| # taz.de -- Landtagswahlen und Wachstumsraten: Der Osten wächst und wächst | |
| > In Brandenburg, Sachsen und Thüringen geht es mit der Wirtschaft voran – | |
| > egal, wer dort regiert. Die Konjunkturprogramme des Bundes halfen. | |
| Bild: Brandenburg hat mehr zu bieten als Flächen für Getreide und Solarzellen | |
| BERLIN taz | In drei neuen Ländern – Brandenburg, Sachsen und Thüringen – | |
| wird Ende August oder Mitte September der Landtag neu gewählt. Die | |
| Erfolgsbilanzen der Landesregierungen ähneln sich: niedrigste | |
| Arbeitslosigkeit seit 1990, ersprießliche Wachstumsraten und mehr Einkommen | |
| für fleißige Menschen. | |
| Dabei wurde jedes Land fünf Jahre lang anders regiert: Sachsen | |
| schwarz-gelb, Thüringen schwarz-rot und Brandenburg rot-rot. Welche | |
| Farbkonstellation dem Land seinen Stempel auch aufdrückte – den | |
| grundlegenden Wirtschaftsdaten war es herzlich egal. | |
| Anfangs sah es für die drei Landesregierungen nicht gut aus. 2009 steckte | |
| die Bundesrepublik tief in dem durch die globale Finanzkrise ausgelösten | |
| Konjunkturtal. Um 5,2 Prozent ging Deutschlands Wirtschaftsleistung zurück. | |
| Merkels erste Große Koalition steuerte mit dem Konjunkturpaket II gegen. 50 | |
| Milliarden Euro flossen in die berühmte Abwrackprämie, aber auch zu großen | |
| Teilen in kommunale Investitionen. | |
| Für die drei Länder glich das einem warmen Konjunkturregen. „Das Wachstum | |
| hängt vor allem daran, was der Bund macht, und mit weitem Abstand kommen | |
| erst die Länder mit ihren Möglichkeiten“, erläutert Udo Ludwig, Konjunktur- | |
| und Ostexperte am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). | |
| In der Wahlpropaganda vergleichen die drei Länder in der Regel das | |
| Konjunkturtal 2009 mit 2013. Das ergibt statistisch beeindruckende | |
| Pluszahlen. Ein realistisches Bild ergibt sich aber erst, nimmt man das | |
| Vorkrisenjahr 2008 als Ausgangspunkt. In dem Fall können sich Brandenburg | |
| und Thüringen rühmen, dass ihre Wirtschaftsleistung 2013 um 2,4 | |
| beziehungsweise 2,8 Prozent über der von 2008 lag. Sachsen dagegen | |
| schwächelt mit nur plus 0,7 Prozent. | |
| ## Paradoxe Erklärung | |
| Das überraschte auch den gestandenen Experten Ludwig, widerspricht es doch | |
| dem landläufigen Bild vom wirtschaftsliberalen Freistaat. Die Erklärung | |
| klingt paradox. Sachsen besitze, so der Konjunkturexperte, die | |
| vergleichsweise größte industrielle Wertschöpfung. Gerade aber die | |
| Industrie sei 2009 besonders schwer von der Krise getroffen worden. In | |
| Brandenburg und Thüringen dagegen sei das Konjunkturpaket, das vor allem | |
| auf Investitionen der öffentlichen Hand zielte, „stärker ins Gewicht | |
| gefallen, konnte mehr Wirkung entfalten“, erläutert Ludwig. | |
| Kalt erwischt wurden die drei Ost-Länder 2013 von der Solarkrise. | |
| Reihenweise gerieten industrielle Hoffnungsträger wie First Solar, | |
| Solarwatt oder Bosch Solar Energy in Turbulenzen. IWH-Experte Ludwig kann | |
| in der exzessiven Förderung dieser Branche durch die drei Länder aber | |
| keinen Fehler erkennen: „Eigentlich wurde alles richtig gemacht – man hat | |
| einfach Pech gehabt.“ | |
| Den Solarfirmen macht aus seiner Sicht eher eine generelle Schwäche der | |
| ostdeutschen Wirtschaft zu schaffen: ihre zu geringen Ausgaben für | |
| Forschung und Entwicklung (FuE). Deren Intensität liegt nur bei der Hälfte | |
| des Vergleichswertes West. Diese Feststellung kann man seit Jahren und auch | |
| im 2013er Bericht zur Deutschen Einheit nachlesen. | |
| ## Bei der Anwendungsforschung hakt es | |
| Zudem würden FuE im Osten, heißt es im jüngsten Bericht weiter, zu einem | |
| „großen Teil durch die öffentlichen Haushalte finanziert, die in den | |
| nächsten Jahren voraussichtlich unter großem Konsolidierungsdruck stehen | |
| werden“. | |
| „Der Übergang von der universitären Grundlagen- zur Anwendungsforschung in | |
| den Unternehmen klappt in den neuen Länder einfach nicht“, analysiert | |
| Ludwig. Deswegen habe man auch bei Solar Ost eher auf „Masse statt Klasse“ | |
| setzen müssen. Das wurde dann aber in der Krise gegenüber der | |
| Billigkonkurrenz aus Fernost zum Verhängnis. | |
| Auch für die kommenden Jahre hat Ludwig wenig Hoffnung, dass sich das | |
| grundlegend ändert. Da können die Wähler vermutlich wählen, wen sie wollen. | |
| 26 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Staude | |
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