# taz.de -- PC-Spiel „Civilization: Beyond Earth“: taz-Zivilisation im Jens… | |
> „Beyond Earth“ heißt die neueste Fortsetzung des PC-Spielklassikers | |
> „Civilization“. Wir haben mal versucht, als taz mitzuspielen. | |
Bild: Aliens und Truppen, wohin man auch schaut. Da nützt der beste Biobrunnen… | |
Nach 218 Runden ist Schluss. Aus dem Osten hat die Slawische Föderation | |
angegriffen und eine Stadt erobert. Unsere Hauptstadt Le Coeur wird indes | |
von Polystralia attackiert und bei nur geringer Gegenwehr eingenommen. Das | |
war's mit dem Siedlungsprojekt taz, das im PC-Spiel „Civilization: Beyond | |
Earth“ Franco-Iberia heißt (Umbenennungen sind nicht möglich). 218 von 500 | |
Runden unter widrigen Bedingungen überlebt – das ist nicht schlecht. Aber | |
tot ist tot. | |
Die taz in einem Computerspiel? Dazu sind wohl ein paar Worte nötig. Die | |
Idee war, das Redaktionsstatut der taz und, damit es nicht zu theoretisch | |
wird, auch einige Kernthemen aus dem Redaktionsalltag in der Ende Oktober | |
erschienenen neuesten Version der Spieleserie „Civilization“ zur Grundlage | |
zu machen. Darauf sollte dann eine eigene Zivilisation aufbauen. Diese | |
wiederum hat sich auf einem neuen Planeten der Konfrontation mit | |
unbekannten Lebensformen und der Konkurrenz mit anderen Zivilisationen um | |
knappe Ressourcen zu stellen. | |
Eins zu eins ist das taz-Redaktionsstatut auf Civilization nicht zu | |
übertragen. Was online nur [1][einen Link darstellt], umfasst ausgedruckt | |
viereinhalb Seiten. Zusammenfassen lässt es sich als ein ausgeklügeltes | |
System basisdemokratischer Mitbestimmung, das Hierarchien zulässt, ihnen | |
aber Kontrollinstanzen zur Seite stellt, die wiederum von vielen | |
beeinflusst werden können. | |
Zum Selbstverständnis gehören positiv gesetzte Begriffe wie „kritisch“, | |
„Menschenrechte“, „Freiheit“, „demokratisch“, „diskutieren“ und | |
„interkulturell“. Abgegrenzt werden sie von negativ konnotierten Begriffen | |
wie „Mächtige“, „Diskriminierung“, „Stereotype“, „Konformismus�… | |
„Einflussnahme“. Hinzu kommen Eigenschaften, die im Statut nicht explizit | |
erwähnt werden, aber seit Jahren ihren Platz auf Redaktionskonferenzen | |
finden und von dort in Print wie Online ausstrahlen: Ökologie, | |
Minderheitenschutz, sexuelle Selbstbestimmung, ein freier Umgang mit Drogen | |
etc. Aus beiden Bereichen haben wir uns bedient, um die Zivilsation | |
Franco-Iberia in „Beyond Earth“ so taz-ähnlich wie möglich zu gestalten. | |
Wer kein Spiel aus der Civilization-Reihe kennt, dem sei gesagt: Es handelt | |
sich um ein rundenbasiertes Strategiespiel, das überwiegend am PC gespielt | |
wird, in abgespeckten Varianten aber auch für Konsole, Tablet und | |
Smartphone zur Verfügung steht. Ziel des Spieles ist es, die Vorherrschaft | |
auf der Erde (Civilization I bis V) oder auf anderen Planeten (Alpha | |
Centauri, Beyond Earth) zu erringen. Dabei können unterschiedliche Wege | |
beschritten werden: ökonomische, kulturelle, technologische, militärische. | |
Da auch die Gegner und Welten variieren, verfügt Civilization über eine | |
große Vielfalt an Entwicklungsmöglichkeiten. | |
## Die Gründung der taz-Zivilisation | |
„Civilization: Beyond Earth“ beginnt so, als sei die Berichterstattung der | |
taz-Ressorts Ausland und Ökologie&Wirtschaft im großen Stil zur | |
Wirklichkeit geworden: Kriege, ökologische Katastrophen und | |
Ressourcenraubbau haben aus der Erde einen Planeten gemacht, der kurz vor | |
dem Kollaps steht. Die Überlebenden suchen sich Sponsoren und rüsten fünf | |
Raumschiffe aus, die anderswo von vorne anfangen sollen. Ein Planet wird | |
gefunden und dort landet das taz-Raumschiff vor allen anderen – wie | |
unrealistisch. | |
Die Anforderungen sind von Beginn an hoch: Eine Spielstufe muss gewählt, | |
eine Stadt will gegründet und ausgebaut werden, weitere Städte sollen | |
folgen. Es gibt Einheimische, von denen man so gut wie nichts weiß. Da sind | |
Stoffe in der Umwelt („Miasma“), die unsere Erkundungs-, Bau- und | |
Militärtrupps schwächen. Es muss entschieden werden, welcher „Affinität“ | |
der eigene Entwicklungsweg folgen soll. „Affinitäten“ sind Leitmotive, zur | |
Auswahl stehen „Reinheit“, „Vorherrschaft“ und „Harmonie“. | |
„Reinheit“, das klingt nach nationalsozialistischer Rassenkunde und | |
verstößt gegen so gut wie alle Paragrafen des taz-Statuts, insbesondere | |
§2,3, §2,4, §2,5, §2,6, §2,7, §2,8 sowie §3,2 und §3,3. Auch bei | |
„Vorherrschaft“ entdecken wir eklatante Verletzungen des Redaktionsstatuts: | |
Mit §2,5, §2,8, §3,3, §4,3, §6,1, §6,4, §7,7 und §8,4 ist diese Affinit… | |
nicht vereinbar. Wir wählen die „Harmonie“. | |
Auch in der Anfangsübersicht zu erforschender Technologien disqualifizieren | |
sich einige Forschungsgebiete von selbst: Genetisches Design und Chemie | |
verstoßen zwar nicht gegen das Statut, kommen aber taz-Kernthemen in die | |
Quere. Wir wählen zuerst Habitat, dann Ökologie, später auch Alien-Ökologie | |
und vertikale Landwirtschaft. | |
## Aliens, Handel und die Konkurrenz | |
Ziel der taz-Strategie soll eine Welt sein, in der so demokratisch wie | |
möglich regiert, so ökologisch und nachhaltig wie möglich produziert und so | |
friedlich und diplomatisch wie möglich mit anderen interagiert wird. Ein | |
Bautrupp wird entwickelt und losgeschickt, ebenso ein Erkunder und auch die | |
erste Handelsverbindung entsteht rasch (gemäß §3,5; seltsam bleibt die | |
Vorstellung, warum jemand [2][mit dem taz-Rad] durch miasmaverseuchte | |
Gebiete fahren sollte oder warum Kleinkolonien [3][den taz-Türstopper | |
Sweety] brauchen). | |
Da Bellizisten zur taz gehören (§2,5, §3,2, §3,3) wie lange Ladezeiten zu | |
„Beyond Earth“, lassen wir auch eine Militäreinheit ausbilden. Es dauert | |
nicht lange, bis alle Soldaten, Erkunder und Bautrupps tot und die | |
Handelswege unterbrochen sind. Aliens, unter ihnen fiese Käfer und mächtige | |
Würmer, scheinen unsere Gesten der demokratisch-ökologischen | |
Interspeziesverständigung nicht zu verstehen. Neue Soldaten, Erkunder und | |
Bautrupps müssen erzeugt werden. Das kostet viel Energie, die im Spiel als | |
Geldersatz dient. Für Erkundungen und Stadtausbauarbeiten, die neue Energie | |
einbringen könnten, stehen die neuen Figuren nicht zur Verfügung. Denn sie | |
sind Redaktionsräte und werden, wie es das Redaktionsstatut vorsieht, | |
erstmal von ihrer Arbeit abgezogen, um an den weiteren Plänen mitzuwirken | |
(§7,8). | |
Die Diskussionen sind zäh und dauern lange, bis klar wird: weiter wie | |
bisher, nur marginale Änderungen. Wir sind uns keines Fehlers bewusst, wir | |
haben den Aliens unsere Ziele nur schlecht vermittelt. Neu ist: Die | |
Bellizisten setzen einen zusätzlichen Trupp Soldaten durch, die Pazifisten | |
einen weiteren Erkunder, für beide Stellen kommt die Chefredaktion auf | |
(§6,2), den Bau einer neuen Stadt übernimmt der Verlag unter Beachtung von | |
§1,1-3. Der Handel entfällt. Die wichtigste Frage, ob Orbitaleinheiten, die | |
in der Krise helfen könnten, aber wegen Fluglärm viel Protest (§2,2) | |
hervorrufen, nun endlich gestartet werden sollen, wird vertagt. | |
Dumm auch: In der Zwischenzeit sind die anderen vier Raumschiffe von der | |
Erde gelandet, sie haben Städte gegründet, die Umgebung erkundet, die | |
Aliens vertrieben, Technologien entwickelt, kulturelle Fortschritte gemacht | |
und siedeln nun in unserer Nähe. Da wir den Handel eingestellt haben, | |
kommen freundschaftliche Beziehungen mit ihnen kaum zustande. | |
Im Gegenteil: Ständig schicken sie Spione in unsere Städte, womit die | |
„Intrigestufe“, in der taz ohnehin traditionell hoch, weiter steigt. Unsere | |
Soldaten sind weit entfernt von den Städten in überflüssige Gefechte mit | |
Aliens verwickelt, die noch nicht mal ein Abo haben. Wieder müssen | |
Bautrupps und Erkunder zurückgerufen werden, um das weitere Vorgehen zu | |
beraten (§7,1, §7,3, §7,9). Dazu kommen sie aber nicht mehr, da die | |
Slawische Föderation und Polystralia die Gunst der Stunde nutzen und die | |
taz plattmachen. | |
Kurz noch kündet die Schönheit der vielen Biobrunnen vom vergänglichen | |
taz-Ökotop, das ein Weltreich werden wollte. Dann ist Schluss. | |
15 Nov 2014 | |
## LINKS | |
[1] /!114802 | |
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## AUTOREN | |
Maik Söhler | |
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