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# taz.de -- Frieden statt Krieg: Das Leben in finsteren Zeiten
> Die supranationalen Organisationen wie die UN oder die OSZE haben an
> Bedeutung verloren. Muss das so bleiben? Und vor allem: Soll das so
> bleiben?
Bild: Der UN-Sicherheitsrat, dessen Abstimmung kaum das Chaos der Welt beherrsc…
Libyen versinkt im Chaos, westliche Länder haben ihre Botschaften
geschlossen. Im Norden Nigerias sind eine halbe Million Menschen auf der
Flucht vor der Terrororganisation Boko Haram. Mehr als 2.000 Todesopfer
sollen deren Verbrechen allein in diesem Jahr bereits gefordert haben. Die
islamistischen IS-Milizen, die große Teile Syriens und des Irak
kontrollieren, begehen systematische Menschenrechtsverletzungen und brüsten
sich damit im Internet. Im Südsudan droht infolge des Bürgerkrieges eine
Hungersnot.
Die Welt ist unübersichtlich geworden, und niemandem – nicht einmal
hauptberuflichen Politikbeobachtern – gelingt es noch, einen Überblick über
die verschiedenen Spannungsgebiete zu behalten und deren Bedeutung
einzuschätzen. Manchmal reden Leute jetzt fast sehnsüchtig von der Zeit des
Kalten Krieges: Da wusste man, woran man war, und das Gleichgewicht des
Schreckens sei mehr Gleichgewicht als Schrecken gewesen. Ja, früher war
auch mehr Lametta.
Für die meisten Menschen außerhalb Europas hat sich seit dem Fall des
Eisernen Vorhangs nicht viel geändert: Gewalt, Korruption, selbst
sogenannte Stellvertreterkriege wurden und werden damals wie heute von den
Großmächten hingenommen, sogar in manchen Fällen befördert, solange die
jeweilige Bündnistreue von Herrschern nicht in Frage stand.
Die Vereinten Nationen und andere supranationale Organisationen waren als
Regulative des zwischenstaatlichen Zusammenlebens nie so stark, wie das
wünschenswert gewesen wäre. Aber im Angesicht der wechselseitigen
apokalyptischen Bedrohung funktionierten sie wenigstens halbwegs.
Deswegen lag der DDR so viel an der UN-Mitgliedschaft, deshalb war die
OSZE-Schlussakte von Helsinki ein bedeutendes Dokument. Das Völkerrecht war
ein Referenzrahmen, den die Mächtigen zwar im eigenen Einflussbereich oft
missachteten, aber wenigstens im Umgang miteinander respektierten.
Das ist heute nicht mehr so. Wenn der UN-Generalsekretär sich äußert, dann
hat das inzwischen eine ähnliche Bedeutung wie eine Sonntagspredigt in
einem säkularen Umfeld. Der Weltsicherheitsrat ist weniger wichtig für die
Beilegung von Konflikten als die Entwicklung des DAX.
Muss das so bleiben? Nein, das muss nicht so bleiben – es darf nicht so
bleiben. Das Völkerrecht und die UNO bedürfen dringend einer tief
greifenden Reform. Bitte jetzt mal nicht lachen oder verächtlich die
Mundwinkel senken.
Mit keiner anderen Forderung stellt man sich so leicht ins Abseits oder
entblößt sich als naiv wie mit dieser. Augenrollen allerorten. Keine
Chance, weiß sie das nicht?
Ich weiß, dass sich keine Veränderung der Weltordnung leicht durchsetzen
lässt. Ich maße mir auch nicht an, eine Blaupause in der Schublade zu
haben, die – würde sie nur umgesetzt – die Welt zu einem friedlichen Ort
machen würde. Aber ich denke schon, dass gemeinsame intellektuelle und
politische Anstrengungen zu Ergebnissen führen können, die Einzelne nicht
zuwege bringen.
Was mich wirklich beunruhigt: Derzeit scheint es diese Anstrengungen nicht
zu geben. Der Hinweis auf Chancenlosigkeit genügt zur Rechtfertigung von
Tatenlosigkeit. Als seien der Westfälische Friede und die Gründung des
Völkerbundes mühelos erreichbar gewesen, historische Spaziergänge
sozusagen. Um mit Bertolt Brecht zu sprechen: Ich lebe in finsteren Zeiten.
2 Aug 2014
## AUTOREN
Bettina Gaus
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Nigeria
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Schwerpunkt Syrien
Krieg
UN
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