# taz.de -- Kommentar Rückzug aus Libyen: Wehrlose Demokraten | |
> Weil in Libyen die Gewalt eskaliert, verlassen ausländische Diplomaten | |
> das Land. Dabei benötigt das Volk für ein demokratisches System | |
> Unterstützung. | |
Bild: Das libysche Volk will nach wie vor Demokratie. | |
Ausländische Diplomaten, die EU und die Vereinten Nationen haben Libyen in | |
den letzten Wochen verlassen. Das zweite Mal in drei Jahren herrscht in | |
Tripolis und Bengasi Krieg. Nach dem Scheitern ihres Überraschungsangriffs | |
auf den Flughafen setzt die Allianz von Islamisten und Kämpfern aus Misrata | |
auf Zerstörung jeglicher Infrastruktur in Besitz ihrer Gegner aus Zintan. | |
Der dunkle Rauch der brennenden Benzindepots am Himmel wirkt wie ein | |
Hilferuf eines Landes, das im Strudel der Gewalt von wild gewordenen | |
Milizen in einen Bürgerkrieg zu versinken droht. Je länger der | |
aussichtslose Kampf der militärisch gleich starken Gruppen in der | |
Hauptstadt dauert, desto größer wird der der Druck auf weitere libysche | |
Städte, sich der einen oder anderen Seite anschließen. | |
In dem Machtkampf vermischen sich regionale und historische Konflikte mit | |
dem Kampf zwischen moderaten und extremistischen Weltanschauungen. Die | |
lachenden Dritten sind die weltweit vernetzten Dschihadisten, die nach dem | |
irakischen und syrischen Chaos schon hoffen, ein drittes zerfallendes Land | |
in eine Art Kalifat verwandeln zu können. | |
Die Libyer haben der Weltgemeinschaft mit unzähligen Protesten, Lokal- und | |
Parlamentswahlen deutlich gemacht, dass sie etwas anderes wollen: Einen | |
moderat muslimischen Rechtsstaat, die Rückkehr von Polizei und Armee. Und | |
vor allem Sicherheit für ihre Familien. Doch seit einigen Wochen traut sich | |
in Tripolis kaum noch jemand ohne Waffe aus dem Haus. Strom, Brot und | |
Benzin werden knapp. | |
## Es ist nicht zu spät | |
Die zwischen die Fronten geratenen Diplomaten haben verständlicherweise die | |
Segel gestrichen. Zuletzt hat eine britische Fregatte Landsleute aus dem | |
Hafen von Tripolis evakuiert. Kaum haben sie Libyen verlassen, beginnt die | |
Diskussion über eine zweite Militärintervention. Man solle sich besser | |
darauf vorbereiten, so der ehemalige britische Botschafter in Tripolis Sir | |
Richard Dalton am Montag. In ägyptischen Medien wird öffentlichkeitswirksam | |
über die Notwendigkeit eines Einmarsches in Bengasi diskutiert, um die | |
immer stärker werden Islamisten von Ansar Scharia in Schach zu halten. | |
Sicher, immer wieder eskalierten in den letzten drei Jahren lokale | |
Streitereien, fehlende Bezahlung oder Postengeschacher zu Blockaden oder | |
blutigen Kämpfen. Die nach dem Sturz Gaddafis in Rekordzeit hochgefahrenen | |
Ölproduktion fiel nach von außen betrachtet lächerlichen Streitereien | |
wieder fast auf Null. Dennoch ist es nicht zu spät für ein demokratisches | |
Libyen. Das neue Parlament steht, eine Verfassungskommission reist durchs | |
Land und arbeitet an einem funktionierenden Regierungskonzept und die | |
Bürger gehen immer noch mutig für Frieden auf die Straße. | |
Die Vorstellung, dass 6 Millionen Einwohner auf der Fläche Frankreichs, mit | |
den größten Ölvorräten Afrikas und 2000 Kilometer unberührter | |
Mittelmeerküste ausgestattet, in einem Bürgerkrieg zu versinken und Europa | |
ratlos zuschaut, ist absurd. Es reicht nicht, abzuziehen und das | |
angerichtete Chaos zu bedauern. Libyen war in seiner jungen Geschichte nur | |
für kurze Zeit ein zusammenhängender Staat mit funktionierenden Strukturen. | |
Europa sollte die Rauchwollen über Tripolis zum Anlass nehmen, schnell und | |
massiv helfen, diese wieder aufzubauen. | |
Die Vereinten Nationen müssen dafür sorgen, dass die Kommandeure für | |
Kriegsverbrechen und Attacken auf das Parlament zur Rechenschaft gezogen | |
werden.Keine Militärintervention, aber eine robuste Politik auf Seiten der | |
noch immer wehrlosen Demokraten ist nun gefragt. Dafür müssen die | |
Diplomaten von EU und UN so schnell wie möglich und endlich gut bewacht | |
zurückkommen. | |
6 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
## TAGS | |
Libyen | |
Arabische Revolution | |
Bürgerkrieg | |
Demokratie | |
Libyen | |
Libyen | |
Libyen | |
Libyen | |
Libyen | |
Libyen | |
Libyen | |
Libyen | |
Barack Obama | |
Libyen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schwere Kämpfe in Libyen: Islamisten fliehen aus Bengasi | |
Die Armee von General Hafter kontrolliert weite Teile der ostlibyschen | |
Stadt. Dort toben die heftigsten Gefechte seit dem Sturz Gaddafis. | |
Kämpfe in Libyen: Westen verurteilt Einmischung | |
Der „New York Times“ zufolge haben Ägypten und die Vereinigten Arabischen | |
Emirate heimlich Luftangriffe auf Milizen in Tripolis geflogen. Im Land | |
eskaliert die Gewalt. | |
Bürgerkrieg in Libyen: Angst vorm nordafrikanischen Kalifat | |
Die Kämpfe der Milizen untereinander spalten das Land. Tripolis ist jetzt | |
in der Hand der Islamisten, die zudem einen Militärflughafen kontrollieren. | |
Libyen versinkt im Kriegschaos: Islamisten erobern Flughafen | |
Als die Libyer Ende Juni ein neues Parlament wählten, hofften viele im Land | |
auf bessere Zeiten. Doch die Gewalt geht unvermindert weiter. | |
Konflikt in Libyen: Abtrünnige Armee drängt Miliz zurück | |
Ein pensionierter Generalmajor hatte eigenmächtig eine Offensive gegen | |
islamistische Milizen in Libyen gestartet. Jetzt hat seine Armee in Bengasi | |
vier Lager erobert. | |
Parlamentseröffnung in Libyen: Hoffnung auf einen Neuanfang | |
In Tobruk tritt erstmals das neue Parlament zusammen. Große Teile der | |
libyschen Bevölkerung hoffen auf ein Ende der Spaltung und der Kämpfe. | |
Kommentar blutige Kämpfe in Libyen: Enttäuschte Erwartungen | |
Libyen war schon immer ein Staat mit schwacher Zentralregierung, Gaddafi | |
nutzte das geschickt aus. Jetzt ist die Lage jedoch schlimmer als 2011. | |
Unruhen in Libyen: Das Fluchtziel heißt Tunesien | |
Angesichts der schweren Kämpfe in Tripolis retten sich Zehntausende über | |
die Grenze. Für Libyer ist das neue Parlament die letzte Friedenshoffnung. | |
Kommentar US-Außenpolitik: Führung? Vergiss es! | |
Präsident Barack Obama hat keine Vorstellung davon, wie eine Führungsrolle | |
der USA ohne Militäreinsätze aussehen könnte. | |
Bürgerkrieg in Libyen: Viele Staaten rufen zur Ausreise auf | |
In Tripolis starben 22 Menschen bei Kämpfen verfeindeter Milizen. Viele | |
Familien wurden vertrieben. Ein Schiff der Royal Navy soll hunderte Briten | |
evakuieren. |