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# taz.de -- Wirtschaftskrise in Russland: Rubel stürzt trotz Leitzinserhöhung
> Im Kampf gegen die Inflation hebt die russische Zentralbank den Leitzins
> deutlich an. So soll der Währungsverfall aufgehalten werden.
Bild: Boom für Importeure: Weil der Rubel fällt, kaufen viele Russen eingefü…
MOSKAU taz | Die Wechselstubeninhaber überlegten schon am Dienstagvormittag
in den sozialen Medien, wie sie den dreistelligen Rubelkurs, den sie für
den Abend erwarteten, abbilden sollten. Auf den Tafeln war eine zusätzliche
Einheit nicht vorgesehen. Ihre Erwartungen trafen ein: Die drastischen
Maßnahmen der russischen Zentralbank konnten den Rubel-Verfall nicht
aufhalten.
In der Nacht zum Dienstag hatte Russlands Notenbank den Leitzins massiv von
10,5 Prozent auf 17 Prozent angehoben. Damit sollten die Talfahrt des
Rubels und Inflationsrisiken aufgehalten werden. Zwar sprang der Rubel zum
US-Dollar am Morgen zunächst um 9 Prozent nach oben, doch diese Gewinne
schmolzen schnell dahin: Gegen 15 Uhr Ortszeit durchschlug der Rubel
bereits die magische 100-Rubel-Marke für einen Euro. Der US-Dollar kostete
nachmittags 72 Rubel.
Da am Montagnachmittag von der Intervention der Notenbank noch nichts
bekannt war, vermuten russische Beobachter, dass Präsident Wladimir Putin
kurzfristig die Anhebung des Leitzinses verfügt hatte.
Seit Jahresbeginn hat der Rubel gegenüber dem US-Dollar mehr als 60 Prozent
und gegenüber dem Euro rund 55 Prozent an Wert eingebüßt. Finanzexperten
begrüßten die Maßnahme der Notenbank und gaben an, der Schritt sei längst
überfällig gewesen – mittlerweile jedoch auch nicht mehr ausreichend.
Kritik an der Zentralbankchefin Elwira Nabiullina war schon in den
vergangenen Wochen immer lauter geworden. Sie sagte, der Zinsschritt sei
vor allem gegen Währungsspekulanten gerichtet und solle die Inflation im
Zaum halten. Die Zentralbankerin gab sich zuversichtlich, dass sich die
Währung bald stabilisieren werde.
## Die heimische Produktion ankurbeln
Nabiullina sah im Kursverfall auch eine Chance für die heimische
Wirtschaft, sich von Importen endgültig abzukoppeln und die heimische
Produktion anzukurbeln. So lautet auch das Mantra des Kreml. Das dürfte
nicht nur aufgrund der begrenzten russischen Industrieproduktion
Schwierigkeiten bereiten, sondern auch wegen des hohen Leitzinses. Der
gefährdet die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft noch zusätzlich.
Investitionen der Unternehmen werden über Gebühr belastet und dürften
demnächst noch weiter zurückgehen, auch der private Konsum wird einbrechen.
Bei einem effektiven Zins für Unternehmen von 20 Prozent ist kaum noch
Gewinn zu erzielen. Die Zentralbank wird daher kritisiert, im Interesse der
Währungsstabilität das produzierende Gewerbe geopfert zu haben.
Für die Krise sind mehrere Faktoren verantwortlich. Am schwersten setzt der
fallende Ölpreis der Energiegroßmacht zu, deren Haushalt sich traditionell
zum Großteil aus den Petrodollars speist. Zudem drücken die Auswirkungen
der westlichen Sanktionen infolge der Ukraine-Krise auf die Wirtschaft: Die
ausbleibenden Investitionen machen dem Land schwer zu schaffen. Auch die
Kapitalflucht erreicht mit 150 Milliarden Dollar in diesem Jahr
Rekordwerte.
Da die Wirtschaft schon Anfang des Jahres stagnierte, waren Ökonomen
ohnehin schon von einem Wertverlust des Rubels von bis zu 15 Prozent 2014
ausgegangen. Grundlegendes Übel ist die mangelnde Diversifizierung der
Wirtschaft, die der Kreml in den fetten Jahren des Aufschwungs versäumte
hatte.
Die Bevölkerung reagiert dagegen vielerorts mit panikartigen Einkäufen:
Viele Bewohner wollen ihre Rubel durch Käufe von Autos, Textilien,
haltbaren Lebensmitteln und Technik noch vor der Verteuerung zum
Jahresbeginn nutzen. Rund 70 Prozent der Bevölkerung verfügen nur über ein
Rubelkonto bei der russischen Sparkasse, nicht über ein Fremdwährungskonto.
Das bedroht die gesellschaftliche Stabilität, mit der der Kremlchef
Wladimir Putin das Volk bisher bei der Stange hielt.
16 Dec 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Russland
Inflation
Rubel
Leitzins
Import
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Wladimir Putin
Schwerpunkt TTIP
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