| # taz.de -- „Deso – Der Rapper, der zum IS ging“: Wenn Grautöne zugelass… | |
| > Der funk-Podcast will herausfinden, wie Denis Cuspert sich in aller | |
| > Öffentlichkeit radikalisieren konnte. Er setzt auf Transparenz und | |
| > Zwischentöne. | |
| Bild: Ex-Gangsta-Rapper Denis Cuspert, hier 2012 bei Ausschreitungen militanter… | |
| Denis Cuspert, Deso Dogg, Abu Maleeq und Abu Talha al-Almani: Hinter allen | |
| vier Namen verbirgt sich der gleiche Mann. In den 70ern in Berlin-Kreuzberg | |
| geboren, versucht Denis Cuspert als „Deso Dogg“ in den Nullerjahren | |
| Karriere zu machen. Er gilt als einer der ersten Gangster-Rapper | |
| Deutschlands. Obwohl er in der Szene einen Namen hat, kommt es nie zum | |
| großen Durchbruch. Etwas verändert sich [1][in Cusperts Leben und ab 2010 | |
| tritt er als „Abu Maleeq“] als radikaler Prediger in Berlin auf. Nur drei | |
| Jahre später heißt er erneut anders: Abu Talha al-Almani ist sein | |
| Kampfname. Und mit Kampf ist Dschihad gemeint. | |
| Cuspert ist weder der erste noch der einzige Mann aus Deutschland, der sich | |
| dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen hat. Doch das Besondere an | |
| seinem Fall ist, dass seine Radikalisierung in der Öffentlichkeit | |
| stattgefunden hat. Wie konnte es soweit kommen? Und wieso konnte ihn | |
| niemand aufhalten? Das sind Fragen, die sich die Journalist*in Azadê | |
| Peşmen, ebenfalls gebürtige Berliner*in, im sechsteiligen Podcast „Deso – | |
| Der Rapper, der zum IS ging“ stellt. | |
| Anhand alter Interviewschnipsel von Cuspert selbst, durch Gespräche mit | |
| Journalist*innen, Wegbegleiter*innnen und Expert*innen wird in den | |
| ersten Episoden Cusperts Leben relativ chronologisch nacherzählt: Von | |
| seinem Aufwachsen in SO36 und [2][seinem ausbleibendem Erfolg als Rapper,] | |
| von seinen Gefängnisaufenthalten und seinem „Weg in den Islam“. Wie er | |
| erste Kontakte in die islamistische Szene knüpft und bald darauf als | |
| Hassprediger am Kottbusser Tor auftritt. | |
| Bei der Rekonstruktion seines Lebenswegs schwingt immer die Frage mit: | |
| Welche Ereignisse haben dazu geführt, dass [3][aus Deso Dogg, dem Rapper, | |
| ein international gesuchter Terrorist wird]? Schnell wird klar – und das | |
| ist eine Stärke des Podcasts – es kann keine einfache Antwort auf diese | |
| Frage geben. Mit wissenschaftlichen Stimmen untermauert betont Peşmen, dass | |
| es nur selten dieses eine Erlebnis gibt, das zur Radikalisierung führt. | |
| Selbst dann, wenn Cuspert einen Unfall als Plan Gottes umdeutet. | |
| Stattdessen werden unterschiedliche Aspekte seines Lebens näher beleuchtet | |
| und dabei versucht, Erklärungsansätze zu suchen. | |
| ## Viel mehr als „True Crime“ | |
| Eine weitere Stärke des Podcasts ist der transparente Umgang mit Quellen | |
| und Expert*innen. Denn die Ausgangslage ist schwierig: Viel Material stammt | |
| aus Propagandavideos, viele Wegbegleiter*innen wollte nicht mit Peşmen | |
| sprechen. Und die Expert*innen, mit denen die Journalist*in gesprochen | |
| hat, sind nicht immer unproblematisch. | |
| Einer von ihnen ist Abdul Adhim, ein salafistischer Prediger, mit dem | |
| Cuspert Ende der Nullerjahre in der Al-Nur-Moschee verkehrte und der damals | |
| vom Berliner Verfassungsschutz als Radikalisierer eingestuft wird. Laut | |
| Expert*innen hat sich Abdul Adhim mittlerweile vom Salafismus abgewandt, | |
| doch auch heute noch wird er von Wissenschaftler*innen kritisch | |
| gesehen. Peşmen lässt Abdul Adhim im O-Ton zu Wort kommen, aber nicht ohne | |
| kritische Einordnung durch eine Islam-Wissenschaftlerin und Konfrontation | |
| mit einem Facebook-Post, in dem er kürzlich die Taliban verharmlost hatte. | |
| Die Gespräche mit Jermaine, dem Bruder [4][von Denis Cuspert], verleihen | |
| dem Podcast auch einen persönlichen Zugang. Sie sind es, die Grautöne in | |
| Cusperts Geschichte zulassen – und zwar ohne die krassen | |
| Menschenrechtsverletzungen, an denen Cuspert beteiligt war, in irgendeiner | |
| Form zu verharmlosen. | |
| Funk, die den Podcast produziert hat, bewirbt den Sechsteiler als „True | |
| Crime“. Und obwohl die Mittel der Spannungserzeugung und das Storytelling | |
| teilweise an das Genre erinnern, verkauft der Sender damit sein eigenes | |
| Produkt unter Wert. Denn dem Podcast geht es nicht nur darum, einen | |
| Kriminalfall oder eine persönliche tragische Geschichte zu erzählen. | |
| Vielmehr ist es eine Analyse davon, wie Radikalisierungen in diesem Land | |
| stattfinden können und welche Rolle dabei Ausgrenzungserfahrungen, Medien, | |
| Rassismus und überforderte Behörden spielen. | |
| 11 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Carolina Schwarz | |
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