# taz.de -- IS-Kämpfer aus Deutschland: Reisezweck Selbstmordattentat | |
> Die Terrormiliz IS mordet mit deutscher Unterstützung. Islamisten reisen | |
> ins Kriegsgebiet und sprengen sich dort in die Luft. | |
Bild: Faszination „Islamischer Staat“: Parade der Terrormiliz im irakischen… | |
BERLIN taz | Rashid B. trägt ein braunes Gewand, den Kopf mit einem | |
schwarz-weißen Tuch vermummt. Der 27-Jährige steht vor einem grünen | |
Militärwagen, sein Blick richtet sich direkt in die Kamera. Er habe einen | |
Traum gehabt, sagt Rashid B. Einen Traum, in dem er zum Märtyrer geworden | |
sei. | |
Aus dem Traum wurde Realität. Anfang August verbreitete die Terrorgruppe | |
„Islamischer Staat“ (IS) das Video mit Rashid B., der sich dort „Abu Ayyub | |
al-Maghribi“ nennt. Nach der Anfangssequenz zoomt die Kamera ins Innere des | |
Wagens, zeigt weiße Sprengstoffkanister. Dann sieht man, wie der Wagen in | |
ein Gebäude steuert, offenbar im irakischen Ramadi. Ein Feuerball steigt | |
auf. | |
Nicht lange zuvor war Rashid B. noch Student in Frankfurt am Main. 2013 | |
reiste er nach Syrien aus, wurde zum IS-Kämpfer – und zum | |
Selbstmordattentäter. Rashid B. ist kein Einzelfall mehr. Laut | |
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen gab es inzwischen fünf | |
deutsche Selbstmordattentäter in Syrien und dem Irak, weitere seien „nicht | |
auszuschließen“. Geprüft werden derzeit offenbar vier weitere Fälle. Mehr | |
als hundert Menschen sollen die Deutschen in den Tod gerissen haben. | |
In den deutschen Sicherheitsbehörden herrscht inzwischen große Unruhe. „Wir | |
wollen nicht, dass aus Deutschland der Tod in den Irak gebracht wird“, | |
sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Dass junge Menschen | |
sich so schnell radikalisieren und das Leben anderer und das eigene | |
wegwürfen, sei eine „unvorstellbare Aktion“. | |
## 26-jähriger Konvertit | |
Im Januar hatte sich der Solinger Robert B. in Syrien in die Luft gesprengt | |
– es war wohl der erste deutsche Selbstmordanschlag in dem Kriegsgebiet. | |
Laut seinen Kampfgefährten tötete der 26-jährige Konvertit 50 „Ungläubige… | |
Sicherheitsbehörden zweifeln an der Zahl. | |
Dennoch sind die Opfer der deutschen Attentäter beträchtlich. Besonders | |
viele Menschen tötete Ahmet C.: Mitte Juli soll er in einem Auto in Bagdad | |
54 Menschen in den Tod gesprengt haben. Der 21-Jährige lebte zuvor | |
unauffällig im kleinen Ennepetal in Nordrhein-Westfalen. | |
Das Bundesland ist Schwerpunkt der deutschen Attentäter: Allein vier | |
IS-Selbstmörder kommen laut dem dortigen Innenminister Ralf Jäger (SPD) aus | |
NRW. Er bestätigte am Mittwoch der taz, dass es einen weiteren Attentäter | |
gibt, den das Bundesamt für Verfassungsschutz bislang nicht aufgelistet | |
hat. | |
In NRW war der Dinslakener Philip B., ein früherer Pizzabote, der | |
Wortführer. In Videos warb er, ihm in den Dschihad zu folgen. Im August | |
soll auch er sich in einem Anschlag getötet haben. Laut Sicherheitskreisen | |
war er mit einem Lastwagen, beladen mit fünf Tonnen Sprengstoff, in einen | |
Peschmerga-Stützpunkt gefahren. Auch hier soll es mehr als zwanzig Tote | |
gegeben haben. | |
## „Almani“ – das Anhängsel für „den Deutschen“ | |
Der letzte Anschlag mit deutscher Beteiligung erfolgte erst Ende August: Im | |
irakischen Kirkuk sollen zwei Männer mit den Kampfnamen „Abu Jassir | |
al-Almani“ und „Abu Ibrahim al-Almani“ 23 Menschen in den Tod gerissen, 1… | |
verletzt haben. . | |
Laut Experten sind die Selbstmordattentäter fast immer Westler. Diese sind | |
meist radikalisierter und haben mit ihrer Ausreise oft den eigenen Tod | |
einkalkuliert. Zudem sind sie ungeschult im Umgang mit Waffen – und damit | |
in Kämpfen oft schlicht nicht zu gebrauchen. | |
„Kanonenfutter“ nennt NRW-Innenminister Jäger die Deutschen. „Vieles | |
spricht dafür, dass der IS auch Druck auf die westlichen Ausländer ausübt, | |
damit sie sich zu solchen Taten bereit erklären.“ Der Dinslakener Philip B. | |
soll sich schon kurz nach seiner Ankunft in Syrien verletzt haben. Für ein | |
Selbstmordattentat aber reichte es noch. Für die IS, so Jäger, hätten die | |
Anschläge enormen Wert: „Für die Propaganda sind die Attentäter aus | |
Deutschland wichtig, weil sie zeigen, dass sie aus der Mitte unserer | |
Gesellschaft kommen.“ | |
Fast alle der Selbstmörder haben sich innerhalb kürzester Zeit | |
radikalisiert. Zur Gewalt werden sich etwa von dem deutschen | |
IS-Propagandisten Dennis Cuspert, einst Rapper in Berlin, angeheizt. „Ich | |
zünd die Bombe inmitten der Menge“, singt dieser in einem Kampflied, das | |
große Verbreitung fand. „Mit einem Lächeln direkt zu meinem Schöpfer.“ | |
## Hilflose Sicherheitsbehörden | |
Verhindern lassen sich die Anschläge kaum. So war im Fall Rashid B. den | |
Sicherheitsbehörden zwar bekannt, dass der Frankfurter in salafistischen | |
Kreisen verkehrte – viel mehr aber auch nicht. Ohne konkrete Hinweise aber | |
stehen die Sicherheitsbehörden hilflos da. | |
Zudem steigt ihre Sorge, dass die inzwischen extreme Gewaltbereitschaft | |
zurück nach Deutschland schwappt. „Wir tun alles, was möglich ist, um einen | |
Anschlag zu verhindern, nutzen unsere operativen Möglichkeiten“, sagt | |
Verfassungsschutzchef Maaßen. Allein werde man das Problem aber nicht | |
lösen. Da sei „die gesamte Gesellschaft gefragt“. | |
Viele der 400 deutschen Islamisten, die bisher nach Syrien und den Irak | |
ausgereist sind, werden aber wohl nicht mehr zu erreichen sein. „Wir wollen | |
für Allah sterben“, schrieb der Dinslakener Philip B. vor seinem Tod auf | |
sein Facebookprofil. „Denn das Jenseits ist für die Gläubigen die wahre | |
Wohnstätte.“ | |
17 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
Konrad Litschko | |
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