| # taz.de -- Angela Merkel unterbricht Interview: Die Kanzlerin-Schwalbe | |
| > Bundeskanzlerin Merkel soll wegen „Unwohlsein“ ein Interview abgebrochen | |
| > haben. Das nimmt der deutschen „Iron Lady“ niemand ab. Alles nur Taktik? | |
| Bild: Leerer Bauch regiert nicht gern. | |
| Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Merkel nicht. Maggie Thatcher, | |
| die „Iron Lady“, war (wie nicht zuletzt ihr sang- und klangloses Abnippeln, | |
| ohne dem Teufel wenigstens noch eine blutige Schramme mitzugeben, beweist) | |
| im Vergleich bloß eine quengelnde Pussy. Das dachte man zumindest bis zu | |
| diesem Montagabend, an dem die Bundeskanzlerin in Köln auf einmal einen | |
| Schwächeanfall erlitt, „als die Fernsehsender ARD und ZDF sie befragten“, | |
| wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung zu berichten weiß. | |
| Wer das deutsche Fernsehen kennt, ahnt bereits, dass sie wohl kaum vor | |
| Aufregung über die Fragestellung in Ohnmacht gefallen sein dürfte, sondern | |
| eher vor Langeweile in einen halbkomatösen Schlafzustand geglitten sein | |
| muss. Andere Medien berichten auch von einem „Unwohlsein“. Wer genug | |
| Synonyme kennt, braucht keine Freunde. | |
| Wie wohl darf man sich das „Unwohlsein“ der deutschen Landesherrin | |
| vorstellen: Ist sie grün geworden, mit einem gestammelten „Tschull’gung, | |
| misso übel“ in den nahenden Waschraum geeilt – ein brüllendes Gegöbel | |
| eingefangen von den sensiblen Richtmikrofonen der Sender und anschließend | |
| gelöscht vom Staatsschutz? Doch nichts dergleichen ist überliefert. Trotz | |
| der direkten Medienpräsenz. | |
| Sollte sie den Schwächeanfall folglich nur vorgetäuscht haben? Man kennt | |
| das ja von Fußballspielern, die sich fallen lassen und auf dem Boden | |
| wälzen, um von eigenen Fouls abzulenken beziehungsweise Elfmeter, Zeit oder | |
| Strafen für den Gegenspieler herauszuschinden. Ein entsprechend | |
| theatralischer Sturz in einer Situation, in der das übertragende Medium | |
| gleichzeitig Gegner und Schiedsrichter ist, wäre hier jedoch ungeeignet | |
| gewesen und hätte überdies reichlich albern ausgesehen, allzumal in | |
| Superzeitlupe. | |
| ## Instinkt für Propagandawirkung | |
| Das fühlte die defensivstarke Kanzlerin natürlich mit ihrem wachen Instinkt | |
| für Propagandawirkung. Also versuchte sie es analog mit einem „Unwohlsein“. | |
| Das bringt Zeit, um sich auf eine unerwartete („Wie tief wollen Sie unser | |
| Land eigentlich noch in die Scheiße reiten?“) oder schwierige („Erklären | |
| Sie doch unseren Zuschauern bitte mal ganz kurz: Was ist ,kalte | |
| Progression‘?“) Frage hin zurückzuziehen und beraten zu lassen. Das wäre | |
| die Erfindung der Kanzlerschwalbe. | |
| Denn – Hand aufs Herz – wer kauft Eisenmerkel, der Kampfmaschine, der | |
| Frontsau, dieser beinharten Innenverteidigerin der CDU, im Ernst auch nur | |
| die kleinste Schwäche ab? Wir erinnern uns: Selbst als sie sich im vorigen | |
| Januar beim Langlaufen einen Bruch des Beckenrings zuzog, lachte sie nur, | |
| stand auf, spuckte in den Schnee und regierte nur mit umso größerer | |
| Entschlossenheit weiter. | |
| Und natürlich nahm sie, ohne mit der Wimper zu zucken, am für DDR-Physiker | |
| obligatorischen jährlichen Eisbaden im Röddelinsee teil und soll, schenkt | |
| man den Berichten der Zeitzeugen Glauben, in manchem Jahr über eine Stunde | |
| lang im eiskalten Wasser verbracht haben. Legendär ist sowieso ihre | |
| eingesprungene Blutgrätsche gegen den um ein Vielfaches schwereren | |
| ehemaligen Mannschaftskameraden Dr. Helmut Kohl, der sich kurz darauf und | |
| offensichtlich unter Schmerzen auswechseln ließ. | |
| Und tatsächlich feierte hier das Simulantentum fröhliche Urständ: Denn kurz | |
| darauf, nachdem sie etwas (Information?) „gegessen und getrunken“ habe, | |
| sprang sie bereits putzmunter zurück an die Seitenlinie und winkte: Ich | |
| will wieder rein! Von Schwäche war plötzlich keine Spur mehr zu sehen. | |
| Danach ging das Interview einfach weiter, als wäre nichts gewesen, und | |
| anschließend ging’s noch zum traditionellen Presseempfang vor dem | |
| Parteitag. Auf der Strecke bleiben Ehrlichkeit und Fairness. | |
| 9 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Uli Hannemann | |
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