# taz.de -- „Neues Deutschland“-Auflage bröckelt: Grundstück boomt, Zeitu… | |
> Kaum einer Tageszeitung geht es so schlecht wie dem „ND“. Die Belegschaft | |
> fürchtet, dass Die Linke eher auf das Redaktionsgelände setzt. | |
Bild: Lukrative Lage: Redaktionsgebäude des „Neues Deutschland“ in Berlin … | |
BERLIN taz | Das Verlagsgebäude des Neuen Deutschland war einmal das | |
modernste Medienhaus Europas. Kurz nachdem Axel Springer 1965 wenige | |
Kilometer entfernt im Westen Berlins sein Verlagshochhaus hochzog, setzte | |
die SED ihres wie ein Bollwerk dagegen. | |
Heute erinnert wenig an den Glanz der alten Zeit: Die Auflage des Neuen | |
Deutschland (ND) sinkt kontinuierlich, von einer Million vor der Wende auf | |
knapp 25.000 Exemplare heute. Die Leserschaft ist überaltert, die | |
Anzeigenumsätze sinken und online nimmt das Blatt kaum Geld ein. | |
Dafür ist das Grundstück, auf dem das Verlagshaus steht, von großem Wert: | |
Der Franz-Mehring-Platz 1 in Berlin-Friedrichshain liegt lukrativ am | |
Ostbahnhof, hat mehrere Tausend Quadratmeter und soll Schätzungen zufolge | |
mehrere Millionen Euro wert sein. Die Eigentumsverhältnisse sind | |
verschachtelt: Laut der aktuellsten Jahresbilanz des ND-Verlags aus dem | |
Jahr 2016 und der Gesellschafterliste, die im März 2017 beim | |
Handelsregister hinterlegt wurde, gehört die Gesellschaft, die das | |
Grundstück bewirtschaftet, zu einem großen Teil dem „Verlag Neues | |
Deutschland“. Der Verlag wiederum gehört der Vermögensgesellschaft der | |
Partei Die Linke, FEVAC, und der Beteiligungsgenossenschaft communio eG. | |
## Zeitung ohne Grundstück? | |
Der Schatzmeister der Linken, Thomas Nord, sagt auf taz-Nachfrage, dass das | |
Grundstück „direkt sowie wirtschaftlich eigenständig von den beiden | |
Gesellschaftern geführt“ wird. Das hieße also: von der FEVAC für die Linke | |
und der communio. Das heißt aber nicht unbedingt, dass das Grundstück | |
ausschließlich den beiden gehört. Bis jetzt zumindest. Sollte das Neue | |
Deutschland Insolvenz anmelden müssen, könnte auch das lukrative Grundstück | |
bedroht sein. Das will die Partei offenbar verhindern. Bei einem Besuch in | |
der Redaktion im April teilte der Parteivorsitzende Bernd Riexinger mit, | |
„dass die Gesellschafter beabsichtigen, das Grundstück am | |
Franz-Mehring-Platz 1 dem ND als Beteiligung zu entziehen“. So wird | |
Riexinger in einem Brief zitiert, den die ND-Belegschaft Ende April an den | |
Parteivorstand geschrieben hat. Er liegt der taz vor. | |
„Diese Maßnahme“, schreiben die RedakteurInnen, „bedroht massiv die | |
finanzielle Stabilität der Zeitung“. Denn, so glaubt die ND-Belegschaft: | |
Wenn die Zeitung pleite geht, ist das Grundstück ihre letzte finanzielle | |
Sicherheit. | |
Das ist nicht die einzige Sorge der Redaktion. Seit November 2017, | |
schreiben die RedakteurInnen, befindet sich der Zeitungsverlag „in großer | |
Unruhe“. Die Angestellten fürchten um ihre Arbeitsplätze. Denn vieles, | |
heißt es aus der Redaktion, deute darauf hin, dass die beiden | |
Gesellschafter die Zeitung abwickeln wollten. Ende 2017 sollte das | |
Weihnachtsgeld gestrichen werden. Die Zeitung stand offenbar kurz vor der | |
Insolvenz. Schon bei der Gesellschafterversammlung im September 2017 | |
sprachen die Gesellschafter, also ein Vermögensverwalter der Partei und die | |
communio eG, über die „angespannte Liquiditätssituation“. Der damalige | |
Geschäftsführer des ND bat den Vertreter der Partei um ein Darlehen. | |
Die RedakteurInnen, die ohnehin nur rund 60 Prozent des Tariflohns | |
verdienen, protestierten gegen die Kürzung des Weihnachtsgeldes. Mit | |
Erfolg: Die Gesellschafter schossen neues Geld zu, das Weihnachtsgeld | |
konnte gezahlt werden. Kurze Zeit später verkündete Chefredakteur Tom | |
Strohschneider überraschend, dass er die Zeitung aus gesundheitlichen | |
Gründen verlassen werde. Strohschneider, ehemaliger Freitag- und | |
taz-Redakteur und beim ND ausgebildet war 2012 Chefredakteur geworden. Er | |
sollte jüngere Leser gewinnen. Die Auflage sank weiter. Mit Strohschneider | |
musste der langjährige Geschäftsführer gehen. Sein Nachfolger in Teilzeit | |
wurde Matthias Schindler, ex-Stasi-Offizier – und Inhaber der communio eG. | |
Er ist nun also beides: Gesellschafter und Geschäftsführer. | |
Anfang dieses Jahres startete die Belegschaft eine Petition: Sie bat die | |
Geschäftsführung, eine öffentliche Rettungskampagne zu lancieren, so wie | |
einst die taz. Drei Viertel der Angestellten unterschrieben, der neue | |
Geschäftsführer lehnte ab. Dennoch verwehren sich beide Gesellschafter | |
gegen den Vorwurf, das ND abwickeln zu wollen. „Ich glaube an das ND und | |
will es erhalten“, sagt Schindler. | |
„Die Linke will am ND festhalten“, sagt auch Thomas Nord, Schatzmeister der | |
Partei. Zu den Grundstücksplänen äußern sich Nord und Parteichef Bernd | |
Riexinger nur vage: „Die Grundstücksgesellschaft wird zurzeit und auch | |
künftig von den jetzigen Gesellschaftern sowie Eigentümern des ND (Die | |
Linke und communio eG) verwaltet und weiterentwickelt“, sagt Thomas Nord. | |
Bernd Riexinger teilt mit, dass sich „wie bereits mehrfach in der | |
Vergangenheit, einzelne Gesellschafterstrukturen“ ändern können. Welche | |
sich nun wie ändern könnten, lässt er offen. Eine Überprüfung beim | |
Handelsregister zeigt, dass die Partei schon seit Längerem in die | |
Grundstücksgesellschaft eingestiegen ist: Während die Vermögensverwalterin | |
der Linken, die FEVAC, vor zehn Jahren noch keine Anteile am Grundstück | |
besessen hat, wird sie in der aktuellsten Gesellschafterliste vom März 2017 | |
als Gesellschafterin mit gut zwölf Prozent der Geschäftsanteile | |
ausgewiesen. Nach dem Parteitag Anfang Juni will die Linke ein Gremium | |
einrichten, das über die Zukunft des ND diskutieren soll. | |
Die ND-Belegschaft ist unsicher, ob sie sich daran beteiligen wird. Man | |
wolle sich nicht von der Partei redaktionell beraten lassen. Die | |
Unabhängigkeit der Zeitung sei schließlich im Redaktionsstatut | |
festgeschrieben. Lieber wolle man einen neuen Chefredakteur, der zusammen | |
mit der Redaktion Konzepte erarbeite. Aktuell diskutiert die Belegschaft | |
beispielsweise über ein Genossenschaftsmodell. | |
Nach Strohschneiders Weggang hat dessen Stellvertreter Wolfgang Hübner | |
kommissarisch übernommen. Geschäftsführer Matthias Schindler sagt gegenüber | |
der taz, er plane schon, den Job wieder mit einem oder einer festen | |
Kandidatin zu besetzen. Aber: „In der jetzigen Situation einen neuen | |
Chefredakteur zu finden, ist nicht einfach. Es geht zunächst darum, die | |
Voraussetzungen für zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten zu schaffen.“ | |
Zwei Jahre, soll Riexinger im April vor der ND-Belegschaft gesagt haben, | |
gebe man der Zeitung, um sich zu erneuern. Das reicht nicht, entgegnet die | |
Redaktion. Sie schätzt, es werde fünf bis sieben Jahre dauern. Die Partei | |
steht vor einem Dilemma: Sie kann als Kämpferin für Arbeitnehmerrechte ihr | |
Traditionsblatt sichern und damit rund 100 Arbeitsplätze erhalten. Oder sie | |
agiert rein unternehmerisch und rettet, was zu retten ist. | |
17 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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