
Dahinter verbergen sich 22 Männer und sechs Frauen, die den | |
Online-Journalismus irgendwie kaputt finden und ihn mit einem neuen Magazin | |
retten wollen. Mit großem Tamtam möchten sie 900.000 Euro von 15.000 | |
Menschen einsammeln. Und sie stellen durch die schiere Dimension andere | |
Projekte in den Schatten. | |
Crowdspondent Lisa Altmeier sagt, es könne schon sein, dass ihre Kampagne | |
unter dem Giganten Krautreporter leide. Denkbar sei aber auch das | |
Gegenteil. „Die Sensibilität für das Thema Crowdfunding ist noch einmal | |
massiv gewachsen.“ | |
Dennoch war das Erreichen des Kampagnenziels kein Selbstläufer. Die | |
Jungjournalistinnen Altmeier und Fetz verfolgen bis zum Funding-Ende am | |
morgigen Mittwoch permanent ihren Kontostand. | |
## Es geht nicht um Solidarität | |
„Jede Stunde ist weit untertrieben – ich klicke in jeder freien Sekunde auf | |
’Aktualisieren‘“, räumt Fetz ein. Dabei ist sie abgebrüht. „Crowdspon… | |
zog nämlich im vergangenen Sommer schon einmal los, nach Brasilien, damals | |
finanziert von einem Stipendium. Altmeier und Fetz legen heute größeren | |
Wert auf ihre Unabhängigkeit. Sie sprechen genervt über die | |
Nachrichtenfixierung großer Redaktionen. „Medien brauchen immer Aufhänger�… | |
sagt Fetz. | |
„Es muss immer erst irgendwas passieren, bis du als Autor gefragt wirst, | |
Hintergründe zu liefern.“ Für andere Medien wollen sie deshalb nur | |
schreiben, wenn sie gefragt werden, ergänzt Altmeier: „Uns ist es wichtig, | |
dass es dann wirklich unsere Themen sind, also die Dinge, die uns und die | |
Crowd interessieren.“ | |
Diese Crowd besteht leider noch immer fast ausschließlich aus Leuten, die | |
was mit Medien machen. Das beklagt Kai Schächtele, der auch für die taz | |
schreibt. Der Berliner Autor steigt am Dienstag mit Fotograf Christian Frey | |
und Birte Fuchs ins Flugzeug nach Brasilien. Das Trio wird als „[3][Brafus | |
2014]“ rund um die Fußball-Weltmeisterschaft recherchieren – für | |
Unterstützer, die es durch ihr Geld ermöglichen. | |
„Was wir jetzt schaffen müssen, ist, die Leute zu überzeugen, dass sie | |
nicht aus Solidarität Geld ausgeben sollen für Journalisten, sondern weil | |
sie merken, dass deren Arbeit einen unverzichtbaren Wert für sie hat“, sagt | |
Schächtele. | |
Er sieht die parallel laufende Kampagne der Krautreporter als Vorteil. | |
Konkurrenz, glaubt Schächtele, belebe das Geschäft. Er selbst gründete 2005 | |
das Fußballmagazin Player mit, das sich neben Wettbewerbern behaupten | |
musste. | |
Damit sei ein Segment geschaffen worden, der Kioskbesitzer habe extra eine | |
Fläche im Regal freigeräumt, sagt der 39-Jährige. Einen ähnlichen Effekt | |
erhofft sich Schächtele durch die Aufmerksamkeit für Krautreporter. Für ihn | |
und die Kollegen geht es um viel Geld. An die 30.000 Euro werden sie in | |
Brasilien ausgeben. Erst ein kleiner Teil davon ist finanziert. | |
## Spesenliste in Echtzeit | |
„Die Leute müssen das Gefühl dafür kriegen, dass das, was sie auf dem | |
Bildschirm sehen, einen Wert hat“, sagt Schächtele. Darum listen die | |
Brasilien-Reporter schon jetzt ihre Spesen in Echtzeit auf. | |
Ziemlich gut sieht es für die Finanzierung einer dritten | |
Crowdfunding-Kampagne aus: Zeitungsredakteur Dietmar Telser und der freie | |
Fotograf Benjamin Stöß haben sie „[4][Der Zaun]“ genannt. Drei Monate | |
wollen die Journalisten entlang der EU-Außengrenzen reisen. Als Ergebnis | |
soll eine Multimedia-Reportage über Abschottung und die Verzweiflung der | |
Flüchtlinge entstehen. | |
2.500 Euro kamen für die Grenzreise über die kleine Plattform Vision Bakery | |
zusammen, für die restlichen 1.000 ist bis Ende des Monats Zeit. | |
Telser ist eigentlich Redakteur der Rhein-Zeitung aus Koblenz, für das | |
Online-Projekt nimmt er sich frei und wirkt entspannt: „Ich mache mir wenig | |
Sorgen – irgendwie werden wir das schon schaffen.“ | |
Wie Lisa Altmeier und Steffi Fetz wollte auch Telser das Geld ursprünglich | |
über Krautreporter einwerben: Vor der Kampagne für das eigene Magazin bot | |
sich die Seite diversen Journalisten als Plattform an. Als dann ihr | |
Riesenvorhaben enthüllt wurde, dachte Telser zunächst: „Hups, da gehen wir | |
vielleicht unter.“ Doch jetzt herrscht Zuversicht. Aufmerksamkeit kommt | |
trotz oder gerade wegen Krautreporter. Das tut Telser gut: „Es klingt | |
komisch, aber jeder Like bei Facebook gibt einem Aufwind.“ | |
Der Autor hat Krautreporter mit 60 Euro und die anderen mit je 25 Euro | |
unterstützt. | |
3 Jun 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://crowdspondent.de/ | |
[2] http://https | |
[3] http://brafus2014.com/ | |
[4] http://www.der-zaun.net/ | |
## AUTOREN | |
Jens Twiehaus | |
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