| # taz.de -- Weltklimakonferenz als Theaterstück: Mal eben die Welt retten | |
| > Das Künstlerkollektiv Rimini-Protokoll will das anstehende | |
| > Verhandlungsdrama in Peru am Hamburger Schauspielhaus in drei Stunden | |
| > zusammenfassen. | |
| Bild: Auch hier wirds warm: Beleuchtung der "Welt-Klimakonferenz" | |
| HAMBURG taz | Mal eben den Klimawandel stoppen und die Welt retten: Was | |
| dazu auf der großen weltpolitischen Bühne dargeboten wird, kann die | |
| dreiköpfige Regietruppe Rimini Protokoll auf der Theaterbühne schon lange. | |
| Im Vorfeld der 20. UN-Klimakonferenz in Peru vom 1. bis zum 12. Dezember, | |
| zu der 15.000 Teilnehmer in der Hauptstadt Lima erwartet werden, inszeniert | |
| das Trio im Hamburger Schauspielhaus drei Probeläufe mit je 800 | |
| Teilnehmern. Um bei der vierten Simulation – parallel zum Original – per | |
| Live-Schaltung die Ergebnisse vergleichen zu können. Denn am Ende der | |
| Veranstaltungen gibt es jeweils eine naturgemäß theatrale Handlung zu | |
| feiern: Ein Text wird gebaut, die Schlusserklärung. | |
| In Lima entsteht sie aufgrund des Verhandlungsgeschicks der | |
| Klimadiplomaten, in Hamburg auf der Grundlage der Auswertung von | |
| Zuschauer-Voten zu Reduktionszielen des CO2-Ausstoßes, Ausgleichszahlungen | |
| und Entschädigungen für Klimaschäden. Ob das Hamburger Protokoll | |
| klimaoffensiver helfen würde als das aus Kyoto? Wer bietet Lösungen, wer | |
| eher blumig verklausuliertes Scheitern an der Kompromisse-Front? Und wie | |
| geht überhaupt „Welt-Klimakonferenz“? | |
| ## Dokutheater-Helden | |
| Das alles wollen Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel vermitteln, | |
| die Autoren des Abends, die nicht schreiben – sondern Realitäten montieren, | |
| nachstellen und die Bruchstellen kunstvoll kaschieren. Helden des | |
| Dokumentartheaters sind sie, weil ihre Konstruktion von Wirklichkeit so | |
| angenehm beiläufig mit Weltnähe auratisiert ist. | |
| Zum Beispiel Nigeria. Über das dortige Leben erzählten sie 2012, indem | |
| Kleinstunternehmer aus der boomenden Hauptstadt Lagos gecastet wurden, die | |
| auf einer Messe-Performance den Zuschauern ihre Geschäftsideen und | |
| Lebensträume vorstellten. | |
| In einer lustig parasitären Aktion ging das Künstlertrio noch einen Schritt | |
| weiter – erklärte eine Daimler-Aktionärshauptversammlung zum Theaterstück, | |
| erwarb für jeden Zuschauer eine Aktie und damit das Zugangsrecht. Es gab | |
| ein Programmheft, Foyergeplauder, Regisseure, Inszenierung, Haupt- und | |
| Nebendarsteller, funktionierende und scheiternde Spannungsbögen, eine | |
| Dramatik von Gut gegen Böse. | |
| ## Lobbyistenquartette | |
| Genauso wie jetzt bei der „Welt-Klimakonferenz“. Nur dass nun die Besucher | |
| die Teilnehmer spielen. Spielen müssen – sonst funktioniert der | |
| dreistündige Abend nicht. Symbolisch für 195 UN-Mitglieder (plus die EU) | |
| werden je vier Zuschauer ins Schauspielhaus eingelassen und den Ländern | |
| zugeordnet. | |
| Auch die größten CO2-Freisetzer – das im Kohlekraftwerkbau-Rausch | |
| befindliche China und die Energieverpulverungskapitale USA – bekommen nur | |
| ein Lobbyistenquartett. Alle aber ein extra für „ihr“ Land | |
| zusammengestelltes Programmheft, das zusammen mit Experten des Politik- und | |
| Wissenschaftsalltags über die jeweiligen klimatischen, energiepolitischen | |
| Bedingungen, Bedrohungspotenziale und Perspektiven des Emissionshandels | |
| informieren wird. | |
| „Richtige Stars sind dabei“, sagt Helgard Haug. Zum Beispiel der Physiker | |
| Hartmut Graßl, der als Erster vor über 30 Jahren auf den Zusammenhang von | |
| Erderwärmung und Treibhausgasen hinwies, die Fabriken, Kraftwerke und Autos | |
| in immer größerem Umfang so malerisch in die Luft wolken lassen. | |
| Heute gibt’s die Forschungsergebnisse als gebetsmühlenartig wiederholte | |
| Prognosen: Nicht mehr als zwei Grad dürfe die Welt wärmer werden als sie es | |
| vor der industriellen Revolution war. Sonst wird’s ungemütlich: | |
| Schmelzendes Eis, steigende Meeresspiegel, tropische Wirbelstürme, | |
| katastrophale Sturzregen, tödliche Dürren. | |
| Auch den Bösewicht kennen wir: der Mensch. Und das tollkühn Theatrale wäre: | |
| Er kann sich wandeln zum Klimahelden, Weltenretter. „Ich habe Hochachtung | |
| vor der Komplexität des Themas“, betont Haug, „denn es geht um ein globales | |
| Umdenken, um einen diplomatischen Drahtseilakt und die Umgestaltung der | |
| Wirtschaft.“ | |
| ## Erkenntnistheater | |
| Um all das zu rekapitulieren, strategisches Vorgehen zu besprechen und | |
| Handlungsoptionen zu erarbeiten, ziehen sich die Zuschauer den | |
| überwiegenden Teil des Abends in Kleingruppen zurück in alle bekannten und | |
| nicht für möglich gehaltenen Räume des Theaters. | |
| „Aber das soll keine dröge Univeranstaltung sein, bei der man von Vortrag | |
| zu Vortrag zieht“, erklärt Haug. „Der Abend ist sehr sinnlich und | |
| humorvoll.“ Eintauchen sollen die Zuschauer in ein Spiel, mehr über ihre | |
| eigene Rolle erfahren und immer neue Perspektiven einnehmen. So soll im | |
| Brecht’schen Sinne aus dem Theater der Erfahrung, die die Zuschauer im | |
| Rollenspiel machen, eines der Erkenntnis werden. | |
| „Sich entwickelnden Ländern die eigenen Fehler verbieten, ist natürlich | |
| schwierig, wenn aller Reichtum und Wohlstand genau auf den | |
| klimaschädigenden Energiequellen beruht“, findet Haug. „Aber es gilt zu | |
| begreifen, dass da eine Uhr tickt und politische Entscheidungen zu treffen | |
| sind.“ | |
| ## ■ Uraufführung: Fr, 21. 11., 20 Uhr, Schauspielhaus; weitere Termine: | |
| 27. 11., 5. 12. und 12. 12. | |
| 15 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Fischer | |
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