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# taz.de -- Unruhen in Libyen: Das Fluchtziel heißt Tunesien
> Angesichts der schweren Kämpfe in Tripolis retten sich Zehntausende über
> die Grenze. Für Libyer ist das neue Parlament die letzte
> Friedenshoffnung.
Bild: Ägypter versuchen, die libysch-tunesische Grenze zu überqueren
RAS JADIR taz | „Die Welt kehrt Libyen in einem gefährlichen Augenblick den
Rücken“, beklagt Mohammed Sufyan die Schließung fast aller Botschaften
angesichts der anhaltenden Kämpfe zwischen Islamisten und
konservativ-gemäßigten Milizen. Sufyan ist Offizier am Grenzübergang Ras
Jadir, dem einzig verbliebenen Fluchtweg über Land. Die Lage an dem für
Schmuggler-Chaos bekannten Posten an der libysch-tunesischen Grenze ähnelt
der im August vor drei Jahren kurz vor dem Sturz Muammar al-Gaddafis. Bis
zu 10.000 Menschen täglich schlugen sich in der vergangenen Woche durch die
zahllosen neuen Kontrollpunkte auf dem Weg von Tripolis zur Grenze.
Am Freitag kam es zu tumultartigen Szenen, als verzweifelte ägyptische
Gastarbeitern wegen fehlender Transitvisa die Einreise nach Tunesien
verwehrt wurde. Libysche Posten schossen in die protestierende Menge und
töteten mindestens zwei aus Tripolis geflohene Bauarbeiter. Viele Ägypter
haben ihr letztes Geld für die Fahrt an die Grenze ausgegeben und harren in
der Glut der Mittagshitze neben den langen Blechkolonne libyscher
Limousinen. Dazwischen stehen gepanzerte Jeeps mit diplomatischen
Kennzeichen. Die Stimmung auf der libyschen Seite ist gereizt. Viele, die
es bis zu den aufgefahrenen Panzern der tunesischen Soldaten auf der
anderen Seite geschafft haben, fallen sich erleichtert in die Arme.
„Wir gehen auf keinen Fall zurück“, sagt Mohammed Mahmud aus Alexandria und
wischt sich die Tränen aus den Augen. Über Kontakte hatte er noch
rechtzeitig ein Visum ergattert. „Seit dem Angriff auf den Flughafen trauen
sich viele Libyer nur noch mit Waffen auf die Straße. Strategische Punkte
in Tripolis haben Islamisten der Nawaschi-Miliz übernommen. Als Ägypter
musste ich damit rechnen, als angeblicher Spion von General al-Sisi
verhaftet zu werden.“
## Humanitäre Luftbrücke
Der tunesische Außenminister Mongi Hamdi warnte am Wochenende, man werde
ein Chaos in Ras Jadir wie während des Krieges gegen Gaddafi nicht
akzeptieren. Am Sonntag einigten sich Ägypten und Tunesien schließlich auf
die Einrichtung einer humanitären Luftbrücke, um die 6.000 Gestrandeten auf
die tunesische Insel Djerba zu evakuieren. Der ägyptische Botschafter in
Tunis versprach, von dort den Weiterflug nach Kairo zu organisieren.
Die Kämpfe in Tripolis forderten allein am Samstag mehr als 22 Opfer. Immer
wieder beschossen Einheiten der islamistischen Misrata-Allianz die
Stellungen ihrer Gegner aus Zintan und den mit der Wüstenstadt verbündeten
Sawaq- und QaQaa-Milizen. Beißender schwarzer Rauch über der Hauptstadt
kündete von weiteren Treffern in einem der riesigen Benzindepots am
Flughafen. Nach Angaben des Ölministeriums gingen damit fünf Tanks mit 56
Millionen Litern in Flammen auf. Mittlerweile werden neben Treibstoff auch
die ersten Lebensmittel in Tripolis knapp.
Letzte Hoffnung auf die Abwendung eines regelrechten Bürgerkriegs setzen
viele in das am 25. Juni gewählten Übergangsparlament, dem
Repräsentantenhaus. 153 von 188 gewählten Volksvertretern kamen am Samstag
in der Hafenstadt Tobruk nahe der ägyptischen Grenze zusammen. Rund 30
Parlamentarier aus dem islamistischen Spektrum und Misrata blieben dem
Treffen demonstrativ fern.
Sie unterstützen wie der Präsident des scheidenden Nationalkongress Nouri
Abusahmain den Krieg „gegen verbliebene Gaddafi-Elemente der Hauptstadt“,
wie eine Kongress- Kommission verlautbaren ließ. Der vorläufige Sprecher
des Repräsentantenhauses, Abu Bakr Baira, forderte alle Abgeordneten auf,
am 4. August zur konstituierenden Sitzung des Parlaments zu kommen, „um die
Spaltung Libyens zu verhindern“.
3 Aug 2014
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Islamismus
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