Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Forschung über Kolonien: Germanistik aus Togo
> Ein Wissenschaftler aus Togo forscht im Staatsarchiv zur Geschichte der
> Kolonialzeit. Dort lagern Autobiographien von Schülern Norddeutscher
> Missionsschulen.
Bild: Ideologie und Bildung: Schüler einer Missionsschule in der damaligen Kol…
BREMEN taz | Im Bremer Staatsarchiv sucht ein Wissenschaftler aus Lomé in
Togo nach Spuren deutsch-afrikanischer Geschichte. Dort liegen
Autobiographien von Missionsschülern aus dem 19. Jahrhundert – und Kokou
Azamede gehört zu den wenigen, die sie auch tatsächlich lesen können. Denn
die handschriftlichen Dokumente sind in der Ewe-Sprache verfasst, die in
Teilen von Togo und Ghana gesprochen wird. Die Papiere liegen nicht
zufällig in Bremen.
Gesammelt wurden sie von der Norddeutschen Missionsgesellschaft, die in
Afrika einheimische Missionshelfer ausgebildet hat. Diese Schüler sollten
in ihren Texten Zeugnis ablegen vom Weg aus der „Finsternis ins Licht“,
sagt Azamede. Das sei die Ideologie der Missionare gewesen. Die Dokumente
sind damals direkt nach Bremen geschickt worden und hier archiviert worden.
Azamede hat in Lomé studiert – Germanistik. Ein Studiengang, den es in
vielen ehemaligen Kolonien gibt. Dort wird allerdings nicht nur Goethe
gelesen, sondern auch die deutschsprachigen Texte über Togo. Sie werden in
die Landessprache übersetzt und der Bevölkerung somit erst zugänglich
gemacht. Promoviert hat Azamede dann aber an der Uni Bremen. Ein
Vierteljahr wird er nun hier im Archiv verbringen. Anschließend geht es
zurück nach Togo. Die Forschungsergebnisse wird er dort im Seminar mit
StudentInnen diskutieren.
Die Missionsschüler, deren Biographien er im Archiv untersucht, waren
Bauern und Fischer. Größtenteils arme Leute. Die Missionsgesellschaft war
lutherianisch und wollte, dass in der Landessprache gepredigt wird, damit
die Bevölkerung sie auch versteht. Die heute gebräuchliche Schrift der
Ewe-Sprache wurde erst in den Missionsschulen entwickelt.
Damit haben die Europäer einerseits die Grundlage einer eigenen
afrikanischen Geschichtsschreibung geschaffen und gleichzeitig Dokumente
von dort in Europa lesbar gemacht. Solche positiven Aspekte der ersten
Missionsjahre sind bedeutend für Azamedes Forschung. Es ist ihm daher auch
wichtig, die Ideologie der Missionare von der wirtschaftlichen Ausbeutung
der Kolonialherrschaft zu unterscheiden. Damit ist das Projekt geradezu
mustergültig für die Forschungsrichtung der „entangled history“, der
verknoteten Geschichte. Gemeint ist damit, dass die Geschichte der
Kolonialisierung nicht nur in den Kolonien selbst, sondern auch hier in
Europa Spuren hinterlassen hat.
Wissenschaftler wie Azamade betonen diese Wechselwirkungen, um zu
verhindern, dass sich in der Forschung Sichtweisen der Kolonialzeit unter
anderen Vorzeichen wiederholen: Hier böse Kolonialherren, dort arme
Opfervölker. Anhand der Biographien lasse sich beispielsweise auch zeigen,
wo die Missionierten die Ideologie übernommen hätten. Oder aber, wo sie mit
zunehmender Bildung auch Widerständiges enthalten. Aufgeregt politisch
klingt er dabei nicht – eher wie ein Wissenschaftler, der seine Sache
besonders gründlich machen will.
An der Bremer Uni wird schon seit einigen Jahren in dieser Richtung
geforscht. Erste Ergebnisse waren auf Ausstellungen im Übersee-Museum oder
in der Bürgerschaft zu sehen. Auch Azamedes Dissertation ist so entstanden.
Er will diese neuen Materialien auch übersetzen, um sie der deutschen
Wissenschaft und Öffentlichkeit zugängig zu machen – ganz ähnlich wie die
Germanistik es in Togo macht. Den Grundstein dafür haben die Missionare
gelegt. „Die Missionierung war nichts Gutes“, sagt Azamede. Aber um solche
Urteile geht es ihm auch gar nicht. Er sieht die Dokumente als Möglichkeit,
die eigene Position zu reflektieren. Und die Parallelen zu verstehen, die
zwischen der Kolonialzeit und ihrer Erforschung bestehen.
30 Oct 2014
## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
## TAGS
Afrika
Bremen
Kolonialismus
Universität Bremen
Faure Gnassingbé
Auschwitz
Afrikanische Union
Kolonialismus
Kolonialismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rücktrittsforderungen in Togo: Proteste gegen die Dynastie
Die Opposition und die Zivilgesellschaft fordern das Ende der Amtszeit von
Präsident Gnassingbé. Doch der will bleiben. Vorerst?
Studie zur deutschen Kolonialgeschichte: An der fernsten Grenze
„Skandal in Togo“ lautet der Titel von Rebekka Habermas’ Untersuchung zur
deutschen Kolonialgeschichte. Eine Fallstudie.
Wahl in Togo: Die Familie bleibt an der Macht
Aus der Präsidentschaftswahl geht der Amtshinhaber erneut siegreich hervor.
Die Opposition spricht dagegen von Wahlfälschungen.
Bildungsforscher Seukwa über Paternalismus: „Die Sichtweise der Ewiggestrige…
Hamburg will seine Kolonialgeschichte aufarbeiten. Die Perspektive der
Leidtragenden werde aber ausgeblendet - beschämend, sagt Louis Henri
Seukwa.
Bremen und das koloniale Erbe: Ein Nazifant lernt um
Viel zivilgesellschaftliche Initiative, wenig aus der Politik: Das
koloniale Erbe Bremens gleicht dem in Hamburg, nicht aber sein Umgang
damit.
Buch über Baumwollkapitalismus: Weißes Gold, voller Blut
In „King Cotton“ erzählt der Historiker Sven Beckert, wie sich aus der
Geschichte der Baumwolle die gegenwärtige Weltgesellschaft entwickelte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.