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# taz.de -- Mutmaßlicher IS-Terrorist vor Gericht: „Du bist jung, dumm und n…
> Kreshnik B. wird der Prozess gemacht, weil er für den „IS“ gekämpft hab…
> soll. Wenn der Angeklagte kooperiert, könnte der Richter Milde walten
> lassen.
Bild: Der Angeklagte Kreshnik B. in Frankfurt
FRANKFURT taz | Kreshnik B., ein dicklicher, junger Mann mit Bart und
Kapuzenpulli, blickt nach unten, die Hände hält er vor seinen Mund. Er
lächelt, anscheinend peinlich berührt. Durch den Saal dringt die Stimme
seiner älteren Schwester: „Du bist jung, dumm und naiv“, schimpft sie. „…
bist jetzt 19, mit 25 wirst du das bereuen.“ Kreshnik B. möchte, dass sie
ihn gemeinsam mit den Eltern besucht. „Wenn ihr mich liebt, kommt ihr her.“
Das Telefonat hat die Polizei vor einem Jahr aufgezeichnet, nachdem die
Eltern die Beamten um Hilfe baten. Kreshnik B. war damals in Syrien. Jetzt
wird das Telefonat im Saal 165 C des Frankfurter Oberlandesgerichts
abgespielt. Hier steht der inzwischen 20-jährige Kreshnik B. seit Montag
vor Gericht. Er soll sich im vergangenen Jahr der Terrormiliz „Islamischer
Staat im Irak und Großsyrien“ (ISIS) angeschlossen haben, die sich jetzt
Islamischer Staat (IS) nennt, und in den Dschihad gezogen sein.
Die Anklage lautet auf Mitgliedschaft in einer ausländischen
terroristischen Vereinigung. Weil B. eine Waffenausbildung durchlaufen
haben soll und eine Schusswaffe besorgte, wirft Bundesanwalt Horst Salzmann
ihm auch vor, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu
haben. B. habe sich aus religiösen Gründen mit der Ideologie des IS
identifiziert. Er habe das syrische Regime stürzen und einen islamischen
Gottesstaat unter Geltung der Scharia schaffen wollen: „Er war bereit, für
diese Ziele zu sterben.“
Mitte Dezember 2013 wurde B. am Frankfurter Flughafen festgenommen, seitdem
sitzt er in Untersuchungshaft. Es ist der erste Prozess gegen ein
mutmaßliches deutsches IS-Mitglied. Kreshnik B. ist im hessischen Bad
Homburg geboren und deutscher Staatsbürger, seine Eltern stammen aus dem
Kosovo. Als Jugendlicher kickt er in der B-Jugend von Makkabi Frankfurt,
dem größten jüdischen Fußballverein bundesweit. Nach der mittleren Reife
wechselt er auf die Frankfurter Philipp-Holzmann-Schule, eine
Berufsfachschule für Bautechnik.
Seit 2011 habe er sich verstärkt dem Islam zugewandt, führt der
Bundesanwalt aus, seit 2012 habe er mit dem Gedanken gespielt, nach Syrien
zu reisen. Anfang Juli 2013, so die Anklage, setzt B. den Plan in die Tat
um: Er besteigt mit Gleichgesinnten einen Bus, der sie von Frankfurt nach
Istanbul bringt, von dort reist die Gruppe weiter nach Syrien. Dort, so
Salzmann, habe er schnell einen Schwur auf eine Einheit ausländischer
Kämpfer geleistet, im November dann auf die schwarze Fahne des IS.
## Enttäuscht oder motiviert?
B. absolviert eine Waffenausbildung, danach wird der Deutsche für Sanitäts-
und Wachdienste eingeteilt. Er nimmt aber auch mehrfach an Kampfhandlungen
teil, die mitunter mehrere Tage dauern. Während der Bundesanwalt die
Anklage verliest, schaut Kreshnik B. starr auf den Tisch, der vor ihm
steht.
Ein halbes Jahr lang bleibt B. in Syrien. Dann kommt er zurück nach
Deutschland. Warum, ist bislang nicht bekannt. „Es gibt keine hinreichenden
Anhaltspunkte, dass der Angeklagte mit dem Ziel zurückgekehrt ist,
Anschläge in Deutschland zu begehen“, sagt ein Gerichtssprecher am Rande
des Prozesses. „Er ist aus Syrien enttäuscht und traumatisiert
zurückgekommen“, sagt sein Verteidiger, der Bonner Rechtsanwalt Mutlu
Günal. „Er ist kein gefährlicher Mensch. Er hat dort viel schreckliches
Leid gesehen und erlebt.“ Auch Richter und Bundesanwälte scheinen Kreshnik.
B. eher für einen irregeleiteten jungen Mann als für einen überzeugten
Dschihadisten zu halten. Sie haben vor Beginn des Prozesses mit B.s
Verteidiger Gespräche geführt, um zu einem Deal zu kommen.
„Wir können Milde walten lassen, wenn sie mitarbeiten“, wendet sich der
Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel jetzt an B. „Wir wollen ihnen nicht mit
aller Gewalt die Zukunft verbauen.“ Es handele sich allerdings um einen
„erheblichen Tatvorwurf“. Kreshnik B. habe nun selbst die Chance, dass
strafmildernde Aspekte berücksichtigt werden könnten. Konkret schlagen die
Richter eine Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten bis zu vier
Jahren und drei Monaten vor, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden
kann. Die Anklage wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden
Gewalttat würde fallen gelassen, es bliebe die Mitgliedschaft in einer
ausländischen terroristischen Vereinigung. Im Gegenzug soll Kreshnik B. ein
Geständnis ablegen und sich den Fragen der Richter stellen.
Bislang hat B. nicht ausgesagt. Auch während des ersten Prozesstags
schweigt er. In den Vorgesprächen bot sein Verteidiger ein Geständnis an,
das Kreshnik B. jedoch nicht selbst vortragen will. Auch will er Fragen
über den IS und seine Mitkämpfer nicht beantworten.
## Nicht zurück nach Deutschland
Nachdem der Vorschlag des Gerichts im Raum steht, wollen Günal und sein
Mandant noch einmal beraten. „Wir werden das erörtern und uns dazu am
Freitag äußern“, sagt der Rechtsanwalt. Später, am Ende des ersten
Prozesstags, deutet er an, dass er an eine Einigung glaubt: „Das werden wir
schon passend machen.“
In den beiden zuvor im Gerichtssaal abgespielten Telefongesprächen Kreshnik
B.s aus Syrien nennt seine Schwester ihn „Nick“, manchmal auch „Nicki“ …
„Junge“. Sie schimpft mit ihm, beschwört ihn, bietet ihm Hilfe an: Er soll
zurückkommen aus dem heiligen Krieg. Kreshnik B. stammelt, windet sich,
nuschelt, ist auf den Aufzeichnungen schwer zu verstehen. Aber er bleibt
dabei: „Ich will nicht zurück nach Deutschland.“ Drei Monate später
entscheidet er sich anders.
Der Prozess wird am 19. September fortgesetzt, bislang sind insgesamt
sieben Termine bis Mitte November vorgesehen.
15 Sep 2014
## AUTOREN
Sabine am Orde
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Salafisten
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