# taz.de -- NRW-Wissenschaftministerin über Unis: „Hochschulen sollen autono… | |
> Es hagelt Kritik am neuen Hochschulgesetz in NRW. Die | |
> Wissenschaftsministerin erklärt, warum Geheimverträge mit Firmen und eine | |
> Asten-Finanzaufsicht sinnvoll sind. | |
Bild: „Wenn man in die Küche geht, dann weiß man, es kann auch heiß werden… | |
taz: Frau Schulze, sind Sie ein Kontrollfreak? | |
Svenja Schulze: Überhaupt nicht. Ich kann sehr gut Ziele setzen und Leute | |
selber machen lassen. | |
Ihre Kritiker werfen Ihnen das Gegenteil vor: mit dem neuen Hochschulgesetz | |
wollten Sie die Hochschulen an die Kandare nehmen. Wieso schätzen die Sie | |
so falsch ein? | |
Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung in Nordrhein-Westfalen ist bei den | |
Hochschulen weiter gegangen als alle anderen Bundesländer. Die Hochschulen | |
wurden in Körperschaften öffentlichen Rechts umgewandelt und abgekoppelt | |
von der öffentlichen Verwaltung. Es gibt nur noch eine Rechtsaufsicht. | |
Und deshalb machen Sie die Hochschulen gleich zu Unterbehörden Ihres | |
Ministeriums? | |
Auf keinen Fall. | |
Aber Sie wollen wieder Verwaltungsvorschriften einführen, genannt | |
Rahmenvorgaben. | |
So etwas ist auch in den anderen Bundesländern üblich. | |
Außerdem eine Landesentwicklungsplanung. | |
Die ist notwendig. Das Parlament genehmigt Geld, ist aber ansonsten außen | |
vor. Wir wollen das Parlament in die Hochschulentwicklung mit einbeziehen. | |
Das jetzige Gesetz geht davon aus: Wenn jede Hochschule für sich plant, | |
kommt am Ende das Landesinteresse raus. Kommt es aber nicht automatisch. | |
Nicht? | |
Nein. Nehmen Sie die Studiengänge für angehende Berufsschullehrerinnen und | |
-lehrer: Die Tatsache des Lehrkräftemangels in den technischen Fächern der | |
Berufsschulen führt eben nicht zwangsläufig dazu, dass die Hochschulen für | |
dieses Fach werben. Da muss man also gemeinsam vorgehen. | |
Braucht man dafür gleich ein Hochschulgesetz? Es reicht doch, wenn Sie mit | |
den Hochschulen Vereinbarungen treffen. | |
Solche Entwicklungen kriegen wir mitunter zu spät mit, und Vereinbarungen | |
zu schließen ist nicht so einfach. Beispielsweise wenn es darum geht, dass | |
die Hochschulen die Abbrecherquoten senken. | |
Vielleicht liegt es ja am Geld!? Die Landesrektorenkonferenz argumentiert, | |
dass die Hochschulen in NRW bundesweit am schlechtesten ausgestattet sind. | |
Die Folge: Viele Veranstaltungen sind überfüllt, in manche Kurse kommt man | |
als Studierender gar nicht rein. Das motiviert nicht zum Studieren. | |
In manchen technischen Fächern bricht knapp die Hälfte der Studierenden das | |
Studium ab. Wer da nur mit Geld argumentiert, macht es sich zu einfach. Es | |
gibt ja sogar Hochschulen, die damit kokettieren, dass bei ihnen so wenige | |
durchkommen. Das werden wir uns auf Dauer nicht leisten können. Wir fangen | |
im Kindergarten an, für technische Fächer zu begeistern, und verlieren dann | |
an den Hochschulen in den ersten Semestern die Leute, die wir bis dahin | |
gebracht haben. Gute Studienberatung, eine passgenaue Studieneingangsphase | |
und die Begleitung der Studierenden in den unterschiedlichen Phasen des | |
Studiums sind wichtig für den Studienerfolg. Da müssen die Hochschulen | |
jetzt ran. | |
Gibt es nicht eine generelle Fehlsteuerung an den Unis? Die Lehre ist | |
zweitrangig, Geld bringt nur die Forschung. | |
Stimmt. Die Lehre ist unterbewertet. Wir wollen mit dem | |
Hochschulzukunftsgesetz dagegen angehen. | |
Wie? | |
Wir schaffen neue Möglichkeiten für Teilzeitstudiengänge und sorgen dafür, | |
dass Leistungen anderer Hochschulen anerkannt werden. | |
Im Gesetzentwurf steht zum Thema Teilzeitstudium: Die Hochschulen „können“, | |
„sollen“, „prüfen“. Sehr verbindlich ist das nicht. | |
Den einen regeln wir zu viel, den anderen zu wenig. Die Hochschulen sollen | |
ja autonom bleiben. | |
Was die Kooperationen von Unis mit Unternehmen angeht, haben Sie einen | |
Rückzieher gemacht. Projekte werden jetzt erst nach Beendigung öffentlich | |
gemacht werden. Warum sind Sie eingeknickt? | |
Wir haben inhaltlich nichts verändert. Wir haben diesen Punkt nur | |
präzisiert. | |
Sie berufen sich auf das sehr restriktive Informationsfreiheitsgesetz in | |
NRW. In Brandenburg könnten Geheimverträge wie der zwischen Bayer Health | |
Care und der Uni Köln veröffentlicht werden. Warum nicht auch in | |
Nordrhein-Westfalen? | |
Nun hat Brandenburg eine etwas andere Forschungslandschaft. Aber auch wir | |
wollen Transparenz über Forschungsvorhaben sicherstellen. | |
Das tun Sie aber nicht. Wir werden auch künftig nicht wissen, was im | |
Vertrag zwischen Bayer und der Uni Köln steht. | |
98 Prozent der universitären Forschung werden öffentlich finanziert. | |
Wieso gelten für die restlichen 2 Prozent nicht die gleichen | |
Transparenzregeln wie für öffentlich geförderte Projekte? | |
Auch das wollen wir transparent machen. Aber wir können Unternehmen nicht | |
gleich zu Beginn abschrecken, indem wir sie zwingen zu verraten, woran sie | |
gerade forschen. Dann würden sie woanders hingehen. | |
Ehrlich? Sobald Name, Laufzeit und die Höhe der Förderung veröffentlicht | |
werden, wird Bayer aus Leverkusen nicht mehr in NRW forschen lassen? | |
Eine Veröffentlichung zu Beginn ist nicht für alle Projekte sinnvoll. | |
Nehmen wir ein Unternehmen, das im Bereich Klebstoffe arbeitet: das will | |
nicht, dass die Konkurrenz sofort erfährt, welche neuen Bereiche es | |
erforschen lässt. Also sagen wir: Veröffentlichung ja, aber nach Abschluss. | |
Wenn es keine Rolle mehr spielt. | |
Natürlich spielt es dann noch eine Rolle. Das ist der richtige Mittelweg, | |
um Forschung zu halten. | |
Es gibt aber auch ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit zu | |
erfahren, wo die Freiheit der Forschung durch wirtschaftliche Interessen | |
gefährdet sein könnte. | |
Sie sind jetzt der Meinung, es gäbe zu wenig Transparenz. 99,9 Prozent der | |
Kritik zielen aber darauf ab, dass unsere Änderungen zu weit gehen. | |
Wir sind aber die 0,1 Prozent. Gemeinsam mit Gruppen wie Attac und dem Asta | |
der Uni Köln. | |
Drei Jahre lang, während wir am Gesetz gearbeitet haben, hat keine | |
zivilgesellschaftliche Gruppierung Transparenz zum Thema gemacht. Attac saß | |
auf der Tribüne, und jetzt kommen sie runter und verteilen Haltungsnoten. | |
Was wir mit dem Gesetz erreichen, ist eine Menge. | |
Ist es nicht merkwürdig, dass Sie ein Gesetz machen und alle (!) sind | |
dagegen: nicht nur die Rektoren, sondern auch die Gewerkschaften und die | |
Grünen. | |
Wir haben das Gesetz mit unserem Koalitionspartner, den Grünen, zusammen | |
gemacht. Und die Gewerkschaften finden den Entwurf insgesamt richtig: was | |
den Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen anbelangt etwa. | |
Natürlich ist das am Ende auch ein Prozess des Aushandelns. | |
Wie groß ist der öffentliche Druck auf Sie? | |
Wie erwartet hoch. | |
Enttäuschung herrscht auch, weil Sie die Hochschulräte schonen. Im | |
Wahlkampf hieß es noch: Wir werden die Hochschulräte abschaffen. Aber: sie | |
bleiben. | |
Auch das ist ein Schritt auf die Kritiker zu. | |
Sie haben die Hochschulräte sogar gestärkt. | |
Gestärkt? | |
Sie können jederzeit die Wirtschaftsangelegenheiten einsehen, wählen | |
weiterhin die Hochschulleitung … | |
… aber nicht mehr allein, sondern gemeinsam mit dem Senat. Die | |
Hochschulräte haben jetzt eine andere Aufgabe. Sie prüfen die | |
Wirtschaftsangelegenheiten. Das ist doch sinnvoll, sie übernehmen die | |
Aufsicht vor Ort. | |
Werden sich die Rektoren von den Hochschulräten weiterhin | |
Gehaltssteigerungen um bis zu 50 Prozent genehmigen lassen können? | |
Ich beteilige mich nicht an einer Empörung über die Gehaltsstrukturen. Der | |
harte Wettbewerb um die besten Köpfe spiegelt sich auch hier. Die | |
Entwicklung der Gehälter der Rektoren und Kanzler ist rechtmäßig zustande | |
gekommen. Trotzdem wird sich zukünftig etwas ändern. Das wird so nicht | |
bleiben. Das Land ist künftig wieder Dienstvorgesetzter, nicht mehr der | |
Hochschulrat. | |
Schrumpfen dann auch die Gehälter der Rektoren? | |
Nein. Die Rektoren verdienen von ihrem Grundgehalt her jetzt nicht viel | |
mehr, als sie als Professoren verdient hätten. Und wir werden sie nicht | |
schlechter bezahlen, sonst kriegen wir keine guten Leute. | |
Was meinen Sie dann damit: So wird es nicht bleiben? | |
Die Verhandlungen werden anders laufen. | |
Werden die Funktionsleistungsbezüge öffentlich? | |
Das wollen wir, ja. | |
Die Asten meckern, dass Sie ihnen eine Fachkraft für Finanzen an die Seite | |
stellen wollen, die sie obendrein selbst bezahlen sollen. | |
Es gab ja ein paar spektakuläre Fälle von Partys, die nicht richtig | |
abgerechnet wurden. Der Landesrechnungshof hat vorgeschlagen, einen | |
Beauftragten des Rektorats in den Asta zu setzen, der die Geschäfte | |
finanziell begleitet und prüft. Die Asten haben aber gemeint, bitte setzt | |
uns da nicht jemanden aus der Hochschule in unser Büro, lasst uns das | |
lieber selbst finanzieren. | |
Wie hätte Ihnen das denn gefallen, als Sie noch Asta-Vorsitzende in Bochum | |
waren? | |
Also, wir hatten damals eine Sekretärin mit sehr viel Erfahrung in solchen | |
buchungstechnischen Fragen im Asta. | |
Aber nach Ihrem Gesetz wäre diese heute nicht geeignet. | |
Ja, aber ich glaube, dass es sinnvoll ist, wenn man mit Anfang zwanzig | |
einen Millionenetat verwaltet, dass man jemand an der Seite hat, der sich | |
mit solchen Fragen auskennt. | |
Sie wären dankbar gewesen? | |
Ich hätte es wahrscheinlich auch nicht toll gefunden, aber eingesehen, dass | |
es sinnvoll ist. Viele würden sich wundern, wie komplex eine solche Prüfung | |
ist. | |
In der ganzen Debatte schon mal an Rückzug gedacht? | |
Nein, mir war vollkommen klar, das wird keine einfache Geschichte. Aber | |
wenn man in die Küche geht, dann weiß man, es kann auch heiß werden. | |
17 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Anna Lehmann | |
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