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# taz.de -- US-Überwachung in Deutschland: NSA schnüffelt in Erlangen
> Nach Merkel hat die NSA einen weiteren Deutschen zum Ziel erkoren: einen
> Studenten, der einen Server des Anonymisierungsnetzwerks Tor betreibt.
Bild: Das Tor zur Geheimniskrämerei: NSA-Zentrale in Fort Meade.
BERLIN taz | Am Tag eins nach der NSA-Aufdeckung schickt Sebastian Hahn
[1][eine Twitter-Botschaft] an die Welt. „Wenn du jemals überlegt hast, Tor
zu unterstützen, jetzt wäre ein exzellenter Zeitpunkt damit zu beginnen.
Privatsphäre zählt, sogar deine.“
Hahn studiert an der Universität Erlangen-Nürnberg Informatik. Nebenher
arbeitet der 27-Jährige ehrenamtlich für [2][das Anonymisierungsnetzwerk
Tor], betreibt dort einen zentralen Server. Und, wie Hahn, nun weiß: Er ist
auch Zielobjekt der NSA.
Aufgedeckt hat das [3][eine Recherche von WDR und NDR]. Deren Journalisten
fanden heraus, dass die IP-Adresse von Hahns Server in der
Xkeyscore-Software des amerikanischen Geheimdienstes NSA aufgetaucht ist,
als eines der Objekte, die überwacht werden. In der Folge sollen
hunderttausende Nutzer von Hahns Server markiert und deren Verbindungen
gespeichert worden sein – um so zu beobachten, wer das
Anonymisierungsnetzwerk nutzt. Die NSA kann so nur die IP-Adressen der
Nutzer identifizieren, aber nicht zwingend, wie sie Tor verwendet haben.
Wie die Sender berichten, reicht es schon, eine Webseite von Tor zu
besuchen oder in einer Suchmaschine nach Tor zu fahnden, um für die NSA
verdächtig zu wirken. Offenbar will der US-Geheimdienst jene Nutzer
identifizieren, die unerkannt im Internet agieren wollen. Im
NSA-Programmcode von Xkeyscore werden sie als „Extremisten“ bezeichnet.
Hahn betreibt nach eigener Auskunft in einem Nürnberger Rechenzentrum einen
der Kernserver der Tor-Community, einen von neun sogenannten „Directory
Authorities“: Dort werden mehrere tausend weitere Tor-Server aufgelistet,
über die sich Nutzer anonym ins Netzwerk einklinken können.
Über die NSA-Ausspähung sei er „schockiert“, teilte Hahn [4][auf seiner
Website mit]. Aber: „Jeder Deutsche ist täglich von ungerechtfertigten
Überwachungsmaßnahmen betroffen, ohne dass es bekannt wird.“ Dies sei „der
eigentliche Skandal“. Dass Tor in den Blick der NSA geraten würde, sei aber
nach den Snowden-Enthüllungen abzusehen gewesen. Und sein Server sei dabei
eben „eines der lohnenswertesten Ziele“.
## „Skandalös und absurd“
Nachdem bekannt wurde, dass die NSA das Handy von Kanzlerin Angela Merkel
ausspähte, ist Hahn nun die zweite namentlich bekannte Zielperson des
US-Dienstes. Zum Fall Merkel ermittelt bereits die Bundesanwaltschaft. Ob
Hahn nun dazukomme, ließ die Behörde am Donnerstag offen. Man werde „alle
Hinweise prüfen“, hieß es dort nur. Sicher ist aber auch: Hahn wird wohl
nicht der einzige Datenschutz-Engagierte sein, den die NSA im Fokus hat.
Auch im NSA-Untersuchungsausschuss, der am Donnerstag seine Arbeit aufnahm,
war der Fall Thema. Der Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, nannte die
neueste Enthüllung „skandalös und absurd“: Habe die US-Regierung doch
Aktivisten des Arabischen Frühlings damals empfohlen, gerade Tor zu
verwenden. SPD-Politiker Christian Flisek forderte Generalbundesanwalt
Harald Range auf, nun auch wegen der Massenüberwachung deutscher Bürger zu
übermitteln. „Jetzt gibt es allen Grund dafür.“
Neben dem Server, den Hahn betreibt, taucht in dem Quellcode des
NSA-Überwachungsprogramms Xkeyscore laut den Recherchen von WDR und NDR
noch eine weitere deutsche IP-Adresse auf, die auf Server des Chaos
Computer Clubs zurückgeht. Dessen Sprecherin Constanze Kurz bestätigte dies
auf Anfrage und bezeichnete die Vorgänge als als „ein weiteres Puzzleteil
in der ideologischen Ausrichtung“ der NSA – indem Leute gebrandmarkt
würden, die sich gegen Auswertung wehrten. „Es ist eine Frechheit, alle,
die auch nur nach Tor suchen, als Extremisten abzustempeln“, so Kurz
weiter. All das sei ein „weiterer Sargnagel für diese Geheimdienste und
ihre Partner“.
## NSA hat kein Glück mit Tor
Bemerkenswert ist: Genau dieses Tor-Netzwerk ist eine ursprüngliche Idee
der US-Navy und wird bis heute mit jährlich rund 800.000 Dollar von der
US-Regierung gefördert. Das Netzwerk macht Nutzerspuren im Internet
unkenntlich, indem es diese über verschiedene Server leitet. An Tor biss
sich der Geheimdienst bisher die Zähne aus. „Tor stinkt“, hieß es in einer
internen Dokumentation, [5][die der Guardian veröffentlichte]. Alle
Tor-Nutzer zu identifizieren, werde wohl „niemals“ gelingen.
Hahn will sich von der jetzt bekannten Spionage nicht einschüchtern lassen.
„Ich fühle mich bestätigt auf meinem Weg“, ließ er wissen.
Selbstverständlich werde er weiter für Tor aktiv sein – und „dafür werbe…
dass andere es mir gleichtun“. Etwa über Twitter.
3 Jul 2014
## LINKS
[1] http://twitter.com/sebastianhahn/status/484580556907511808
[2] http://www.torproject.org/
[3] http://www.tagesschau.de/inland/nsa-xkeyscore-100.html
[4] http://wwwcip.cs.fau.de/~snsehahn/Tor-Fragen
[5] http://www.theguardian.com/world/2013/oct/04/nsa-gchq-attack-tor-network-en…
## AUTOREN
Konrad Litschko
Meike Laaff
Lalon Sander
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