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# taz.de -- Polizeiaktion gegen Flüchtlinge: „Männer mit schwarzen Haaren“
> Bei der EU-weiten Polizeiaktion „Mos Maorium“ sollen Migranten ohne
> Papiere aufgespürt werden. Die Daten werden an Italien übermitttelt.
Bild: Halten Ausschau nach „migrantisch aussehenden Personen“: Bundespolizi…
BERLIN taz | Zum Beispiel am Dienstag, 14.20 Uhr, Hauptbahnhof München,
Gleis 13. Zehn Polizisten kontrollieren „Männer mit schwarzen Haaren“, die
dem Eurocity aus Verona entsteigen.
Oder zwei Stunden zuvor, im französischen Grenoble. Beamte der
Polizeieinheit CRS greifen 20 migrantisch aussehende Personen auf und
bringen sie in Handschellen zur Überprüfung aufs Revier. Ähnlich am auch
Mittwochabend: Bundespolizisten patrouillieren im Bahnhof Hamburg-Harburg
in S-Bahnen und in Intercities Richtung Ruhrgebiet.
161 solcher Beobachtungen aus der ganzen EU haben Aktivisten bis
Freitagmittag auf einer [1][interaktiven Online-Karte] zusammengetragen.
Was dort zu lesen ist, ist Alltag in Europa. Doch in diesen Tagen sorgen
diese Berichte bei Antirassismusaktivisten und in den Medien für Aufregung,
denn die Polizeiaktionen gelten als Teil der Operation „Mos Maoirum“. Der
seltsame Name bedeutet übersetzt soviel wie „Die Sitten der Vorfahre“.
Gemeint sind Ordnungsvorschriften aus dem römischen Reich, das sich
offenbar nach Auffassung der italienischen Regierung wohltuend vom
deregulierten Freizügigkeits-Chaos der Schengen-Ära unterschied.
Im Juli, kurz nach Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft, regte die
italienische Regierung das Projekt an. Ihr Ziel: Die „Schwächung
organisierter Schlepperbanden“, und das Sammeln von Informationen über
Migrationsbewegungen. Ähnliche Operationen hatte es in der Vergangenheit
mehrfach gegeben. Die letzte namens „Archimedes“ liegt erst wenige Monate
zurück.
## Freizügigkeit als „Makulatur“
Jedes Land, das jeweils für sechs Monate den Vorsitz der EU-Staaten führt,
organisiert Vergleichbares wie derzeit Italien. Nie jedoch löste eine der
Aktionen vergleichbare Erregung aus. Medien berichten nun von „Jagd auf
Sans Papier“, das Magazin empörte sich, die Freizügigkeit werde „zur
Makulatur". Es kursiert eine Zahl von 18.000 Beamten, die an Mos Maiorum
beteiligt sein sollen. Viel wäre das nicht: Die Bundespolizei allein hat
40.000 Beamte, die italienische Guardia di Finanza 61.000. Frontex-Chef
Ilka Laitiinen hat die Zahl der europäischen Grenzschützer insgesamt einmal
mit 400.000 angegeben.
Und sie alle tun rund ums Jahr nichts anderes, als während Mos Maiorum: Sie
versuchen irreguläre Migranten aufzuspüren, festzunehmen, zurückzuschieben
und ihre Bewegungen nachzuvollziehen. Der einzige Unterschied: Die
italienische Regierung hat die beteiligten Polizeieinheiten gebeten, ihre
gesammelten Daten in rote (Außengrenzen) und blaue (Binnenland)
Excel-Tabellen einzutragen und jeden Tag um 11 Uhr an eine bestimmte
Dienststelle des italienischen Innenministeriums zu mailen.
Das will dem „Strategischen Ausschuss für Einwanderungs-, Grenz- und
Asylfragen“ der EU bei seiner nächsten Sitzung am 13. Dezember Bericht
erstatten. Die Bundespolizei erklärte, es würden im Zusammenhang mit der
Operation „keine personenbezogenen Daten“ nach Italien gelangen.
Weitergegeben würden anonymisierte Daten zu Staatsangehörigkeit,
Reiseroute, Alter, Geschlecht oder ein möglicher Zusammenhang zu einer
Schleuserorganisation.
## Ohne parlamentarische Kontrolle
Wer der Polizei ohne Aufenthaltserlaubnis ins Netz geht, wird nach der
Befragung freilich nicht einfach laufengelassen, sondern muss mit
Abschiebehaft rechnen. Karl Kopp von Pro Asyl sagt, die Maßnahme, „passe
ins Bild eines repressiven Europa. Die ausgelaugten und häufig
traumatisierten Menschen geraten auf ihrer Flucht dann auch noch in die
Fänge der Polizei.“
Die Details bekannt gemacht hatte die Organisation [2][Statewatch]. Dessen
Direktor Tony Bunyan kritisiert, dass Polizeiaktionen wie Mos Mairoum ohne
parlamentarische Kontrolle ablaufen. „Der Rat hat versucht, die
Öffentlichkeit aus der Sache rauszuhalten. Die Pläne wurden als hoch geheim
eingestuft.„ Italien müsse Auskunft darüber geben, wie viele Menschen wie
lange und wo festgehalten werden; wie viele nicht wieder freigelassen
werden und was mit ihnen passiert.
17 Oct 2014
## LINKS
[1] http://map.nadir.org/ushahidi/
[2] http://www.statewatch.org/news/newsfull.htm
## AUTOREN
Christian Jakob
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