| # taz.de -- Kolumne Macht: Ein kuscheliges Wort | |
| > Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen. Das klingt harmlos. An | |
| > Tod, Blut und Angst will man lieber nicht denken. Doch es geht um Krieg. | |
| Bild: Verantwortung, aha: Soldaten im Kampfeinsatz. | |
| Um den Regentanz für eine sinnvolle Veranstaltung zu halten, kommt es nicht | |
| auf die Erfolgsquote an. Es geht dabei schließlich um den Glauben, nicht um | |
| die Realität. Die Art und Weise, in der hierzulande über internationale | |
| Militäreinsätze diskutiert wird, erinnert an alte Formen der | |
| Geisterbeschwörung. Mit der Wirklichkeit eines Krieges hat die Debatte | |
| nichts zu tun. Er darf ja nicht einmal so genannt werden. | |
| Bei keinem anderen Thema werden Leute so schnell grundsätzlich wie bei | |
| diesem. Das gilt gerade für diejenigen, die für sich in Anspruch nehmen, | |
| „realpolitisch“ zu argumentieren, und Pazifismus für eine abstoßende Form | |
| der Traumtänzerei halten. Worüber nämlich reden sie? Dass Deutschland mehr | |
| „Verantwortung“ übernehmen müsse. Das ist ein kuscheliges Wort. An Tod, | |
| Verstümmelung, Blut, Gestank, Angst, Zerstörung und Hoffnungslosigkeit | |
| denkt man da nicht. | |
| Auch das Wort „internationaler Militäreinsatz“ klingt ziemlich harmlos – | |
| jedenfalls harmloser als Kriegseinsatz und auch harmloser als das, was | |
| einem solchen Einsatz im Regelfall vorausgeht. Vielleicht wird deshalb so | |
| routiniert nach dem Militär gerufen, wenn irgendwo auf der Welt etwas | |
| geschieht, was zu furchtbar ist, um es sich vorstellen zu wollen. Als sei | |
| diese Forderung ein Abwehrzauber. | |
| Der allerdings noch seltener funktioniert als der Regentanz. Die | |
| Überzeugung, Soldaten könnten politische Probleme lösen, ist zwar durch | |
| zahlreiche gegenteilige Erfahrungen nicht auszurotten, aber dennoch falsch. | |
| Kaum schaut man einen Krisenherd aus der Nähe an, wird es eben kompliziert. | |
| ## Ein Abwehrzauber? | |
| Wie sich gegenwärtig nicht nur im Irak oder in der Ukraine zeigt. Sondern | |
| auch an so entlegenen Orten wie im Norden Nigerias. Ohne Unterstützung | |
| durch Teile der Bevölkerung könnte die Terrorgruppe Boko Haram dort ebenso | |
| wenig operieren, wie Isis es im Irak könnte. Glaubt vor diesem Hintergrund | |
| tatsächlich irgendjemand, die Verlegung von 80 weiteren US-Soldaten ins | |
| Nachbarland Tschad werde es Nigerianern in der Stadt Damaturu ermöglichen, | |
| ohne Angst ein Fußballspiel anzuschauen? Das kann niemand glauben. | |
| Aber immerhin: Es geschieht etwas. Es geschieht etwas! Manchen von denen, | |
| die jederzeit bereit sind, andere Leute ins Gefecht zu schicken, scheint | |
| das zu genügen. Alles ist für sie offenbar besser als Untätigkeit. | |
| Und es ist ja wahr: Der Widerstand gegen Militärinterventionen ist für sich | |
| genommen auch noch kein Nachweis einer humanen Haltung. Die Debatte findet | |
| – zu Recht – meist im Ressort Innenpolitik statt. Weil das Interesse für | |
| die Betroffenen am anderen Ende der Welt so groß dann doch nicht ist. | |
| Lieber arbeitet man sich am Gegner im eigenen Land ab. | |
| Die Form, in der die Debatte über Kriegseinsätze gegenwärtig geführt wird, | |
| ist ebenso nutzlos wie bequem. Die einen erklären nicht, was genau das Ziel | |
| einer Intervention sein sollte und unter welchen Umständen es als erreicht | |
| gelten kann. Die anderen benennen keine konkrete Alternative. | |
| Vielleicht ist der Mangel an Fantasie im Hinblick auf politische | |
| Intervention die schlimmste Begleiterscheinung der Tatsache, dass | |
| militärische Intervention inzwischen für eine Möglichkeit gehalten wird. In | |
| der fernen Vergangenheit des Kalten Krieges musste man sich wenigstens noch | |
| etwas einfallen lassen, um Konflikte zu entschärfen. Das war erfreulich. | |
| Für die Opfer. | |
| 20 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Gaus | |
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