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# taz.de -- Madsack schließt Druckerei: Angst vor dem Abstieg
> Der Medienkonzern vernichtet 180 Jobs –- und bringt Niedersachsens
> Ministerpräsidenten Weil in Schwierigkeiten: Größter Anteilseigner ist
> die SPD.
Bild: Die Auflage der in Hannover gedruckten Zeitungen sei gefallen: Madsack st…
HANNOVER taz | Dirk Friedrichs klingt wütend: „In ein paar Jahren lande ich
bei Hartz IV, in der Sozialhilfe“, befürchtet der stellvertretende
Betriebsratsvorsitzende der Verlagsgesellschaft Madsack. Denn Deutschlands
fünftgrößter Medienkonzern, der neben seinem Flaggschiff Hannoversche
Allgemeine Zeitung noch zwölf weitere Tageszeitungen wie die Lübecker
Nachrichten oder die Ostsee-Zeitung herausbringt, hat sich ein heftiges
Sparprogramm verordnet: Bis 2018 sollen die Kosten jährlich um 44 Millionen
Euro sinken. Vorläufiger Höhepunkt: die Schließung der konzerneigenen
Druckerei in Hannover-Kirchrode. 180 Jobs sollen hier vernichtet werden.
Auch Betriebsrat Friedrichs ist Drucker.
Besonders bitter: Vom drohenden Jobverlust haben die Madsack-Mitarbeiter
nicht von ihrem Arbeitgeber, sondern aus der von ihnen selbst mitgedruckten
Bild-Zeitung erfahren. Offiziell informiert wurden Sie erst 24 Stunden
später. „Für Konzernchef Thomas Düffert hagelte es Pfiffe und Buhrufe“,
sagt Friedrichs – „besonders, als er die Schließung der Druckerei
‚unumstößlich‘ genannt hat“.
Die Auflage der in Hannover gedruckten Zeitungen sei gefallen, argumentiert
der Madsack-Boss. Außerdem wolle der Verlag die Hannoversche Allgemeine
sowie die Neue Presse vom nordischen auf das kleinere rheinische Format
umstellen – und das könne in der hauseigenen Druckerei leider nicht
gedruckt werden. Dass Madsack mit der Umstellung jährlich Papierkosten im
zweistelligen Millionenbereich sparen dürfte, sagt Düffert nicht –
schließlich schrumpfen die Zeitungsseiten von jetzt 2.280 auf 1.785
Quadratzentimeter.
Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaftler halten den angeblichen
ökonomischen Zwang zur Druckereischließung für vorgeschoben. „Madsack will
ungestört Lohndumping betreiben“, meint nicht nur Betriebsrat Friedrichs:
Madsacks Strategie sei „ein Fall von Tarifflucht“, befand auch
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in seiner Rolle als
Landeschef der SPD.
Denn Verlagschef Düffert will künftig bei Oppermann in Rodenberg nahe Bad
Nenndorf drucken lassen – und diese Firma ist nicht tarifgebunden, zahlt
also deutlich schlechter als Madsack in Kirchrode, wo mehr als 90 Prozent
der Beschäftigten in der Gewerkschaft Ver.di organisiert sind. Gerade für
Weil ist diese Tarifflucht ein doppelte s Problem: Größter Anteilseigner
bei Madsack ist mit 23,1 Prozent ausgerechnet die SPD-eigene Medienholding
DDVG. Noch aus Zeiten der Arbeiterbildungsvereine hält die rote
Verlagsgesellschaft außerdem Anteile etwa an der Neuen Westfälischen aus
Bielefeld oder dem Nordbayerischen Kurier aus Bayreuth.
Niedersachsens Ministerpräsident fürchtet den Vorwurf, ausgerechnet die SPD
beteilige sich am Sozialdumping: „Nicht hinnehmbar“ sei, „dass die DDVG
mitwirkt an einem auf Tarifflucht abzielenden Geschäftsmodell, während die
SPD aus guten Gründen stets genau davor warnt und Tariftreue einfordert“,
polterte Weil in einer ersten Stellungnahne. In Gefahr sei „die
Glaubwürdigkeit der SPD insgesamt“; es bestehe „deutlicher Klärungsbedarf…
Weil ist damit der erste SPD-Regierungschef, der deutliche Kritik am
Gewinnmaximierungskurs der parteieigenen Holding äußert: Als etwa die
Westfälische Rundschau aus Dortmund, an der die DDVG ebenfalls beteiligt
war, Anfang 2013 zu einer leeren Hülle ohne eigenständige Redaktion
zusammengespart wurde, blieb Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft auffallend stumm. Von Düsseldorf in‘s Ruhrgebiet reisen
musste ihr Arbeitsminister Guntram Schneider, zuvor Landesvorsitzender des
DGB.
Doch auch Regierungschef Weil scheint kaum noch Hoffnung zu haben, die
Druckerei in Hannover halten zu können: „Im Falle Madsack scheinen leider
weitgehend Fakten geschaffen zu sein“, sagte er der taz. Umso wichtiger
sei, „innerhalb der SPD Klarheit für die Zukunft zu schaffen. Es geht
darum, ob die DDVG in der Lage ist, ihre praktische Arbeit in
Übereinstimmung mit den politischen Zielen der SPD zu führen“, findet der
Sozialdemokrat.
Den Madsack-Druckern reicht das nicht – sie wollen um ihre Jobs kämpfen. Ab
Freitag verhandeln Betriebsrat, Gewerkschaft und Geschäftsführung um
Ersatzarbeitsplätze und Abfindungen. Madsack-Boss Düffert könne sich nicht
weiter wie ein „Feudalherr“ aufführen, sagt Ver.di Fachbereichsleiter Lutz
Kokemüller: „Es geht hier um das Schicksal der Beschäftigten.“
2 Jul 2015
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Zeitungskrise
Druck
Madsack
Hannover
Online-Journalismus
Niedersachsen
Verlagswesen
Leistungsschutzrecht
Medien
Zeitungssterben
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