# taz.de -- Mitglieder wollen Abspaltung: Freiheit für Berlins Piraten | |
> Die Mitglieder des Berliner Landesverbands wollen eine Trennung von der | |
> Bundespartei prüfen lassen. Hintergrund ist ein andauernder | |
> Richtungsstreit. | |
Bild: Viele Berliner Piraten wollen ihr Fähnchen nicht mehr in den Wind der Bu… | |
BERLIN taz | Die Piratenpartei droht zu zerfallen: Viele in Berlin aktive | |
Mitglieder wollen mit der Bundespartei nichts mehr zu tun haben. | |
„Abspaltung? Ja“, [1][twitterte] der Landesvorsitzende Christopher Lauer. | |
Miriam Seyffarth, die zur Bundestagswahl auf Platz zwei der Landesliste | |
kandidierte, findet: „Eine Abspaltung des Landesverbandes Berlin wäre für | |
mich die beste und sinnvollste Option.“ Bei einer am Montag gestarteten | |
[2][Initiative über das Online-Abstimmungstool "Liquid Feedback"] wurden | |
bisher 64 Stimmen für eine Abstimmung über die Prüfung einer Trennung | |
abgegeben, 31 Stimmen dagegen. | |
Hintergrund ist der Rechtsruck auf dem Bundesparteitag vor zwei Wochen. | |
Nach monatelangem Richtungsstreit wurden in den Bundesvorstand | |
ausschließlich Mitglieder des konservativen Flügels gewählt, die sich auf | |
die ursprünglichen Kernthemen der Piraten fokussieren wollen: Datenschutz | |
und Transparenz, Reform des Urheberrechts, mehr Mitbestimmung der Bürger. | |
Der Berliner Landesverband gehört dagegen dem linken Parteiflügel an, der | |
sich auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt, der Drogen | |
legalisieren will und gegen Neonazis, Rassismus und Sexismus kämpft. Hinzu | |
kommen habituelle Unterschiede: Viele Berliner Parteimitglieder entsprechen | |
dem Typ Antifa-Aktivist, durchgesetzt bei den Wahlen zum Bundesvorstand hat | |
sich der Typ Netzwerk-Administrator. | |
## „Wahlen verkackt“ | |
Landeschef Lauer hatte auf dem Parteitag [3][deutlich gemacht, was er von | |
der anderen Seite hält]. „Ich finde es furchtbar, dass wir hier in dieser | |
Partei nach einer verkackten Bundestagswahl und nach einer verkackten | |
Europawahl nicht in der Lage waren, auch nur mal eine Stunde eine | |
Aussprache darüber zu halten, was dort passiert ist“, sagte er und stieß | |
auf lautstarke Ablehnung. Lauer: „Dass ihr jetzt hier so schreit und es | |
nicht ertragen könnt, dass ich die Courage habe, hier mal die Wahrheit | |
anzusprechen, das zeigt doch, was für eine apolitische Veranstaltung das | |
hier ist und wes Geistes Kind ihr seid! So was traut sich noch nicht mal | |
die AfD!“ Daraufhin wurde ihm das Mikrofon abgestellt. | |
Durch die Abstimmung im Netz erhält der Landesvorstand nun den Auftrag zur | |
Prüfung, „welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine möglichst | |
reibungslose Herauslösung des Landesverbandes aus der Piratenpartei | |
Deutschland im laufenden Betrieb zu gewährleisten“. Der Landesvorstand soll | |
nun unter anderem herausfinden, ob man die Kasse des Landesverbandes und | |
die staatliche Parteienfinanzierung bei einer Abspaltung mitnehmen kann, ob | |
Satzungsänderungen notwendig wären und welche Fristen einzuhalten sind. Wie | |
lange die Prüfung dauert, ist noch unklar. | |
„Abspaltung aus Notwehr“ nennt das Lauer. Der Fraktionsmitarbeiter Benedict | |
Ugarte Chacón schreibt auf Twitter, durch die Trennung könne man „den | |
konservativen Ballast abwerfen – fortschrittliche Politik machen.“ | |
Fraktionsgeschäftsführerin Katja Dathe schreibt, sie sei „angewidert“ von | |
der Bundespartei. Die Bezirksverordnete aus Friedrichshain-Kreuzberg | |
Jessica Miriam Zinn meint: „Dann werden die restlichen Piraten mal merken, | |
dass ein Großteil der Inhalte aus Berlin kam und wie viele Leute dann | |
fehlen.“ | |
## Spaltpilz Bomber Harris | |
Der Richtungsstreit hatte sich im Februar an einer Aktion der Neuköllner | |
Bezirksverordneten Anne Helm entzündet. Am 13. Februar hatte sie in Dresden | |
im Stil von Femen dem Oberbefehlshaber der britischen Luftwaffe im Zweiten | |
Weltkrieg, Arthur Harris, für die Zerstörung der Stadt gedankt. „Thanks | |
Bomber Harris“ war auf ihrem nacktem Oberkörper zu lesen. | |
Der rechte Flügel der Piraten sah in der Aktion eine Rechtfertigung von | |
Krieg und Gewalt. Der linke Flügel sah darin eine Aktion gegen Neonazis und | |
Geschichtsrevisionismus. Der Ton in der Debatte wurde selbst für | |
Piratenverhältnisse schnell ungewöhnlich scharf. Die | |
Technik-Administratoren traten in einen „Orgastreik“ und legten | |
Mailinglisten und Webseiten lahm. Der NRW-Landtagsabgeordnete Robert Stein | |
trat aus der Partei aus. Drei Mitglieder des Bundesvorstands traten von | |
ihren Ämtern zurück, wodurch der übrig gebliebene Vorstand gemäß Satzung | |
handlungsunfähig wurde und ein kommissarischer Bundesvorstand berufen | |
wurde. | |
Der Richtungsstreit wurde erst Ende Juni auf dem Bundesparteitag | |
entschieden. Dem Bundesverband der Piraten fehlt nach wie vor ein | |
Instrument, um auch zwischen den Parteitagen verbindliche Entscheidungen zu | |
treffen. Zwar hatte ein Parteitag im Mai 2013 den „Basisentscheid Online“ | |
beschlossen, aber bisher ist die Software dafür noch nicht fertig | |
programmiert. | |
10 Jul 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://twitter.com/Schmidtlepp/status/486417193979371520 | |
[2] http://tinyurl.com/oxrsag9 | |
[3] http://www.youtube.com/watch?v=CCtxd1p8gR0 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
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