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# taz.de -- SPD nach Edathy und Hartmann: Kopflos in die Sommerpause
> Zwei der profiliertesten Innenpolitiker werden verdächtigt, kriminell zu
> sein. Die Fälle Edathy und Hartmann beschädigen das Image der SPD.
Bild: Hat viel Arbeit vor sich: Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD.
BERLIN taz | Es ist in diesen Tagen nicht ganz einfach, eine Spitzenkraft
der SPD-Bundestagsfraktion zu den Fällen Edathy und Hartmann zu befragen.
Anfrage bei Fraktionschef Thomas Oppermann. Hat viel zu tun, leider. Anruf
bei Eva Högl, Fraktionsvize und zuständig für Innenpolitik. Keine Zeit,
nein, auch für zehn Minuten am Telefon nicht. Es ist wie verhext. Obwohl
sich der Bundestag in die Sommerpause verabschiedet hat, scheint der Stress
bei den Personalverantwortlichen der Parlamentsfraktion immens zu sein.
Oder wollen die Sozialdemokraten bei diesem unseligen Thema lieber
schweigen? Zwei ihrer profiliertesten Innenpolitiker werden verdächtigt,
kriminell zu sein. Die Fälle Hartmann und Edathy haben formal nichts
miteinander zu tun, werfen aber ein unschönes Licht auf ein wichtiges
Politikfeld.
Sebastian Edathy, Exbundestagsabgeordneter und einst profilierter Innen-
und Rechtspolitiker, soll sich Nackfotos von Kindern von einem kanadischen
Schmuddelportal heruntergeladen haben. Und Michael Hartmann, bis vor Kurzem
innenpolitischer Sprecher der Fraktion, hat gestanden, die Droge Crystal
Meth konsumiert zu haben.
Es ist Zufall, dass diese persönlichen Verfehlungen der beiden kurz
nacheinander bekannt wurden. Doch wie das mit Zufällen so ist: Die
Kombination könnte das Image der SPD-Innenpolitik nachhaltig ramponieren.
Denn beide Affären betreffen profilierte Köpfe der Bundestagsfraktion.
Beide spielen in kriminellen, mindestens aber halbseidenen Milieus. Und
beide dürften viele WählerInnen der SPD ziemlich ratlos zurücklassen.
## „Natürlich ist das unschön“
Schließlich liegen den Sozialdemokraten der Rechtsstaat und die Sicherheit
der BürgerInnen traditionell am Herzen. Auf Twitter lästerten Nutzer nach
der Causa Hartmann prompt, Resozialisierungsprogramme für Innenpolitiker
der SPD seien offenbar „Geschäftsmodelle mit Zukunft“.
Auch wenn Oppermann und Högl schweigen: In der SPD-Fraktion wird der
Schaden aufmerksam registriert. „Natürlich ist das unschön“, sagt Rüdiger
Veit. Veit sitzt seit 1998 im Bundestag. Der erfahrene Abgeordnete und
ausgewiesene Migrationsfachmann ist stellvertretender innenpolitischer
Sprecher der Sozialdemokraten. Veit ist sich sicher: „Die Fälle Edathy und
Hartmann sind eine Belastung für die Partei. Das kann kein vernünftig
denkender Mensch bestreiten.“
Ebenso sieht das die andere Stellvertreterin des ausgefallenen
Innenpolitikers, Gabriele Fograscher. „Es ist ein harter Schlag, wenn zwei,
die in der Öffentlichkeit standen, mit solchen Dingen befasst sind“, sagt
sie. „Wir müssen jetzt durch unsere Arbeit wieder Glaubwürdigkeit in der
Innenpolitik herstellen.“ Veit und Fograscher sollen, so die
fraktionsinterne Vereinbarung, Hartmann so lange vertreten, bis die
Nachfolge geklärt ist.
## Persönliche Fehler Einzelner
Die Affären wirken sich in zweierlei Hinsicht aus. Einerseits produzieren
sie einen Imageschaden für die SPD. Dieser ist schwer zu quantifizieren.
Während die SPD in Umfragen in der Edathy-Affäre im Februar um zwei
Prozentpunkte abstürzte, ist ein Effekt von Hartmanns Drogenkonsum nicht
nachweisbar. Die SPD lag in den vergangenen Wochen stabil bei – schlechten
– 25 Prozent.
In der Partei hofft man deshalb, dass die Bürger unterscheiden zwischen
persönlichen Fehlern Einzelner und der Politik einer Partei. Von privaten
Straftaten möge man halten, was man wolle, heißt es in der Fraktion. Aber
nicht zu bestreiten sei, dass sie nichts mit der inhaltlichen Linie der SPD
zu tun hätten.
Schwerer wiegt die zweite Spätfolge des Crystal-Meth-Konsums. Edathy und
Hartmann waren anerkannte Größen in ihren Fachgebieten. Der eine saß im
Rechtsausschuss des Bundestags und leitete ab 2012 den
Untersuchungsausschuss zur Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund
(NSU), wofür er parteiübergreifend Lob kassierte. Hartmann wiederum saß im
Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste beaufsichtigt. Als
innenpolitischer Sprecher war er eine Art Innenpolitik-Generalvertreter.
## Droht nun ein Durchmarsch von CDU und CSU?
Auch wenn niemand in der SPD diesen Punkt sonderlich herausstellt: Die
Ausfälle reißen inhaltlich eine Lücke, die schwer zu schließen ist. Die
Geheimdienst- und Spionageaffären werden den Sommer dominieren, die SPD
braucht dringend starke Stimmen in der Innenpolitik.
Zudem ist die Union in der Koalition gut aufgestellt. Thomas de Maizière
gilt als erfahrener, starker Minister. Den Bundestagsinnenausschuss leitet
CDU-Mann Wolfgang Bosbach, der gefühlt in drei Talkshows pro Abend die Welt
interpretiert. In der SPD, die sich in Teilen als Bollwerk gegen
Unionshardliner versteht, stellt man sich jetzt bange Fragen: Droht nun ein
Durchmarsch von CDU und CSU? In einem Feld, in dem künftig Großthemen wie
die Integrationspolitik, digitale Sicherheit oder Konsequenzen aus dem
NSU-Terror verhandelt werden?
Rüdiger Veit spielt diese Gefahr herunter. „Niemand ist unersetzbar. Wir
haben mehrere erfahrene, aber auch neue Abgeordnete, die die Lücken
inhaltlich füllen.“ Andere Abgeordnete sehen die Situation problematischer.
„Da tut sich ein Vakuum auf“, sagt einer. So gilt es einigen als
Alarmsignal, dass Eva Högl persönlich den Vorsitz des für die SPD brisanten
Edathy-Untersuchungsausschusses übernehmen musste. Högl ist als
Fraktionsvize eigentlich mit anderen Dingen beschäftigt. Ihr Noteinsatz sei
ein Beleg für die dünne Personaldecke, heißt es.
Klar ist: Mit Hartmanns Ausfall ist ein Generationswechsel in der
Innenpolitik fürs Erste gescheitert. Lange beherrschte der frühere
Abgeordnete Dieter Wiefelspütz dieses Feld in der Fraktion. Wiefelspütz
hatte den Posten des innenpolitischen Sprechers 13 Jahre lang inne. Er galt
als graue Eminenz und war medial sehr präsent. Als er 2011 zurücktrat,
übernahm Hartmann die Nachfolge. Hartmann gewann damals in der Fraktion
eine Kampfabstimmung gegen Rüdiger Veit. Zwei Jahre zuvor war Edathy damit
gescheitert, Wiefelspütz zu beerben, und zog sich in den Rechtsausschuss
zurück. Zwei Hoffnungsträger haben sich nun selbst erledigt.
## Zwei Varianten
So gesehen steht die Fraktion wieder am Anfang der Post-Wiefelspütz-Ära.
Wer folgt auf Hartmann? Intern werden zwei Varianten gehandelt: In der
Fraktionsarbeitsgruppe Innen sitzen mehrheitlich Newcomer, die ihre erste
Legislaturperiode im Bundestag erleben. Die Fraktion könnte einen von ihnen
in die erste Reihe schieben, was angesichts der Wichtigkeit der Themen ein
Risiko wäre.
Als wahrscheinlicher gilt deshalb Variante zwei. Ein erfahrener
Abgeordneter könnte innenpolitischer Sprecher werden und den Übergang
managen, bis ein Neuling herangereift ist. Sowohl Rüdiger Veit als auch
Gabriele Fograscher kämen dafür infrage, beide äußern sich im Moment nicht
zu ihren Ambitionen.
Und Hartmann selbst? Dem Gestrauchelten will die Fraktion trotz seiner
Kurzzeit-Drogenkarriere eine Zukunft geben. Schließlich mache jeder mal
Fehler, hört man von vielen Abgeordneten. Fraktionschef Oppermann sagte im
Südwestrundfunk, er sehe nach derzeitigem Stand keinen Grund, „dass sich
Hartmann entscheiden müsste, sein Mandat niederzulegen“.
Nur ein anderes Thema wird sich der Innenpolitiker wohl suchen müssen. Ein
Revival als Experte für Strafrecht oder Geheimdienste? So tolerant ist die
SPD nun auch wieder nicht.
15 Jul 2014
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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