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# taz.de -- Niedersachsen betreibt Tarifflucht: Gewerkschaften attackieren Rot-…
> Der DGB wirft der SPD-geführten Landesregierung Lohndumping vor: Die will
> im Sozialbereich sparen – und benachteiligt so tariftreue
> ArbeitgeberInnen.
Bild: Stephan Weil (SPD) besucht gern Jugendwerkstätten, hier in Goslar. Tarif…
HANNOVER taz | Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht auf
Konfrontationskurs mit Niedersachsens rot-grüner Landesregierung. „Per
Erlass soll Lohndumping ab sofort belohnt werden“, sagt DGB-Landeschef
Hartmut Tölle. „Tariflöhne werden dagegen torpediert – das ist
unglaublich“, so der Gewerkschafter zur taz.
Auslöser des Ärgers des DGB-Chefs ist eine Anordnung der Staatssekretärin
Birgit Honé, die in Niedersachsens Staatskanzlei SPD-Ministerpräsident
Stephan Weil zuarbeitet. Danach sollen die Lohnkosten sämtlicher Projekte,
die das Land mit Geld aus dem Europäischen Sozialfonds ESF unterstützt,
künftig nicht mehr „spitz“, also einzelfallbezogen, abgerechnet werden.
Gezahlt werden stattdessen Pauschalen. Doch damit drohen kräftige
Lohnkürzungen: „Bis zu ein Drittel weniger Geld“ wolle Niedersachsen
künftig pro Stunde erstatten, sagt Gewerkschafter Tölle.
Treffen dürfte das die allermeisten Beschäftigten in der Wohlfahrtspflege
und der Jugendhilfe – also etwa SozialarbeiterInnen und -pädagogInnen, die
Arbeitslose qualifizieren oder die sich um die Resozialisierung ehemaliger
Strafgefangener kümmern.
## Arbeitgeber machen Verlust
„Der Tariflohn eines Sozialarbeiters liegt nach sechs Jahren im Beruf bei
3.300 Euro brutto“, rechnet Lars Niggemeyer, beim DGB Abteilungsleiter für
Arbeitsmarktpolitik, vor. ArbeitgeberInnen bekämen davon aber nur 2.800
Euro erstattet und werden so künftig Monat für Monat 500 Euro Verlust
machen. „ProjektträgerInnen, die Dumpinglöhne von nur 2.000 Euro brutto
zahlen, kassieren dagegen jeden Monat 800 Euro Gewinn“, sagt Niggemeyer.
In akute Schwierigkeiten gebracht hat der Erlass der Staatskanzlei
besonders die Jugendwerkstätten: Sie sollen junge Leute, die keinen
Ausbildungsplatz bekommen haben, qualifizieren – aktuell kämpfen sie vor
allem mit der niedersächsischen Bürokratie.
„Die Jugendwerkstätten haben ihre Anträge für die neue Förderperiode bis
2020 reihenweise zurückbekommen“, sagt Angela Denecke, Geschäftsführerin
der Landesstelle für Jugendsozialarbeit. „Die Aufforderung war: Kürzt die
Lohnkosten um 17 Prozent.“
Damit sei die gerade von Rot-Grün immer wieder propagierte „gute Arbeit“
schlicht nicht finanzierbar. „Einrichtungen, die Tariflohn zahlen, die ihre
MitarbeiterInnen langjährig beschäftigen und nicht nach Ende jedes
Einzelprojekts sofort entlassen, können nicht mehr mithalten“, klagt
Denecke.
## Mittel reichen für Berufseinsteiger
Die gekürzten Landesmittel erlaubten lediglich die Einstellung
kostengünstiger Berufsanfänger, nicht die Beschäftigung erfahrener, aber
teurerer MitarbeiterInnen. „Ich kann aber nicht nur 26-Jährige einstellen“,
sagt Denecke.
Zumindest offiziell wollen die BeamtInnen der Staatskanzlei nichts von
möglichen Nachbesserungen wissen. „Nicht nachvollziehbar“ sei die
DGB-Kritik, heißt es. Die Pauschalierung habe „das Ziel, den bürokratischen
Aufwand und damit Verwaltungskosten zu reduzieren“.
Hinter den Kulissen scheinen aber gerade die SozialdemokratInnen von der
harten Haltung der Gewerkschaften durchaus beeindruckt – schließlich stehen
neben Regierungschef Stephan Weil auch Arbeitsminister Olaf Lies und
Sozialministerin Cornelia Rundt (alle SPD) unter Druck.
## „Nicht politisch abgestimmt“
„Nicht politisch abgestimmt“ gewesen sei der Erlass, heißt es deshalb aus
den Reihen der rot-grünen Regierungskoalition in Hannover beschwichtigend .
Der DGB jedenfalls will hart bleiben – zu groß ist die Enttäuschung der
ArbeitnehmerInnenvertreter über die rot-grüne Koalition, deren
Halbzeitbilanz (siehe Kasten) der Gewerkschaftsbund noch Anfang Juli als
„gut“ bewertet hat. „Diese Lohndumping-Schweinereien machen wir auf keinen
Fall mit“, droht DGB-Chef Tölle. „Daran hängt unsere Glaubwürdigkeit.“
14 Jul 2015
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Niedersachsen
Stephan Weil
DGB
Tarifflucht
Schwerpunkt Zeitungskrise
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