# taz.de -- Ausstellung „Visual Leader“: Print lebt – und sieht ziemlich … | |
> „Visual Leader“ in Hamburg zeigt das Beste aus Fotografie, Zeitschriften | |
> und Werbung des letzten Jahres. Von Zeitungskrise keine Spur. | |
Bild: Die Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg. | |
In den Verlagen dieses Landes wird viel gejammert über die Krise des | |
gedruckten Journalismus: Print sterbe, heißt es, Zeitung lohne sich nicht, | |
keiner lese mehr, Digital sei besser. Erst am Wochenende konnte man einen | |
solchen Abgesang im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen | |
Sonntagszeitung lesen. Die Zukunftsaussichten – furchtbar. | |
Die Auflagenentwicklung der vergangenen Jahrzehnte scheint diese | |
pessimistische Sicht zu bestärken. Abseits der Zahlen jedoch leistet der | |
Printjournalismus in Deutschland – trotz allem und immer noch – so einiges. | |
Zu sehen ist das derzeit in der Ausstellung „Visual Leader“ in den | |
Hamburger Deichtorhallen. Sie zeigt die bewegendsten und innovativsten | |
Arbeiten aus Zeitschriften, Zeitungen, Magazinen, Websites und | |
Werbekampagnen des vergangenen Jahres. | |
Da hängt zum Beispiel dieses Bild: Tausende Menschen drängen sich dicht an | |
dicht in einer Straße. Frauen mit Kopftuch, Männer in dicken Jacken, die | |
Köpfe reichen bis zum Horizont – kein Zentimeter Platz ist zwischen ihnen. | |
Links und rechts der Menschentraube stehen Ruinen. Zerbombte Wohnhäuser, | |
abgebrochene Hauswände, verbrannter Stein. Das Bild ist in Damaskus | |
aufgenommen, im Januar 2014. Palästinensische Flüchtlinge stehen an einer | |
Essensausgabe an. | |
## Der weinende Hoeneß | |
Es ist eines der für die Kategorie „Foto des Jahres“ nominierten Bilder. | |
Daneben hängen viele andere, die das letzte Jahr widerspiegeln: der | |
weinende Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München im | |
November 2013, Wladimir Putin vor einer nackten Demonstrantin in Hannover, | |
ein totes Paar in den Trümmern des eingestürzten Fabrikgebäudes in | |
Bangladesch. Dem Mann läuft Blut aus dem Auge und bahnt sich seinen Weg | |
durch den Dreck auf seiner Wange. | |
Eine Zeitungsseite braucht aber nicht nur Fotos, sie braucht auch ein gutes | |
Layout. Schreibende Journalisten vergessen das manchmal, wenn sie um jede | |
Zeile kämpfen. Dabei zeigen die großformatigen, witzig und ausgefallen | |
designten Zeitungsseiten in den Deichtorhallen, wie eine aufwendige | |
Seitengestaltung zum Lesen animiert. | |
Das Hamburger Abendblatt druckte eine doppelseitige Illustration, die | |
zeigt, wie das Konzerthaus der Elbphilharmonie von innen aussehen soll. | |
Viel Bild statt Worten. Die Welt am Sonntag bebilderte Ende letzten Jahres | |
eine Geschichte über die Abmahnungen von Nutzern des Pornoportals Redtube | |
mit Obst und Gemüse. Eine Spargelstange als Phallussymbol, eine Himbeere | |
als Vagina. | |
## Merkel-Comic | |
Die Zeit gab ihren ganzen Wirtschaftsteil Ende letzten Jahres für einen | |
Comic her, in dem Angela Merkel auf der Suche nach einer Lösung der | |
Eurokrise in die Vergangenheit reist und Karl Marx und John Meynard Keynes | |
trifft. Wer hätte das im Fließtext lesen wollen? Eine ganze Wand ehrt den | |
im Juni verstorbenen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. | |
Übergroß sind 82 FAZ-Seiten aneinandergeklebt, die Schirrmacher geschrieben | |
oder verantwortet hat. Darunter sind natürlich die mehrseitige | |
Entschlüsselung des menschlichen Genoms und der Programmiercode des | |
Staatstrojaners. | |
Seit über 20 Jahren zeichnet die Lead Academy bewegende Fotografie und | |
kreative Arbeiten aus Medien und Werbung aus. Die meisten Nominierten sind | |
jedes Jahr dabei: Die Zeit, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Geo. | |
Aber auch kleinere Magazine, wie Spex, Dummy, Titanic. In der Kategorie | |
Newcomer haben auch Magazinmacher ohne großen Verlag im Rücken eine Chance, | |
wie in diesem Jahr zum Beispiel WASD – ein schick designtes Heft über | |
Computerspiele – oder Fahrstil übers Fahrradfahren. Nur die | |
Schirrmacher-Seiten laufen außer Konkurrenz. | |
## Online kaum vertreten | |
Auch Onlineangebote sind nominiert, das ZeitMagazin Online, die Webseiten | |
von DradioWissen und Arte.tv, das Satiremagazin Postillon und das | |
Musikmagazin De:Bug. Angesichts der Tatsache, dass Online mittlerweile mehr | |
Leser erreicht als Print, ist die Präsentation der Webnominierungen in den | |
Deichtorhallen ziemlich bescheiden. | |
Man kann das als Statement der Kuratoren verstehen: Print lebt. Trotz oder | |
vielleicht gerade wegen der sinkenden Auflagen, des Wegbrechens von | |
Anzeigenkunden und der Konkurrenz aus dem Netz sehen deutsche Zeitungen und | |
Zeitschriften zumindest ziemlich gut aus. | |
Über die besten entscheidet eine Jury. Am 12. September werden die Lead | |
Awards vergeben. Bis zum 5. Oktober ist die Ausstellung noch zu sehen, dann | |
auch mit den jeweiligen Platzierungen. | |
14 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
## TAGS | |
Medien | |
Medienkrise | |
Printkrise | |
Printmedien | |
Zeitung | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Zeitung | |
Medienkrise | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Das gedruckte Wort in digitalen Zeiten: Wie die Zeitung lebt | |
Die Zeitung ist nicht tot, sie ist ein wundervoll lebendiges Wesen. 15 | |
Gedanken über Print, Journalismus und die Zukunft. | |
Madsack schließt Druckerei: Angst vor dem Abstieg | |
Der Medienkonzern vernichtet 180 Jobs –- und bringt Niedersachsens | |
Ministerpräsidenten Weil in Schwierigkeiten: Größter Anteilseigner ist die | |
SPD. | |
Publizist über Medienkrise: „Mut bindet“ | |
Der Publizist Constantin Seibt erklärt, warum der Begriff | |
„Qualitätsjournalismus“ Quatsch ist und Seriosität allein nicht reicht. | |
Liebeserklärung ans Zeitungssterben: Solang es Missstände gibt | |
Die Medienkrise wirbelt alles auf und Journalisten müssen sich wieder in | |
die Welt begeben. Räumt eure Schreibtische! |