# taz.de -- Spionin in Hamburgs Roter Flora: Razzia mit Insider-Kenntnissen? | |
> Verdi verlangt Aufklärung über die Rolle einer verdeckten Ermittlerin bei | |
> einer Razzia im FSK-Radio. Der Anwalt des Senders fordert Akteneinsicht. | |
Bild: Hier funkte „Iris Schneider“ dazwischen: das FSK-Studio. | |
HAMBURG taz | In der Spitzelaffäre um die verdeckte Ermittlerin Iris P. | |
alias „Iris Schneider“, die in die linke Szene eingeschleust worden ist, | |
geraten nun wieder Polizei und Staatsanwaltschaft ins Visier. | |
Die Frage: Welche Rolle spielte die beim Radio „Freies Sender Kombinat“ | |
(FSK) eingeschleuste Staatsschützerin bei der dortigen Razzia, als im | |
November 2003 angeblich nach einer Kassette mit einem unautorisierten | |
Interview gesucht wurde. | |
Der FSK–Anwalt Ralf Ritter verlangt nun Akteneinsicht beim zuständigen | |
Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, der den Undercover-Einsatz von | |
Iris P. für die Bundesanwaltschaft genehmigt haben soll. | |
Der Bundesverband Freier Radios geht davon aus, dass Iris P. „vorbereitend | |
für die Durchsuchungsaktion der Hamburger Polizei tätig war“. In einem | |
Brief an SPD-Senat und Bürgerschaftsfraktionen fragen Verdi-Landeschef | |
Berthold Bose und der Ver.di-Fachbereichsleiter Medien, Martin Dieckmann, | |
wie es durch den Einsatz von Iris P. zu einen solch „schwerwiegenden | |
Grundrechtsverstoß“ kommen konnte. | |
Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Einsatz der Beamtin und der Razzia | |
werfe Fragen nach dem Auftrag von Iris P. auf. „Der Verdacht drängt sich | |
auf, dass die Ermittlerin sogar die grundrechtlichen Schutzrechte der | |
Medien zum Zwecke ihrer Ermittlungstätigkeit missbraucht hat“, schreiben | |
Bose und Dieckmann. | |
Die Gewerkschafter fordern Aufklärung darüber, „wie die Beauftragung der | |
Beamtin zustande kam – inwieweit staatsanwaltliche oder andere | |
Entscheidungen vorlagen“, so die beiden. „Hier sehen wir den Senat und die | |
gesamte Bürgerschaft in der Pflicht, mögliche Rechtsverstöße aufzuklären.�… | |
Der SPD-Senat hatte vorige Woche eingeräumt, dass die Kriminalbeamtin Iris | |
P. 2000 von der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts (LKA 8) als | |
verdeckte Ermittlerin in die linke Szene rund um die Rote Flora | |
eingeschleust worden ist. Zumindest nach wenigen Monaten habe der | |
Generalbundesanwalt Kay Nehm die Federführung der Operation „Iris | |
Schneider“ übernommen. | |
## Staatsschutz hatte Mitschnitt | |
Doch auch Hamburgs Behörden können nicht gänzlich außen vor gewesen sein. | |
Denn spätestens im Juli 2003 ist Iris P. von ihren Führungsbeamten in den | |
Sender FSK geschickt worden. Nach der Niederschlagung der palästinensischen | |
Intifada tobte dort ein heftiger Streit mit körperlichen | |
Auseinandersetzungen um Sendungen zu Antisemitismus und Israel-Kritik. | |
„Seit spätesten Juli 2003 gibt es zu Iris Schneider die ersten | |
nachweisbaren Kontakte“, sagt FSK-Programmmacher Werner Pomrehm. Sie habe | |
dann schnell in den feministischen Redaktionsstrukturen mitgearbeitet und | |
mitbestimmt. Deshalb geht Pomrehm davon aus, dass sie auch in die von | |
Staatsanwaltschaft und Polizei initiierte Razzia am 25. November 2003 | |
involviert gewesen ist. | |
Hintergrund war ein von Pomrehm gesendetes Telefon-Interview mit dem | |
damaligen Polizeisprecher Ralf Kunz über Polizeiübergriffe bei | |
Demonstrationen. Pomrehm hatte dies nicht ausdrücklich autorisieren lassen. | |
Obwohl der Staatsschutz einen Mitschnitt der Sendung hatte, ließ die | |
Staatsanwaltschaft den Sender filzen, um gegen Pomrehm ein Verfahren wegen | |
„Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ einzuleiten. Bei den | |
Bürodurchsuchungen wurden umfangreiche Redaktionsunterlagen und | |
Mitarbeiterlisten beschlagnahmt. | |
Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2011 die Razzia als Eingriff in die | |
Rundfunkfreiheit für verfassungswidrig. Die Pressefreiheit verwehre es | |
staatlichen Stellen grundsätzlich, „sich einen Einblick in Vorgänge zu | |
verschaffen, die zur Entstehung der Nachrichten oder Beiträge führen, die | |
in der Presse gedruckt oder im Rundfunk gesendet werden“. | |
23 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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