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# taz.de -- Wissenschaftler über Zeitungskrise: „Die Verlage sind selbst sch…
> Die Auflage der Tageszeitungen sinkt stetig. Schuld sei das Internet,
> sagen viele. Der Medienwissenschaftler Andreas Vogel widerspricht.
Bild: Junge Leute finden ihre Lebenswirklichkeit nicht mehr in der Zeitung, sag…
taz: Herr Vogel, Sie haben die Auflagenentwicklung der deutschen
Tagespresse seit 1950 untersucht. Laut den [1][neuesten Zahlen von IVW] und
[2][Mediaanalyse] verlieren fast alle Titel an Auflage. Ursachen dafür
liegen auf der Hand: Junge lesen keine Zeitung mehr, weil sie online alles
schneller und kostenlos finden. Wozu dann Ihre Studie?
Andreas Vogel: Die Online-Erklärung überzeugt mich nicht. Die
Zeitungsauflagen sinken seit den 80er Jahren – da war Online noch gar keine
Konkurrenz. Der Abstieg der Tagespresse begann parallel mit einem
tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel: Die Grenzen des Wachstums waren
erreicht, die bürgerliche Mitte schon lange nicht mehr die ideale
Lebensform. Das Modell: Vater, Mutter, Kind blieb nicht länger der
alleinige Lebensentwurf. Stattdessen individualisierten sich die Leute, die
Gesellschaft wurde heterogener. Klar, dass das Konzept der „Zeitung für
alle“ nicht mehr reibungslos funktionierte.
Das war nicht der erste gesellschaftliche Wandel seit den 1950er Jahren.
Wieso hat dieser die Zeitungen Auflage gekostet?
Weil die bürgerliche Mitte, die bis dahin als die dominierende und
anzustrebende Lebensform galt, eng mit der Tagespresse verknüpft ist.
Zeitungen waren Statussymbole – wer zur Mitte gehören wollte, musste
Zeitung lesen. In dem Moment aber, in dem dieses Modell seine Attraktivität
verlor, verlor auch die Zeitung bei jüngeren Menschen an Bedeutung.
Klingt, als könnten Zeitungen nicht viel dagegen tun.
Doch! Die Verlage haben es versäumt, auf den Wandel zu reagieren. Sie sind
selbst schuld am Auflagenschwund. Journalisten und Verleger müssen heute
von ihrem Balkon herunterkommen, der sie glauben lässt, sie würden sowieso
gelesen, egal was sie schreiben. Stattdessen sollten sie sich damit
auseinandersetzen, dass es relevante Zielgruppen gibt, die sich von der
Tagespresse nicht mehr repräsentiert fühlen: Migranten, Großstadtsingles,
ärmere Menschen.
Wie soll das aussehen? Sollte es ganz viele Nischenzeitungen geben?
Nein. Aber die Verlage könnten anfangen, mit solchen Ideen zu
experimentieren. Dann gibt es eben mal eine Wochenendausgabe speziell für
Familien und parallel eine andere Ausgabe für kinderlose Großstadtmenschen.
Viele Lokalredakteure dürften über solche Vorschläge nur lachen. Sie stehen
unter enormen Druck, müssen mit wenig Kollegen viele Seiten produzieren.
Die Verlage können natürlich nicht einerseits die Redaktionen verkleinern
und andererseits die Zeitung ausdifferenzieren. Die Verleger müssen ihre
Renditeerwartungen zurückfahren: Zweistellige Renditen im Zeitungsgeschäft
sind heute eben nicht mehr realistisch. Wenn Zeitungen heute
experimentieren, dann nur marginal: Hier ein neues Layout, da größere
Bilder. Aber das bringt doch keine Käufer zurück.
Nachrichten im Internet entsprechen Ihrem Konzept der Differenzierung:
Jeder findet, was zu ihm passt. Die Klickzahlen für Nachrichtenseiten
steigen. Gräbt nicht also doch das Internet den Zeitungen die Leser ab?
Was sagen Klickzahlen schon aus? Nur, weil Sie Spiegel Online ansurfen,
heißt das nicht, dass Sie dort lesen. Mich würde die Verweildauer der
Onlinenutzer interessieren oder die Frage, was Menschen im Internet genau
lesen. Dazu gibt es bisher keine öffentlichen Daten. Befragt man die
Zeitungsabbesteller, warum sie kündigen, nennt kaum jemand das Internet.
Die meisten sagen, sie läsen keine Zeitung mehr, weil viele Inhalte sie
nicht betreffen oder sie sei zu teuer geworden.
Eben, im Internet sind die Nachrichten kostenlos.
Aber dann ist doch nicht das Internet das Problem, sondern der Inhalt der
Zeitung. Das traditionelle Tageszeitungskonzept mit der Meldung als Kern
ist für die abwandernden Leserschaften uninteressant geworden.
Nur Meldungen, das macht ja heute keine Zeitungen mehr. Mittlerweile hat
fast jedes Blatt einen magazinartigen Wochenendteil mit langen Geschichten,
Service und Buntem.
Aber die Wochenendausgaben haben oft mehr unterhaltenden als informierenden
Wert. Die Redaktionen müssen wieder zum Kompetenzzentrum werden –
Regionalzeitungen die Hoheit über das Stadtwissen zurückbekommen.
3 Aug 2014
## LINKS
[1] http://daten.ivw.eu/index.php?menuid=1111&u=&p=&t=Tageszeitunge…
[2] http://meedia.de/2014/07/23/zeitungs-ma-sueddeutsche-verliert-10-f-a-z-und-…
## AUTOREN
Anne Fromm
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