# taz.de -- Wahlerfolg der AfD: Ein stummer Schrei nach Liebe | |
> Die AfD weiß genau, wo beim Ostdeutschen die Angst sitzt. Sie weiß, wo er | |
> gestreichelt werden will. Dafür haben die Wähler die Partei belohnt. | |
Bild: Der ehemalige DDR-Bürger ist billig zu haben. Er braucht nur ein bissche… | |
Die AfD könnte endlich das Heilsversprechen aus den 1990er Jahren einlösen. | |
Damals hieß es in Brandenburg und anderswo im Osten, dass die Nazis, die | |
einen soeben bedroht, verfolgt, zusammengeschlagen hatten, eines Tages | |
Kinder kriegen, einen Beruf ergreifen und dann endlich ruhiger werden | |
würden. | |
Es könnte inzwischen so weit sein. Dann wäre die Alternative für | |
Deutschland das Abklingbecken für die Schläger von damals, die niemanden | |
mehr hauen, aber immer noch rechts wählen. Es sieht nur nicht so aus. | |
Viele Menschen, die bei den Wahlen der AfD ihre Stimme gaben, haben beim | |
letzten Mal die Linkspartei gewählt. 20.000 in Brandenburg, 16.000 in | |
Thüringen. Die AfD hatte um sie geworben. Dafür musste sie sich nicht | |
besonders nach links verbiegen, wie jetzt hie und da geschrieben wird. Sie | |
musste nur wissen, wo beim Ostdeutschen die Angst sitzt und wo er gern | |
gestreichelt werden möchte. | |
Der Brandenburger Spitzenkandidat Alexander Gauland schrieb an die Wähler | |
der Linken: „Sarah Wagenknecht und Bernd Lucke sind sich in der | |
Beschreibung der Gefahren des Euro ganz nahe.“ | |
Die Furcht vor dem Euro hat in Ostdeutschland eine eigene Qualität: Die | |
Wiedervereinigung gab es nur, weil die Leute die D-Mark haben wollten. Denn | |
nicht nur das Aluminiumgeld der DDR galt als Metallverschwendung, sondern | |
auch die Zahlungsmittel der sozialistischen Bruderstaaten. | |
Ein Witz aus dieser Zeit: Wie tauscht man Ostmark in polnisches Geld? Eins | |
zu eins. Eine Mark, ein Eimer Zloty. | |
Dann gab es endlich die D-Mark, nur damit sie gleich wieder durch den Euro | |
ersetzt wurde. Und heute soll man schon wieder irgendwelche Bruderstaaten | |
lieben, deren Wirtschaft wieder nicht funktioniert. Das neue Polen heißt | |
Griechenland. | |
Dazu zeigt die AfD noch ein bisschen Verständnis für die Vergangenheit: | |
„Was die DDR angeht, so finden wir Kinderbetreuung und Ärztehäuser nicht | |
weniger sinnvoll als Sie“, schrieb Gauland. Und Parteichef Bernd Lucke | |
sagte auf einer Veranstaltung an der Ostgrenze – dort also, [1][wo sich | |
Bürgerwehren wider den räuberischen Polen gründen] –, das mit der inneren | |
Sicherheit sei in der DDR irgendwie besser gewesen. Das hat ausgereicht. | |
## Es gab ja kaum Ausländer | |
Der Ostdeutsche ist billig zu haben, denn außer der Linkspartei hat sich | |
keiner um die Integration derjenigen gekümmert, die in der DDR nicht | |
komplett unglücklich waren. Tut es doch jemand, wird er dafür heiß geliebt. | |
Oder zumindestens gewählt. Selbst eine Partei voller Witzfiguren wie die | |
NPD hatte Erfolg mit der Masche. Die DDR sei das bessere Deutschland | |
gewesen, haben Kader gesagt, und als das einigen Neonazis komisch vorkam – | |
schließlich soll die DDR ein linker Staat gewesen sein –, da sagten sie | |
eben, es sei das deutschere Deutschland gewesen. Es gab ja kaum Ausländer. | |
Zuneigung also. | |
Schließlich sollte man nicht vergessen, dass hier in einem Landstrich | |
gewählt wurde, in der die Verachtung des politischen Betriebs als positive | |
Errungenschaft gilt. Sie ist sogar als die einzige geglückte Revolution von | |
unten in die deutsche Geschichte eingegangen. Vor den großen Märschen in | |
Leipzig und Berlin hatten die Menschen den Staat, von dem sie nichts mehr | |
erwarteten, längst dadurch abgeschafft, dass sie seine Politiker nicht mehr | |
ernst nahmen. | |
Die Wahl zu schwänzen galt als subversiver Akt. Es war der SED-Führung | |
wichtig, dass viele Menschen an die Urnen gingen, das war die Legitimation | |
ihres Demokratieschauspiels. Der soziale Druck, wählen zu gehen, war | |
entsprechend hoch und ähnelte in der Dringlichkeit seiner Entäußerungen | |
doch sehr den verzweifelten Kommentaren von Journalisten in den vergangenen | |
Wochen, der Ostdeutsche möge doch bitte, bitte zur Wahl gehen. Gehen viele | |
aber nicht, genau jene nämlich, die nichts mehr von dem Staat erwarten, der | |
gerade dran ist. Dran ist zu scheitern, so sehen sie es wohl. Andere wählen | |
Parteien wie die AfD, die ganz deutlich signalisieren, dass sie vom | |
Bestehenden nichts mehr erwarten. Protest also. | |
Die Erfahrung und deren Überlieferung ist doch, dass man ein politisches | |
System aushungern und ihm die Liebe verweigern kann, bis es daran stirbt. | |
So nach dem Motto: Mal gucken, vielleicht ist das, was danach kommt, ja | |
nicht so schlecht. Eine Alternative für Deutschland. Oder so. | |
Ersparen wir uns hier die Ausführungen zu Gründen für den ostdeutschen | |
Frust. Zu diesem Thema hat sich in den 25 Jahren seit der Wiedervereinigung | |
ein riesiger Papierberg angehäuft. Es reicht zu wissen, dass es diesen | |
Frust gibt, dass er eine politische Macht ist. Und dass er der AfD, wenn | |
sie sich nicht total bescheuert anstellt oder Verantwortung übernimmt, in | |
Ostdeutschland eine Weile lang die Existenz sichern wird. | |
16 Sep 2014 | |
## LINKS | |
[1] /Buergerwehr-in-Eisenhuettenstadt/!145345/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Schwerpunkt AfD | |
Rechtsextremismus | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Deutsche Einheit | |
Wiedervereinigung | |
Schwerpunkt Ostdeutschland | |
Schwerpunkt Landtagswahl 2019 in Brandenburg | |
Vorurteile | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Junge Alternative (AfD) | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sächsisch-Trainerin über Vorurteile gegen Ostler: „Görbor, Körper, andiau… | |
Es ist unfair, Sächsisch noch immer nur mit DDR und Stasi in Verbindung zu | |
bringen. Denn die Sachsen verstehen sich vor allem aufs Herz, sagt | |
Annekatrin Michler. | |
AfD-Posse in Brandenburg: Stiefvater will Sohn nicht zurück | |
Stefan Hein will nun doch ins Brandenburger Parlament – um einen | |
Antisemiten zu verhindern. Aber Fraktionschef und Stiefvater Gauland nimmt | |
ihn nicht auf. | |
AfD stimmt mit der NPD: Gemeinsame Sache mit den Nazis | |
Im Kreistag von Vorpommern-Greifswald unterstützen AfD-Abgeordnete eine | |
Initiative der NPD gegen Flüchtlinge. Mit dabei: der AfD-Landeschef. | |
AfDler mit rechter Vergangenheit: Gauland vermutet „Stasi-Methoden“ | |
Mehrere Abgeordnete der AfD in Potsdam haben eine rechte Vita. Will die | |
Partei sie loswerden? Fraktionsschef dementiert empört. | |
Der Absturz der Linkspartei: Die linke Seniorenpartei | |
Regieren schadet den Genossen. Diese Analyse reicht aber nicht, um das | |
Wahldebakel in Brandenburg zu erklären. Die Probleme sind ernster. | |
Journalistin im Wahlkampf: CDU im Büro, AfD zuhaus | |
Die Lebensgefährtin des Brandenburger AfD-Chefs ist Redakteurin der | |
„Märkischen Allgemeinen“. Nebenher erledigt sie Büroarbeiten für die | |
Partei. | |
CDU-Vizechefin über den Erfolg der AfD: „Eine Unmut-Aufsauger-Partei“ | |
Die AfD sei nicht „aus dem Fleisch der CDU“, sagt Julia Klöckner, | |
Vizechefin der CDU. Sie schüre Angst und biete keine Lösungen an. | |
Die CDU nach den Wahlen: Die Gretchenfrage | |
Trotz stabiler Zuwächse ist man in der Union beunruhigt über das Erstarken | |
der AfD in Thüringen und Brandenburg. Die FDP gibt sich kämpferisch. | |
Debatte Erfolg der AfD: Keine Koalitionen ohne die CDU | |
Für die CDU sind die neuen Rechtspopulisten der AfD kein Problem, sondern | |
ein Glücksfall. Wird die SPD jemals wieder mehr als Juniorpartner? | |
Kommentar AfD-Erfolg: Heimat für zornige weiße Männer | |
Nun hat auch Deutschland eine starke rechtspopulistische Partei. Der Erfolg | |
der „Alternative für Deutschland“ ist Ergebnis einer antipolitischen | |
Revolte. | |
Kolumne Besser: Das AfD-ABC | |
Von Brüssel zum Hans-Olaf, von der Jungen Alternative zu Russland – was Sie | |
über die Alternative für Deutschland wissen müssen. |