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# taz.de -- Debatte Erfolg der AfD: Keine Koalitionen ohne die CDU
> Für die CDU sind die neuen Rechtspopulisten der AfD kein Problem, sondern
> ein Glücksfall. Wird die SPD jemals wieder mehr als Juniorpartner?
Bild: Blick nach links verdeckt? Oder nach rechts? Merkel kann es egal sein
Von Franz Josef Strauß stammt die Devise, dass es niemals eine Partei
rechts der Union geben dürfe. Heute hingegen könnte die neue Rechtspartei
namens AfD nicht das Verhängnis der Union sein, sondern ihre Chance, ja ihr
historischer Glücksfall. Denn die AfD minimiert nicht die Koalitionschancen
der Union, im Gegenteil: Sie erweitert sie um eine potenzielle
Regierungsalternative. Was sie dagegen tatsächlich minimiert, sind die
Chancen einer jeden Koalition ohne Union. Die angebliche „Alternative für
Deutschland“ betoniert damit, so die Ironie der Geschichte, die
Alternativlosigkeit im Lande und stellt die Unionsregierung auf Dauer.
Denn: Die AfD steht in ihrer Wählerschaft für weit mehr als einen schmalen
rechten Rand. Mit ihren national-chauvinistischen Politikangeboten (für
harte Interessenvertretung und geschlossene Grenzen in der Außenpolitik,
für mehr Polizisten und strengere Erziehung in der Innenpolitik und gegen
emanzipierte Frauen) ist sie ein Sammelbecken für die autoritären
Charaktere in allen Parteien und verfügt damit über Schnittmengen nicht
zuletzt mit der Linkspartei, wie der jüngste Wahlausgang in den drei
Ost-Bundesländern Sachsen, Brandenburg und Thüringen gezeigt hat. Jahrelang
konnte der pfiffige Gregor Gysi stolz behaupten, die PDS/Linkspartei habe
auch die autoritären SED-Wähler aufgefangen und damit einer möglichen
Rechtspartei im Osten den Boden entzogen. Nun aber ist sie da, die AfD.
Das zeigt sich – erstens – in Thüringen: Die Abwanderung von der SPD, aber
vor allem von der Linkspartei zur AfD hat das rot-rot-grüne Lager
entscheidend geschwächt. Schon am Wahlabend war den Äußerungen Sigmar
Gabriels zu entnehmen, dass Thüringen nun Chefsache ist und dass er das
rot-rot-grüne Wagnis mit nur einer Stimme Vorsprung nicht einzugehen
gedenkt. Ohne den Probelauf in Thüringen sinken jedoch die Chancen für
Rot-Rot-Grün im Bund fast auf null – jedenfalls für 2017.
Zweite Konsequenz: Die AfD eliminiert die FDP. Ein dauerhaftes Ersetzen der
Liberalen durch die AfD – und alles spricht gegenwärtig dafür – würde
jedoch die gesamte koalitionäre Tektonik dieser Republik verändern. Denn
die FDP ist klassischerweise in der Mitte des Parteienspektrums
angesiedelt. Damit ist sie koalitionsfähig nach rechts und links – und
somit potenzielle Regierungsalternative für Union und SPD. Die AfD sitzt
dagegen parlamentarisch eindeutig rechts der Union und ist damit allein
deren potenzieller Koalitionspartner.
## Problem für die SPD
Käme die FDP auch 2017 nicht in den Bundestag, schiede die von SPD-Chef
Gabriel präferierte Ampel endgültig aus. Zöge die AfD ein, stünde das 2013
noch verschenkte radikal-„bürgerliche“ Potenzial (damals fast 10 Prozent
für AfD und FDP) allein der Union zur Verfügung. Der Erfolg der AfD –
zulasten der FDP – ist also keine existenzielle Frage für die Union,
sondern für die SPD. Bei starker AfD bliebe der SPD wieder nur die Rolle
des Juniorpartners in einer Großen Koalition. Nach 2009 (Steinmeier) und
2013 (Steinbrück) gäbe es auch 2017 keine Chance auf die Kanzlerschaft für
die SPD.
Stattdessen aber eine weitere Koalitionsoption für die Union: Bereits heute
kann die CDU in Sachsen rein rechnerisch zwischen Schwarz-Blau (für
CDU-AfD) und Schwarz-Rot wählen. Weil AfD und SPD in Sachsen und Thüringen
auf Augenhöhe konkurrieren, kann hier von „Großen Koalitionen“ ohnehin
keine Rede sein. Noch hat die Bundes-CDU einer Koalition mit der besonders
reaktionären Sachsen-AfD eine Absage erteilt. Aber schon 2017, bei der
Bundestagswahl, könnte sich die Lage anders darstellen, wenn nämlich der
„Igitt-Faktor“ der AfD bis dahin abgeklungen und sich die EU erholt hat,
womit die heute noch radikal trennende Euro-Frage kein Thema mehr wäre.
Noch vor den jüngsten Europa-Wahlen tönte CDU-Generalsekretär Tauber: „Die
AfD ist keine normale bürgerliche Kraft, sondern fischt am rechtsextremen
Rand. Wer mit der AfD zusammenarbeiten will, tritt somit das politische
Erbe Konrad Adenauers und Helmut Kohls mit den Füßen.“ Mal sehen, wie die
Lage 2017 ausschaut. Dass konservative Parteien notfalls auch mit
Rechtspopulisten koalieren, haben andere Länder längst vorgemacht, man
denke nur an Österreich, Holland oder Norwegen. Und dass auch die Union
nicht zimperlich ist, hat sie bereits im Fall der Schill-Partei 2001 in
Hamburg bewiesen.
## Ein neuer Hort des national-chauvinistischen Ressentiments
Doch anders als die Schill-Partei ist die AfD schon heute keine
Eintagsfliege mehr. Und hier liegt die eigentliche Bedeutung der vier
Wahlerfolge der AfD: Sie bedeuten einen enormen Reputationsgewinn. Mit der
AfD bekommt nun all das eine Stimme, was in der liberalen Merkel-Union kein
Gehör mehr fand – von der autoritären Dregger-Kanter-Koch-Tradition bis zum
„Mia san mia“-Nationalismus und Besitzstandschauvinismus eines Franz Josef
Strauß. Damit aber sind – weit über die Union hinaus – all jene
angesprochen, die in Zeiten neuer globaler Unübersichtlichkeit, von der
Ukraine bis zum Irak, nach einfachen Lösungen suchen.
Unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten mag die parlamentarische
Abbildung dieses reaktionären Potenzials durchaus positiv sein. Praktisch
aber bedeutet der Erfolg der AfD eine böse Entwicklung: Er verschiebt das
gesamte politische Spektrum nach rechts. Mit der AfD entsteht in diesem
Land ein neuer Hort des national-chauvinistischen Ressentiments. Abzuwarten
bleibt, wie die etablierten Parteien darauf reagieren. Im schlimmsten Fall
versuchen sie (ganz im Geiste von Strauß), die Wähler zurückzugewinnen, und
treten in einen Überbietungswettbewerb ein. Wohin das führt, haben die
Europa-Wahlen gezeigt: Bei einer Politik mit AfD-Themen (Gegen die
Armutsmigration, CSU) wählt der Wähler nicht die alten, sondern die neuen
Populisten.
Insofern kann man sogar hoffen, dass die Merkel-Union „nur“ die Devise
Arbeitsteilung praktiziert: ich für die liberale Mitte, die AfD für das
Ressentiment. Ansonsten würde die AfD das Land nicht nur koalitionär
radikal verrücken, sondern auch inhaltlich. Und das ist die eigentliche
Gefahr.
16 Sep 2014
## AUTOREN
Albrecht von Lucke
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