# taz.de -- Konflikt in der Ukraine: Die Pluralität dem Krieg geopfert | |
> Ein neues Gesetz in der Ukraine gibt dem Präsidenten breite Vollmachten. | |
> Künftig könnte auch die Pressefreiheit leichter eingeschränkt werden. | |
Bild: „Wir fordern Reinigung“: Demonstranten vor dem Parlament in Kiew. | |
BERLIN taz | Das ukrainische Parlament, die „Rada“, hat am Donnerstag ein | |
Gesetz verabschiedet, das Sanktionen gegen natürliche und juristische | |
Personen vorsieht,die „den Terrorismus und die Besetzung der Krim“ | |
unterstützen. Danach können Gesellschaften und Firmen mit russischer | |
Kapitalbeteiligung, Transitflüge oder auch die Weiterleitung von Gas auf | |
dem Gebiet der Ukraine verboten werden. | |
Der Präsident kann künftig – allein auf der Grundlage von Empfehlungen des | |
Nationalen Sicherheitsrates unter Umgehung der Gerichte und des Parlaments | |
– Vermögen einfrieren, Geschäftsbeziehungen mit Russland und den Transit | |
von Waren durch die Ukraine verbieten. Er kann Kapitalflüsse in das Ausland | |
stoppen und wirtschaftliche oder finanzielle Verbindlichkeiten und Lizenzen | |
aufkündigen. Des Weiteren können Besuche und Konferenzen verboten, | |
Parteien, Organisationen und Unternehmen aufgelöst werden, wenn durch diese | |
aus Sicht des Nationalen Sicherheitsrates „der Terrorismus finanziert und | |
die Besetzung der Krim unterstützt wird“. | |
Erst im letzten Augenblick waren aus dem Gesetzestext umstrittene Passagen | |
gestrichen worden: Sie hätten es ermöglicht, Medien ohne Gerichtsbeschluss | |
die Lizenz zu entziehen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit | |
hatte diesen Passus zuvor kritisiert. So forderte die OSZE-Beauftragte für | |
Medienfreiheit, Dunja Mijatovin, die Parlamentsabgeordneten noch kurz vor | |
der zweiten Lesung am Donnerstag auf, „von Passagen dieses Gesetzes Abstand | |
zu nehmen, die die Pressefreiheit und die Meinungsvielfalt gefährden und in | |
Widerspruch zu den Verpflichtungen der OSZE zur Meinungs- und | |
Pressefreiheit stehen.“ | |
Dennoch haben die ukrainischen Journalisten Grund zur Sorge: So erklärte | |
der Abgeordnete der Regierungspartei „Batkivschtschina“, Nikolaj Tomenko, | |
künftig würden die Behörden die Medienfreiheit leichter einschränken | |
können. | |
## Der Druck auf die Medien wächst | |
Ob und wann Sanktionen gegen natürliche oder juristische Personen | |
eingeleitet werden, darf allein der Nationale Sicherheitsrat entscheiden. | |
Mit der Unterschrift des Präsidenten unter die Sanktionsverfügung wird | |
diese rechtskräftig. Lediglich Sanktionen, die sich allgemein gegen Länder | |
richten, die den ukrainischen Separatismus fördern, bedürfen der Zustimmung | |
des Parlaments. „Die Oberste Rada hat den ersten Schritt zur Errichtung | |
einer Diktatur in der Ukraine gemacht“, so die ukrainische Tageszeitung | |
vesti am Mittwoch in ihrem Internetportal über die erste Lesung des neuen | |
Sanktionsgesetzes. | |
Kritiker sehen das jüngste Sanktionspaket als weiteren Beleg einer | |
zunehmenden Bereitschaft in Staat und Gesellschaft, die Werte von Vielfalt, | |
Toleranz, Pluralität und Demokratiebewusstsein dem Bürgerkrieg zu opfern. | |
Dass die ursprüngliche Gesetzespassage, die die Schließung von Medien und | |
Internet-Portalen erleichterte, im letzten Moment noch gestrichen wurde, | |
darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Druck auf die ukrainischen | |
Medien wächst. | |
Bereits am 23. Juli war Tatjana Popowa, Chefin des ukrainischen | |
Internet-Verbandes, vom ukrainischen Geheimdienst SBU aufgefordert worden, | |
den Zugang zu mehreren Dutzend Internet-Angeboten einzuschränken, die | |
„Krieg propagieren, Hass säen, die verfassungsmäßige Ordnung oder die | |
territoriale Integrität der Ukraine mit Gewalt beseitigen wollen“. | |
## Gegen das Spaltertum | |
Dabei hatte sich der Geheimdienst auf eine Einrichtung des im Frühjahr | |
gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch berufen, die „Nationale | |
Kommission für Moral“. Während diese ursprünglich Kinderpornografie im | |
Internet bekämpfen sollte, hatten die neuen Machthaber Ende April die | |
Aufgabenstellung erweitert: Jetzt sollte sie sich auch gegen Spaltertum | |
wenden. | |
„Natürlich muss man Internet-Angebote, die den Krieg und den Separatismus | |
propagieren, bekämpfen“, schreibt der ukrainische Journalist Alexander | |
Olschanskij auf der Webseite lb.ua. „Doch dies muss im Rahmen der Gesetze | |
geschehen.“ Wer hier ohne gerichtliche Entscheidungen und ohne | |
Ermittlungsverfahren Verbote ausspreche, handle gegen das Recht und rufe | |
hiermit nur wieder neue Gesetzlosigkeit hervor, so Olschanskij. | |
14 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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