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# taz.de -- Streit zwischen „Bild“ und „Focus Online“: Alles nur geklaut
> „Bild“ ätzt gegen „Focus Online“ – weil die eine Redaktion die
> Exklusivmeldungen der anderen großzügig übernimmt. Dahinter steht die
> Existenzfrage.
Bild: Wer „Bild Plus“-Geschichten lesen will, muss bezahlen – oder eben �…
Manches kann man sich nicht ausdenken. So wie dies: Ausgerechnet ein
leitender Mitarbeiter der Bild-Zeitung wirft dem Kollegen eines anderen
Hauses vor, „auf die dunkle Seite der Macht“ gewechselt zu sein. Klingt
kurios? Ist aber passiert, denn Bild fühlt sich betrogen. Und weil das
Medienhaus Axel Springer schon seit einer ganzen Weile seine Gelassenheit
verloren hat, attackiert der Konzern öffentlich nun nicht nur Google,
sondern auch gleich einen Vertreter der eigenen Zunft: Focus Online.
Der Chefredakteur des Münchner Nachrichtenportals, Daniel Steil, betreibe
„nichts anderes als digitale Hehlerei“, motzte jüngst Bild-Online-Chef
Julian Reichelt. Steil „schlachte“ Geschichten aus, die Bild unter der
Marke Bild plus nicht wie lange üblich frei publiziert, sondern seit gut
einem Jahr hinter eine sogenannte Paywall stellt, hierzulande oft
verniedlichend „Bezahlschranke“ genannt. Wer Plus-Geschichten lesen will,
muss bezahlen – oder eben Focus Online lesen, das die mal mehr, mal weniger
exklusiven Bild-Geschichten erstaunlich rasch abgreift.
Die Bild-Macher ätzen unterdessen nicht nur in Interviews gegen die
Konkurrenz, sondern auch in sozialen Netzwerken. Als ein Insider der
Boulevardzeitung verriet, warum der Kurzmitteilungsdienst WhatsApp zuletzt
so hakte, notierte Reichelt auf Twitter, das „Original“ dieser Story gebe
es bei Bild, „recherchiert von einem echten Journalisten“, bei Focus Online
wiederum bloß „die Hehler-Version“. Und auch Bild-Chef Kai Diekmann blafft
seinen Münchner Kollegen mitunter öffentlich an. Als Bild etwa von den
Morddrohungen gegen Carsten Maschmeyer erfuhr und Focus Online das flugs
übernahm, twitterte Diekmann: „Tolle Focus-Story, Daniel – bisschen
peinlich, oder?“
Das alles lässt sich mit Belustigung beobachten. Was für Außenstehende
bizarr anmuten dürfte, ist aber auch ein echtes Problem: Medienmacher
fragen sich einmal mehr, ob sie mit Journalismus im Netz irgendwann Geld
verdienen können. Und es ist natürlich nicht nur Focus Online, das eine
einzelne Eintrittskarte löst, damit hinter die Mauer guckt und dann mit
einem Megafon die exklusiven Inhalte nach draußen plärrt. Viele
Onlineportale setzen darauf, für ihre Leser Material zu erfassen, das
andernorts kostet.
## Wie nur im Netz Geld verdienen?
Erst im Mai äußerte sich mit Kai Traemann der Sportchef von Bild Online auf
einem Abend von Berliner Sportjournalisten zu diesem Phänomen. Im Publikum
kam die Frage auf, warum überhaupt jemand für Bild plus zahlen solle, wenn
der Kicker die Bild-Meldungen zu den Spielertransfers in der
Fußball-Bundesliga nach einer Viertelstunde übernehme. „Da gibt es welche,
die machen das schon nach 1:50“, berichtete Traemann zähneknirschend und
stellte die Frage, „inwiefern man über so eine Geschichte herfällt“.
Dass sich die Nachrichten- und Schlagzeilenmaschine Bild Zurückhaltung
wünscht, mag absurd anmuten. Allerdings sehen auch andere Medienmacher das
exzessive Auswerten exklusiver Geschichten kritisch. „Abo-Schranke hin oder
her – durch das Ausschlachten fremder Arbeit Kasse zu machen, ist zwar von
manchen Nachrichtenportalen bekannt, aber nicht nett“, sagt Stefan
Plöchinger, einst Spiegel-Online-, heute Digital-Chef der Süddeutschen
Zeitung. Er arbeitet ebenso an einem eigenen Bezahlmodell wie Zeit Online
und die FAZ. Sie alle fragen sich: Wofür lässt sich im Netz eigentlich Geld
verlangen?
Gleichzeitig wollen einige Portale gar kein Geld von ihren Lesern. Sie
setzen – wie Focus Online – allein auf das Geschäft mit Anzeigen. Dafür
brauchen sie so viele Besucher wie möglich. Das erreichen sie, indem sie
auf ein möglichst üppiges Angebot setzen. Journalistische Masse also, die
als Futter für Suchmaschinen dient, die mit ihren Treffern wiederum für
einen steten Strom an Lesern sorgen. Mancher geht dabei an seine Grenzen.
Bild wirft Focus-Online-Chef Steil etwa auch vor, als Jurist „sehr
geschickt“ darin zu sein, „so zu klauen, dass er es gerade noch so als
Zitieren tarnen kann“.
Tatsächlich sind Steils Leute teils äußerst großzügig dabei, Geschichten zu
übernehmen. Sie greifen dabei nicht nur auf den Kern einer Nachricht
zurück, sondern auch auf die Details einer Geschichte. Die Quelle nennen
sie dabei allerdings gleich mehrfach und verlinken, wo sie können. Nun wäre
es gewiss spannend zu erfahren, was Steil über die Vorwürfe aus dem
Springer-Konzern denkt, ob er seine Praxis legitim findet und ob er darauf
auch in der Zukunft setzen will. Doch während Bild jede Gelegenheit nutzt,
gegen ihn zu poltern, hält sich der Focus-Online-Chef auch auf Nachfrage
zurück.
## Der Lohn ist Aufmerksamkeit
Ob Springer nun juristisch gegen Focus Online und Co. vorgehen wird? Das
wäre seltsam, denn Nachrichtenagenturen beispielsweise leben seit jeher
nicht zuletzt auch davon, die laufende Berichterstattung auszuwerten und
interessante Neuigkeiten einzelner Medien so schnell wie möglich an alle
anderen zu verbreiten. Sie werden dafür – auch von Bild – sogar gezielt mit
sogenannten Vorabmeldungen versorgt. Würde nun eine Redaktion versuchen,
seine Exklusivberichte ausschließlich seinen Lesern zugänglich zu machen,
wäre das ein krasser Bruch mit der bisherigen Kultur im
Nachrichtenjournalismus.
So geht es letztlich vor allem um das Ausmaß der Übernahmen. „Natürlich
freut sich jede Redaktion, wenn eine exklusive Geschichte sauber zitiert
und weiterverbreitet wird, sofern sie nicht brachial abgeschrieben wird“,
sagt SZ-Mann Plöchinger. Der Lohn sei Aufmerksamkeit, die einem Leser auch
zeige, dass es sich lohne, mit Abos in aufwendigen Journalismus zu
investieren.
Er pocht deshalb darauf, „die professionellen Standards des Zitierens zu
wahren“ und nicht Textstellen komplett zu übernehmen. Und dann hätten die
Verlage in den vergangenen Jahren doch für das sogenannte
Leistungsschutzrecht gekämpft. Wer Presseerzeugnisse auswertet und darauf
ein Geschäftsmodell gründet, der muss dafür bezahlen. „Ich will es so
formulieren“, sagt Plöchinger. „Ich fände es spannend zu verfolgen, wenn
Springer nun konsequenterweise auch hier voranginge.“
Mal abgesehen davon, dass das Gesetz am Ende sehr konkret auf die
Suchmaschine Google zugeschnitten wurde: Es wäre nicht frei von Ironie,
würde Bild es gegen seinen Konkurrenten einsetzen. Focus Online gehört
nämlich zum Verlagshaus Burda – und das hat für das Gesetz, das Verlage am
Geschäft mit der exzessiven Auswertung ihrer Arbeit beteiligen soll, selbst
intensiv mitgestritten. Willkommen auf der dunklen Seite der Macht.
14 Jun 2014
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Focus
Online-Journalismus
Bezahlmodell
Bezahlschranke
Flüchtlinge
bild.de
bild.de
Medienwandel
Leistungsschutzrecht
Crowdfunding
Paywall
Kai Diekmann
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