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# taz.de -- Richard Hilmer über SPD-Wähler: Die Balance fehlt
> Die SPD realisiert Kernprojekte in der Regierung – und scheitert dennoch
> in Umfragen. Schuld ist angeblich die „einmalige Popularität“ der
> Kanzlerin.
Bild: Neige dein Haupt in Demut, Sigmar, denn du bist nicht so populär wie Ang…
taz: Herr Hilmer, die SPD hat mit Mindestlohn und Rente die Federführung
bei den wichtigsten Regierungsprojekten. Warum nutzt ihr das nichts bei
Umfragen und der Europawahl?
Richard Hilmer: Das kann man auch anders sehen. Normalweise entziehen
Bürger den Regierungsparteien nach der Wahl Sympathien, weil Erwartungen
nicht erfüllt wurden. Das ist jetzt anders. Die Werte für Union und SPD
sind fast die gleichen wie bei der Wahl 2013. Die Wähler sind mit der
Regierung zufrieden. Auch mit der SPD.
Trotzdem: Rente mit 63 und Mindestlohn sind SPD-Forderungen, die bei den
Bürgern populär sind. Warum zahlt sich das nicht für die SPD aus?
Das Phänomen gibt es seit Langem: Die Mehrheit sympathisiert mit zentralen
Ideen der SPD, wählt sie aber nicht.
Was fehlt der SPD?
Sowohl 2009 als auch 2013 trauten die Wähler ihr nur wenig Kompetenz bei
Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu. Das war mitentscheidend für die
Wahlniederlagen. Die SPD hat es schwerer als andere Parteien, die Balance
zu finden. Von der Union will die eigene Klientel als Kernanforderung
Wirtschaft. Bei den Grünen ist es Ökologie, bei der Linken soziale
Gerechtigkeit. Von der SPD erwartet die eigene Klientel soziale
Gerechtigkeit, das steht oben. Aber dicht dahinter folgen eine gute
Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik.
Ist Wirtschaft wirklich so entscheidend? Auch Gerhard Schröder lag 1998 und
2002 in der Wirtschaftskompentenz hinter der Union …
Ja, aber nur knapp. Jetzt liegt die SPD 30 bis 40 Prozentpunkte hinter
Merkel. Das ist zu viel, um Wahlen zu gewinnen. Deshalb ist die Wahl der
Ministerien – Wirtschaft und Arbeit mit Gabriel und Nahles – für die SPD
richtig.
Niedersachsens Stephan Weil und Hamburgs Olaf Scholz setzen auf ein Ende
der Agenda-Reparatur und die SPD als Wirtschaftspartei. Zu Recht?
Ja, wenn es gelingt, eine Balance zu finden zwischen Sozial- und
Wirtschaftskompetenz. Die SPD-Wähler sind pragmatisch und wollen beides.
Ist es denn klug, den gerade halbwegs reparierten Markenkern soziale
Gerechtigkeit mit einer Wende zu gefährden?
Kehrtwende wäre das falsche Rezept, Anpassung der Angebote sozialer
Gerechtigkeit an die Lebenswirklichkeit das richtige. Die SPD hat kein
Problem bei den Älteren. Ihr fehlt der Zugang zur Generation der 30- bis
45-Jährigen, die Karriere und Familie planen. Die wollen sichere
Arbeitsplätze, aber auch Freiheiten mit Blick auf die Familie. Da ist
moderne Wirtschaftspolitik gefragt. Es geht dabei um Zeitsouveränität und
Leistungsgerechtigkeit, weniger um klassische Verteilungsgerechtigkeit.
Gabriels Popularitätswerte sind, verglichen mit Merkel, äußerst bescheiden.
Warum?
Erst mal ist es Gabriel gelungen, das Führungsproblem, unter dem die SPD
seit Schröders Rückzug 2005 litt, zu lösen. Und: Die Ausnahme sind die
enormen Sympathiewerte für Merkel von 70 Prozent. Niemand, weder Schmidt,
Kohl noch Schröder, war ähnlich beliebt. Alle haben polarisiert. Merkel
kommt derzeit die Große Koalition entgegen, da kann sie noch mehr die
Ausgleichende spielen. Merkel hat den Runden Tisch von 1990 in die
Bundespolitik übertragen.
Also, egal was die SPD macht, gegen Merkel ist sowieso kein Kraut
gewachsen?
Den Eindruck kann man haben. Derzeit herrscht das Gefühl vor: Uns geht es
gut, anders als vielen in Europa. Da ist es schwer, mit
Gerechtigkeitsthemen zu punkten. Aber Situationen ändern sich auch rasch.
Ende 2012 lag die SPD bei den Kompetenzwerten noch vor der Union. Das ist
im Wahlkampf gekippt. Ob Merkel ihre einmalige Popularität also bis 2017
konservieren kann, das ist völlig offen.
29 Jul 2014
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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Sebastian Edathy
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