# taz.de -- Ex-Niedersachsenchefin über AfD: Rechtsruck ist ein Selbstläufer | |
> Wegen des Rechtsrucks und des Rassismus ihrer Partei ist Niedersachsens | |
> ehemalige AfD-Vorsitzende, Martina Tigges-Friedrichs, ausgetreten. | |
Bild: Genug vom Deutschnationalismus und von rechten Stammtischparolen: Martina… | |
taz: Frau Tigges-Friedrichs, bereuen Sie angesichts der jüngsten | |
Wahlerfolge Ihren Austritt aus der Alternative für Deutschland (AfD)? | |
Martina Tigges-Friedrichs: Nein. Es ist auch nicht so, dass ich das gemacht | |
hätte, weil ich mir in der Partei keine Chancen ausgerechnet hätte. | |
Worum ging es dann? | |
Darum, dass ich nicht sehe, dass meine liberalen Inhalte in der Partei | |
umgesetzt werden. Ich habe immer gesagt: Ich bin eine Liberale in der AfD. | |
Bei den Wahlkampfparolen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg war vom | |
Liberalen nichts mehr übrig. Das waren doch alles Parolen, die sich | |
entweder auf ausländerfeindliche oder auf sehr konservative Themen | |
beziehen. Für mich war es der richtige Schritt, da die Reißleine zu ziehen. | |
Die Kritik, dass die AfD nach rechts offen ist, gab es ja von Anfang an. | |
Haben Sie das vor einem Jahr wirklich anders gesehen? | |
Das Bundestagsprogramm war für mich nicht rechts. In dem wurden bundesweit | |
einheitliche Bildungsstandards gefordert, eine Zuwanderung nach kanadischem | |
Modell, eine Steuerreform nach Kirchhoff’schen Konzept und dass die | |
Euro-Rettungspolitik so nicht weiter geführt werden soll. Das war für mich | |
alles richtig. Nach der Bundestagswahl habe ich aber bei Gesprächen von | |
Parteimitgliedern immer mehr gemerkt: Die wollen eigentlich was anderes. | |
Was denn? | |
Bei den Stammtischen vor Ort habe ich bemerkt, dass das Islam-Thema immer | |
mehr im Vordergrund stand. Manchmal wurde über nichts anderes mehr | |
gesprochen. Ich bin auch gegen falsche Toleranz gegenüber anderen | |
Bevölkerungsgruppen. Aber ich glaube, wenn wir die Mittel des Rechtsstaats | |
ausschöpfen würden, liefe schon alles in richtigen Bahnen. | |
Was soll das heißen? | |
Ich finde es auch nicht in Ordnung, wenn jemand ein milderes Urteil | |
bekommt, weil er die Scharia anführt und sagt: Meine Frau ist | |
fremdgegangen, aber in der Scharia steht, in diesem Fall darf ich sie | |
umbringen. Aber wir haben ein Rechtssystem mit klaren Strafmaßen für Mord. | |
Wenn bei diesen Stammtischen wirklich Menschen sitzen, die denken, dass | |
alle islamischen Menschen mit einem umgeschnallten Bombengürtel rumlaufen | |
und diesen Staat kaputt machen wollen, dann geht mir das einfach eine Spur | |
zu weit. | |
Ist Ihnen dieses Denken nur im Kreisverband in Hameln-Pyrmont begegnet? | |
Ich habe Ähnliches auch aus anderen Kreisverbänden gehört. Als ich dort | |
gesagt habe, das mich das prinzipiell stört, hat mir jemand gesagt: Bei uns | |
sagt der Zahnarzt ganz offen, dass er keine Ausländer behandelt – wenn | |
Patienten mit ausländischem Namen dort anrufen, kriegen die erst gar keine | |
Termine. | |
Und diese Art Rassismus kommt bei der AfD an? | |
Ja, die anderen fanden das gut. Es gibt viele, die sagen, dass die AfD | |
endlich mal die Wahrheit sagt. Das ist aber weder meine Sicht von | |
Rechtsstaatlichkeit noch von gelebter Integrationspolitik. Die | |
Integrationsprobleme, die es gibt, werden wir jedenfalls nicht mit Parolen | |
wie „Ausländer raus“ beheben. | |
Glauben Sie, dass die Partei als Türöffner zum gesellschaftlichen | |
Rechtsruck beiträgt? | |
Auf jeden Fall. Dieses Deutschnationale, dass zum Beispiel Frau Petri | |
fordert – wir sollen alle zum Geburtstag viel Glück wünschen und dass das | |
Happy Birthday verboten werden sollte – das spiegelt das ja wider. Ich habe | |
mal gesagt, wenn jemand von der Presse bei so einem Stammtisch dabei wäre, | |
bekäme er genau das Rechte und Deutschnationale zu hören, was immer über | |
uns vermittelt wurde. Daraufhin haben mich die anderen nur verwundert | |
angeguckt und gesagt: „Martina, was du immer hast.“ | |
Man hat Sie nicht ernst genommen. | |
Aber ich glaube schon, dass es genau so ist: Die AfD ist in vielen | |
Bereichen ein Öffner. | |
Mit den Wahlergebnissen sieht sich die Partei aber bestätigt, dass sie mit | |
ihrem Kurs alles richtig gemacht hat. | |
Das hat natürlich auch damit zu tun, dass sich die anderen Parteien nicht | |
mehr um die Sorgen der Bürger gekümmert haben. Sicher gibt es Ängste und | |
Befürchtungen. Aber es erschließt sich mir nicht, wie man mit einem | |
ausländerfeindlichen Wahlkampf in einem Bundesland wie Thüringen, das einen | |
Ausländeranteil von 1,8 Prozent hat, so viele Stimmen holen kann. | |
Wie reagierten die AfD-Mitglieder auf Ihren Austritt? | |
Es waren ein paar auf meiner Seite, die sagten: „Martina, du hast ja Recht | |
– der interne Umgang ist manchmal ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber | |
das ist eine neue Partei, das muss sich erst zurechtruckeln.“ | |
Wer gibt in der Partei die Marschroute vor? | |
Das kommt nicht von oben. Bernd Lucke ist da deutlich anders. Die | |
Entwicklung nach rechts ist ein Selbstläufer. Viele Mitglieder sind aus der | |
islamfeindlichen Partei Die Freiheit zur AfD gekommen. Daran sieht man | |
schon in welche Richtung das geht. | |
15 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
## TAGS | |
Schwerpunkt AfD | |
Rechtspopulismus | |
Parteiaustritt | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Junge Alternative (AfD) | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte Erfolg der AfD: Keine Koalitionen ohne die CDU | |
Für die CDU sind die neuen Rechtspopulisten der AfD kein Problem, sondern | |
ein Glücksfall. Wird die SPD jemals wieder mehr als Juniorpartner? | |
Kommentar AfD-Erfolg: Heimat für zornige weiße Männer | |
Nun hat auch Deutschland eine starke rechtspopulistische Partei. Der Erfolg | |
der „Alternative für Deutschland“ ist Ergebnis einer antipolitischen | |
Revolte. | |
Kolumne Besser: Das AfD-ABC | |
Von Brüssel zum Hans-Olaf, von der Jungen Alternative zu Russland – was Sie | |
über die Alternative für Deutschland wissen müssen. | |
AfD vor den nächsten Wahlen: Die linken Rechten | |
Nach ihren Wahlkämpfen strotzt die AfD vor Kraft – und träumt schon vom | |
nächsten Parlamentseinzug. Dabei wird immer unklarer, wofür die Partei | |
steht. | |
AfD bei den Landtagswahlen: CDU-Konservative fordern Kurswechsel | |
Nach den Erfolgen der AfD fordern konservative CDUler eine neue Strategie | |
gegen die Rechtspopulisten. Sie zu ignorieren, sei fehlgeschlagen. | |
Kommentar Wahlpersonal der AfD: Mehr als rechte Einzelfälle | |
Die AfD gibt sich als Partei aufrechter Konservativer. Das ist bloßer | |
Schein. Je genauer man hinschaut, desto unappetitlicher wird sie. | |
Die AfD arbeitet am Image: Derbe Töne | |
Die AfD bemüht sich um ein bürgerliches Image. Ihre Kandidaten für die | |
Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg trüben das Bild. |