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# taz.de -- Bundesverwaltungsgerichts-Beschluss: Elbvertiefung muss warten
> Vor einem Urteil soll erst der Europäische Gerichtshof die Maßstäbe
> klären. Die Richter sehen Mängel beim Naturschutz, die aber „heilbar“
> sind.
Bild: How low can you go? Die Elbe im Alten Land.
LEIPZIG taz | Die gerichtliche Entscheidung über die Elbvertiefung wird
wohl erst im Sommer 2015 fallen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtete
an diesem Donnerstag auf das mit Spannung erwartete Urteil. Es setzte
vielmehr das Verfahren aus, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) Fragen
zum wasserrechtlichen Prüfungsmaßstab geklärt hat. Schon jetzt machten die
Leipziger Richter aber klar, dass beim Naturschutz an der Elbe
nachgebessert werden muss.
Konkret geht es um eine Vertiefung der Unterelbe zwischen dem Hamburger
Hafen und der Nordsee, einer Strecke von über hundert Kilometern. Mit der
Vertiefung der Fahrrinne wollen Hamburg und der Bund erreichen, dass auch
neue Mega-Containerschiffe mit 14,5 Meter Tiefgang den Hafen anlaufen
können.
Hamburg betont, dass vom Hafen rund 150.000 Arbeitsplätze in der Stadt
abhängen. Ohne Elbvertiefung drohe Verkehr nach Rotterdam abzuwandern. Die
Umweltverbände befürchten hingegen, dass der massive Eingriff das Ökosystem
Unterelbe zum Kippen bringt und seltene Arten gefährdet. Als Alternative
schlagen sie eine Kooperation mit dem schlecht ausgelasteten neuen
Tiefseehafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven vor.
Die Planung zur Elbvertiefung hat bereits 2002 begonnen, die
Planfeststellung dauerte von 2006 bis 2012. Gegen das Projekt klagten vor
allem die Umweltverbände BUND und Nabu. Einen ersten Erfolg erreichten sie
im Oktober 2012, als das Bundesverwaltungsgericht einen Baustopp verhängte.
Die schwierigen wasser- und naturschutzrechtlichen Fragen sollten gründlich
geprüft werden, ohne dass bereits vollendete Tatsachen geschaffen werden.
## Ein unkonkretes Verbot
In der Planfeststellung hatten die Elbeplaner behauptet, die Vertiefung der
Fahrrinne bringe keine relevante Verschlechterung der Flussqualität mit
sich. Die Kläger bestreiten dies. Sie berufen sich auf die
EU-Wasserrahmenrichtlinie von 2000, die Verschlechterungen grundsätzlich
verbietet. Was diese Verbot konkret bedeutet, ist aber noch unklar.
Deshalb hat das Bundesverwaltungsgericht im Sommer 2013 in einem anderen
Verfahren – dort geht es um die Vertiefung der Weser – den EuGH um Klärung
gebeten. Die EU-Richter sollen entscheiden, was unter einer
Verschlechterung der Gewässerqualität zu verstehen ist, wie verbindlich das
Verschlechterungsverbot ist und ob es daneben noch eine Pflicht zur
Verbesserung der Gewässerqualität gibt. Der EuGH hat über diese Fragen im
Juli 2014 bereits verhandelt. Am 23. Oktober wird der unabhängige
EuGH-Generalanwalt sein Plädoyer halten, Anfang 2015 dürfte der EuGH sein
Urteil verkünden. Bis dahin ist das Verfahren um die Elbvertiefung
ausgesetzt.
Eigentlich wollte das Bundesverwaltungsgericht dieses „Warten auf
Luxemburg“ vermeiden. Die Richter hatten deshalb den Elbeplanern
vorgeschlagen, sicherheitshalber eine Verschlechterung der Gewässerqualität
anzunehmen. Diesem Rat folgte die Generaldirektion Wasserstraßen und
Schiffahrt auch im Oktober 2013 und ergänzte die Planfeststellung.
„Vorsorglich und hilfsweise“ wurde dabei eine „sehr geringe“ bis „mä…
Verschlechterung der Gewässerqualität unterstellt.
Die Fahrrinnenanpassung erhielt dann aber sofort – wegen des
„übergeordneten öffentlichen Interesses“ – eine Ausnahmegenehmigung. Di…
Kniff hat allerdings nicht funktioniert. Denn die Wasserdirektion habe kein
tragfähiges Modell präsentiert, wie eine Wasserverschlechterung
festgestellt und bewertet wird. Das aber wäre nach Auffassung der Richter
notwendig gewesen, um die Abwägung mit den öffentlichen Interessen
nachvollziehen zu können. Nun muss also doch auf den EuGH und dessen
Maßstäbe gewartet werden.
## Mangelhaft, aber nicht ungenügend
Als Ergebnis der fünftägigen mündlichen Verhandlung im Juli hielten die
Richter schon einmal das vorläufige Ergebnis der naturschutzrechtlichen
Prüfung fest. Danach ist die Planfeststellung zwar mangelhaft, doch die
Mängel sind im weiteren Verfahren „heilbar“. Die Fehler wiegen also nicht
so schwer, dass die Planfeststellung sofort aufzuheben war.
An der bisherigen Umweltverträglichkeits- und Habitatprüfung wurde vor
allem der nicht ausreichende Schutz des Schierlings-Wasserfenchels
bemängelt. Diese Planze, die nur im Brackwasser der Unterelbe wächst, müsse
nicht nur gegen das völlige Verschwinden geschützt werden, sondern auch
gegen eine Verschlechterung ihrer Bedingungen. Auch das Konzept der
angebotenen Alternativstandorte für den Wasserfenchel überzeugte die
Richter nicht.
Zuwenig sei außerdem geprüft worden, welche gefährdeten Pflanzen sonst an
der Unterelbe vorkommen. Zudem konnten die Richter nicht nachvollziehen,
dass die Finte, eine Fischart, nicht unter der Elbvertiefung leiden soll
und dass zusätzliche überflutungen keine Gefahr für die Brutstätten von
Vögeln darstellen sollen.
„Die Zahl der Beanstandungen mag zwar stattlich erscheinen“, erklärte zum
Schluss der Vorsitzende Richter Rüdiger Nolte. Die Zahl der
Kläger-Einwendungen, die die Richter nicht überzeugend fanden, sei jedoch
noch viel größer gewesen.
## Zeit bis zum Sommer
Wie geht es nun weiter? Vermutlich wird das Verfahren erst im Sommer 2015
fortgesetzt, wenn der EuGH die Maßstäbe des Wasserrechts geklärt hat. Bis
dahin können die Elbeplaner die naturschutzrechtliche Kritik der Richter
nacharbeiten, sonst hat die Klage der Verbände an diesem Punkt doch noch
Erfolg.
Dass die Elbvertiefung juristisch völlig scheitert, ist ziemlich
unwahrscheinlich. Dazu müsste zunächst der EuGH entscheiden, dass eine
Verschlechterung der Gewässerqualität in Einzelfällen dazu führen kann,
dass sie nicht ausgeglichen und auch nicht ausnahmsweise genehmigt werden
darf. Zweitens müsste das Bundesverwaltungsgericht feststellen, dass die
Elbvertiefung so ein drastischer Einzelfall ist. Zumindest letzteres liegt
nicht in der Luft.
Wenn die Leipziger Richter über die Klage der Umweltverbände endgültig
entschieden haben, kommen noch weitere Kläger zum Zug, deren Verfahren
bisher zurückgestellt sind. Da sind zum einen Obstbauern aus dem
niedersächsischen Alten Land, die eine zunehmende Versalzung des
Elbewassers befürchten. Zum anderen gibt es auch noch Klagen von Anliegern
zur Deichsicherheit. Aufschiebende Wirkung haben diese Klagen aber nur,
wenn das Bundesverwaltungsgericht erneut per einstweiliger Anordnung einen
Baustopp verhängt.
Die Kläger begrüßten den aktuellen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
und sprachen von einem „Zwischenerfolg für die Elbe“. Manfred Braasch vom
BUND sagte: „Das Gericht hat viele unserer Kritikpunkte bestätigt.“
Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) zeigte sich allerdings
zuversichtlich, dass die Gerichte letztlich im Sinne des Senats entscheiden
werden.
(Az: 7 A 14.12)
2 Oct 2014
## AUTOREN
Christian Rath
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