| # taz.de -- Grüppchenbildung innerhalb der Partei: Piraten bekommen Flügel | |
| > Der Politikstil der Piraten nähert sich etablierten Parteien an: Sie | |
| > bilden innerparteiliche Flügel, in denen sie unter Ausschluss der | |
| > Öffentlichkeit diskutieren. | |
| Bild: Pro und Contra bei den Piraten - hier zu Online-Parteitagen. (Archiv) | |
| Die Piraten werden zu einer normalen Partei: Sie organisieren sich in | |
| Flügeln. Am Montagabend gab es das erste Treffen des linkeren Flügels, der | |
| sich „[1][Progressive Plattform]“ nennt – in Berlin. Das ist kein Zufall: | |
| Aus Berlin stammen viele bekannte Mitglieder, darunter die Abgeordneten | |
| Martin Delius und Oliver Höfinghoff sowie Anke Domscheit-Berg, die auf der | |
| bundesweiten Liste zur Europawahl auf Platz drei antrat. | |
| Die Gründung von Flügeln markiert einen weiteren Wendepunkt in der | |
| Parteigeschichte. Früher haben die Piraten gesagt, „wir sind weder links | |
| noch rechts, sondern vorne“, so erläuterte es etwa der Berliner | |
| Spitzenkandidat Andreas Baum im Jahr 2011. Die Piraten standen für eine | |
| Politik ohne Scheuklappen, ohne Ideologie. | |
| Man kann gut nachvollziehen, wie die Piraten damals darauf kamen. Gerade | |
| bei den Netzthemen gab es vor einem Jahrzehnt in der etablierten Politik | |
| einen eklatanten Mangel an Wissen. Die Sperrung von Internetseiten mit | |
| kinderpornografischen Inhalten zum Beispiel war technisch nie so machbar, | |
| wie die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) es | |
| sich vorstellte. Trotzdem zog sie damit durch die Talkshows. | |
| Die politische Geschäftsfüherin Marina Weisband erläuterte | |
| [2][//www.youtube.com/watch?v=YzqBIWuE4h4:im Jahr 2011 in der | |
| Bundespressekonferenz]: „In diesem Sinne haben wir nicht eigentlich ein | |
| Programm anzubieten, sondern ein Betriebssystem, in dessen Rahmen es | |
| möglich ist, ein Programm zu erarbeiten.“ Die Piraten dachten damals, man | |
| muss nur für die Regeln sorgen, nach denen Politik gemacht wird: | |
| Transparent, unter Beteiligung der Bürger, nicht im Hinterzimmer. Alle | |
| Fakten auf den Tisch und dann wird die beste Lösung ausgewählt. | |
| ## Für eine Entscheidung braucht man Werte | |
| Aber für Politik braucht es noch etwas mehr: Haltung und Werte. Weil es für | |
| manche Probleme nicht nur eine funktionierende Lösung gibt, sondern mehrere | |
| – und weil man dann eine Entscheidung treffen muss. Zum Beispiel zu der | |
| Frage, wie viel Umverteilung es zwischen Armen und Reichen geben soll. Oder | |
| zur Gleichstellung von Frauen und Männern. | |
| Die Piraten haben das inzwischen gelernt, durch viele harte parteiinterne | |
| Auseinandersetzungen. Und sie ziehen die Konsequenzen daraus und bilden | |
| Flügel. Die nächste parteiinterne Auseinandersetzung gibt es jetzt darum, | |
| was die verschiedenen Gruppen eigentlich trennt und was sie verbindet. Von | |
| außen hat man den Eindruck, als stehe der weniger linke Flügel für die | |
| Kernthemen der Piraten: Datenschutz und Transparenz, Reform des | |
| Urheberrechts, mehr Mitbestimmung. Der linkere Flügel stellt Themen wie ein | |
| bedingungsloses Grundeinkommen oder die Legalisierung von Drogen stärker in | |
| den Vordergrund ein sowie den Kampf gegen Neonazis, Rassismus und Sexismus. | |
| ## Wer Mitglied werden will, braucht zwei Bürgen | |
| Wer bei der "Progressiven Plattform" Mitglied werden will, muss zwei | |
| Mitglieder als Bürgen haben. So soll sichergestellt werden, dass niemand | |
| reinkommt, der dort nicht hingehört. „Wir wollen, dass die Menschen, die | |
| bei der Plattform mitarbeiten, einen Kanon von Idealen und Grundwerten | |
| teilen“, heißt es auf der Webseite. Und auch mit der Transparenz ist es | |
| vorbei: Das Online-Diskussionsforum ist nicht öffentlich. Auch hier gehen | |
| die Piraten jetzt den gleichen Weg wie die anderen Parteien. | |
| Zu den ersten Debatten der "Progressiven Plattform" gehört, ob sich die | |
| Mitarbeit in der Piratenpartei überhaupt lohnt. [3][Der Tagesspiegel | |
| berichtete], der Berliner Landesvorsitzende Christopher Lauer habe am | |
| Montagabend gesagt: "Die Energie, die in die Plattform gesteckt wird, kann | |
| man auch in den Neustart einer Partei stecken." | |
| Gegenüber der taz mochte Lauer diese Äußerung am Dienstag nicht bestätigen. | |
| "Daran kann ich mich nicht erinnern." Und was hält er nun von einer | |
| Neugründung? Lauer: "Das weiß ich nicht." | |
| ## Ausdruck der Unzufriedenheit einer kleinen Gruppe | |
| Der Bundesvorsitzende Stefan Körner, der innerhalb der Piraten in dem | |
| weniger linken Flügel verortet wird, ist die Debatte um eine Spaltung der | |
| Piraten übertrieben: "Nach meinem Gefühl ist es eine relativ kleine Gruppe, | |
| die eine Diskussion zum Ausdruck ihrer Unzufriedenheit nutzt", sagte er | |
| [4][im Interview mit dem Neuen Deutschland]. "Es handelt sich um einige | |
| wenige Leute, die im Augenblick ihren medialen Zugang nutzen, um diese | |
| Diskussion am Laufen zu halten." | |
| Für die Flügelbildung sieht Körner keine inhaltlichen Gründe: "Die | |
| allermeisten Programmpunkte, die wir in den letzten Jahren beschlossen | |
| haben, werden von 99 Prozent unserer Mitglieder auch tatsächlich | |
| mitgetragen." Als wahren Grund für die Debatte vermutet Körner eine | |
| Ablehnung seiner Person: "Es ist jetzt kein Geheimnis, dass sich im | |
| Berliner Abgeordnetenhaus der ein oder andere Pirat einen anderen | |
| Bundesvorsitzenden oder einen anders zusammengesetzten Bundesvorstand | |
| gewünscht hätte. Das kann ich leider nicht ändern. Ich weiß aber auch von | |
| einer ganzen Reihe von Mitgliedern im Abgeordnetenhaus, dass diese mit der | |
| Wahl durchaus zufrieden sind." | |
| Die Stimmungslage im Landesverband Berlin schätzt Körner so ein: "Eine | |
| Mehrheit der Berliner Mitglieder ist nach wie vor der Meinung, genau | |
| richtig in der Piratenpartei zu sein." Die Gruppe derer, die das anders | |
| sieht, sei sehr klein:"Das einzige Problem, das wir haben, ist in Berlin | |
| eine Handvoll Unzufriedener, die diese Diskussion nutzen wollen. Ich habe | |
| mehrfach versucht, zu erklären, dass es uns gar nichts hilft, wenn wir | |
| interne Auseinandersetzungen über die Medien führen", sagte er in dem | |
| Interview. | |
| 22 Jul 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://progressive-plattform.net/ | |
| [2] http://https | |
| [3] http://www.tagesspiegel.de/berlin/progressive-plattform-berliner-piraten-re… | |
| [4] http://www.neues-deutschland.de/artikel/939927.die-mehrheit-steht-zur-parte… | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Heiser | |
| ## TAGS | |
| Piratenpartei | |
| Parteien | |
| Berlin | |
| Piraten | |
| Junge Piraten | |
| Piratenpartei | |
| Christopher Lauer | |
| Piratenpartei | |
| Piratenpartei | |
| Stefan Körner | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Pirat Delius über Berliner Politik: „Das revolutionäre Element fehlt“ | |
| Die Berliner Piraten-Fraktion bereitet sich auf das Ende ihrer Arbeit vor, | |
| sagt ihr Chef Martin Delius – und zieht eine düstere Bilanz der politischen | |
| Kultur der Stadt. | |
| Piraten ganz persönlich: Piraten ohne Steuerleute | |
| Die Kieler Piraten-Fraktion streitet um Strukturen und Personen: | |
| Vorsitzende und Parlamentarischer Geschäftsführer treten zurück | |
| Kommentar zu Lauers Abgang: Die Themen bleiben wichtig | |
| Mit dem Parteiaustritt von Christopher Lauer ist auch das Ende der Berliner | |
| Piraten absehbar. Leider. Denn die Fraktion hat sich Anerkennung im | |
| Parlament verdient. | |
| Christopher Lauer verlässt Piratenpartei: Eine Partei für sich | |
| Der Vorsitzende der Berliner Piratenpartei gibt auf – nicht nur das Amt, | |
| sondern auch die Partei. Das schwächt den progressiven Flügel. | |
| Mitglieder wollen Abspaltung: Freiheit für Berlins Piraten | |
| Die Mitglieder des Berliner Landesverbands wollen eine Trennung von der | |
| Bundespartei prüfen lassen. Hintergrund ist ein andauernder | |
| Richtungsstreit. | |
| Aktion der Piraten im NRW-Landtag: Transparenz verboten! | |
| Die Piraten kleiden sich im Landtag mit durchsichtigen Westen, um | |
| Transparenz bei Nebeneinkünften anzumahnen. Das gefällt nicht allen. | |
| Neuer Vorsitzender der Piratenpartei: Stefan Körner soll es richten | |
| Der Ex-Chef von Bayerns Piraten will die Partei beruhigen. Dabei gehört er | |
| selbst zu den Polarisierern. Seine Gegner schafften es nicht in den | |
| Vorstand. |