# taz.de -- Putin im deutschen Fernsehen: Der Lieblingsbösewicht | |
> Putin hat die ARD zum Verlautbarungsmedium für seine Absichten gemacht. | |
> Jetzt steht die ARD wieder in der Kritik. Warum eigentlich? | |
Bild: Wladimir Putin beim Interview mit Hubert Seipel. | |
Auftritt Diktator. Diktator? Darf man das sagen, wenn von Wladimir Putin | |
die Rede ist? Schon lange sind keine Witze mehr in Umlauf, in der das | |
exkanzlersche Diktum vom „lupenreinen Demokraten“ die ewig gleiche Pointe | |
abgab. Die Lager und Knäste in Russland, in denen die Unangepassten | |
jahrelang eingesperrt werden, sind längst zum Symbol für das System Putin | |
geworden. | |
In Putins Gesellschaftsentwurf ist kein Platz für Schwule und Lesben. Und | |
seit der gerne als Kremlherrscher bezeichnete Präsident der Russischen | |
Föderation sein Staats- und Einflussgebiet vergrößert, indem er seine | |
grünen Männchen in die Nachbarländer schickt, ist er für den Westen | |
endgültig zum Feind geworden – vielleicht nicht zum Inbegriff des Bösen, | |
aber zumindest zum Bösewicht. Darf man mit so jemand reden? Und wie sollte | |
man mit ihm sprechen? | |
Die ARD hat es getan. [1][Hubert Seipel hat Wladimir Putin zum Interview | |
getroffen]. Weil er den Bösewicht erzählen hat lassen, ohne besonders | |
kritisch nachzufragen, steht er nun in der Kritik. Die journalistische | |
Arbeit des Reporters wird auch deshalb in Zweifel gezogen, weil er selbst | |
im anschließenden Talk bei Günter Jauch versichert hat, dass ihm der | |
russische Staatschef keine Vorgaben gemacht habe. Er hätte also durchaus | |
nachfragen können. Hat er aber nicht. | |
Und so blieb stehen, dass Russland die Krim vor einem Blutvergießen bewahrt | |
hat, indem es die Halbinsel annektiert hat, dass es das Vorrücken der | |
Faschisten in der Ukraine verhindert habe und so weiter. Hat Putin die ARD | |
zum Verlautbarungsmedium für seine Absichten gemacht? Bot die ARD dem | |
Bösewicht ein Forum für seine finsteren Ansichten? Darf das sein? | |
## Putin kann ohnehin nicht viel richtig machen | |
Man darf kritisieren, wenn Journalisten unkritisch mit ihren | |
Interviewpartnern umgehen. Aber wäre die Kritik an Seipel auch geäußert | |
worden, wenn er nicht unseren Lieblingsbösewicht interviewt hätte? | |
Der kann derzeit ohnehin nicht viel richtig machen. Da werden Bilder | |
gezeigt, auf denen zu sehen ist, wie Putin in Brisbane bei einem Dinner am | |
Rande des G-20-Gipfels allein am Tisch sitzt. Dazu wird der Satz geliefert, | |
dass er in Australien völlig isoliert gewesen sei. Dass Brasiliens | |
Präsidentin Dilma Rousseff, die mit ihm am Tisch saß, nicht zu sehen war, | |
weil sich ein Kellner zwischen sie und die Fotolinsen gestellt hatte, wen | |
interessiert’s? | |
Und warum schreibt niemand vom isolierten US-Präsidenten? Es gibt auch | |
Bilder, die ihn allein am Tisch sitzend zeigen. Er ist eben kein Bösewicht. | |
## Kritische Nachfragen nicht vorgesehen | |
Ein Skandal wurde auch daraus gemacht, dass Putin in Brisbane australische | |
Journalisten von einer Pressekonferenz ausgeschlossen hat und nur zu | |
ausgewählten Journalisten sprach. Aber warum stößt sich hierzulande niemand | |
daran, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrem vierstündigen | |
Gespräch mit Putin nur deutsche Medienvertreter zugelassen hat, als sie ihr | |
vierminütiges Statement dazu abgegeben hat? | |
Nur im Liveticker von welt.de aus Brisbane findet sich ein beinahe schon | |
versteckter Post, aus dem hervorgeht, dass das „ausländische Journalisten | |
verärgert“ hat. Kritische Nachfragen waren ohnehin nicht vorgesehen. Es war | |
ein Statement, das brav verlautbart wurde. Einen Skandal wird das wohl kaum | |
einer nennen. | |
Warum eigentlich nicht? Unvergessen sind die arschkriecherischen | |
Interviews, die der frühere Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks Wolf | |
Feller mit dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß | |
geführt hat: „Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, ist es nicht so, dass | |
…“ Antwort: „Ja, sicher.“ | |
Allzu oft dominiert der Stolz darauf, einen der Großen der Politik vor das | |
Mikrofon bekommen zu haben, den journalistischen Ehrgeiz, etwas wirklich | |
Substanzielles aus den Gesprächspartnern herauszukitzeln. Seit den | |
finsteren Zeiten des CSU-Staatsfunks hat sich da nicht viel geändert. Und | |
so passiert es, dass eines der meistdiskutierten Bilder von Merkel in | |
Brisbane ein Selfie ist, das die Kanzlerin mit dem Partyvolk in einem | |
Kneipenviertel zeigt. Das darf man getrost als unterirdisch bezeichnen, | |
auch wenn Merkel alles andere als eine Diktatorin ist. | |
17 Nov 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ardmediathek.de/tv/G%C3%BCnther-Jauch/Das-Putin-Interview-wohin-… | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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