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# taz.de -- Russlands Boykott von EU-Lebensmitteln: Entschädigung geht an die …
> Die Europäische Union will Milchbauern beistehen, die von Russland
> boykottiert werden. Doch die am stärksten betroffenen Landwirte gehen
> fast leer aus.
Bild: Die Litauer wollen „direkte Entschädigungen für Milcherzeuger“. Als…
SORESINA taz | Tiziano Fusar Poli ist Milchbauer, aber auch Vorsitzender
der millionenschweren Molkerei-Genossenschaft Latteria Soresina in
Norditalien. Sie produziert vor allem die Parmesan-ähnliche Hartkäseart
Grana Padano. Als die EU-Kommission Anfang [1][September ein
Subventionsprogramm] startete, um ein Überangebot von Käse wegen des
russischen Importembargos zu verhindern, reichte seine Firma sofort Anträge
ein.
Jetzt bekomme sie Geld aus Brüssel dafür, dass sie „sehr viel Käse“ lage…
und noch nicht verkauft, sagt Fusar Poli der taz – obwohl sie nur 0,3
Prozent ihres Umsatzes durch Exporte nach Russland mache. Die Einlagerung
soll den Druck auf die Preise lindern. Für wie viel genau, das verrät Fusar
Poli – bauernschlau, wie er ist – auch auf Nachfrage nicht den
Journalisten, die vergangene Woche auf Einladung der EU-Kommission seine
Molkerei besichtigten.
Denn der Brüsseler Behörde zufolge wurden die Hilfen „unverhältnismäßig
stark“ von Käseerzeugern aus italienischen Regionen beantragt, die
„normalerweise keine nennenswerten Mengen nach Russland ausführen“. Italien
verkaufte 2013 laut der Außenhandelsstatistik nur 7.207 Tonnen oder 0,6
Prozent seines Käses dorthin.
Dennoch verlangten die Italiener Hilfen für 84.120 Tonnen – mehr als die
Hälfte des Kontingents für die gesamte EU. Daraufhin schloss die Kommission
Ende September das Programm kurzerhand, damit das Geld nicht weiter in
falsche Hände fließt. Die bis dahin bereits beantragten Subventionen sollen
aber ausgezahlt werden.
## Die Milchpreise fallen
Doch die Länder, die tatsächlich in hohem Maße abhängig sind von
Käseexporten nach Russland, gehen weitgehend leer aus. Litauen konnte in
der kurzen Laufzeit des Programms nur Subventionen für 170 Tonnen, Lettland
für 30 Tonnen beantragen, Estland und Finnland sogar für gar keine. Das
liegt auch daran, dass etwa Lettland vor allem Frischkäse produziert, der
sich nicht lange lagern lässt. Litauen bräuchte seinem Agrarministerium
zufolge Hilfe für mindestens 8.000 Tonnen.
Die baltischen Staaten und Finnland verkauften vor dem Embargo laut
EU-Kommission fast ihre gesamten Käseausfuhren nach Russland, „was für
jeden dieser Mitgliedstaaten etwa einem Fünftel der nationalen
Käseerzeugung entspricht“. Insgesamt lieferten sie 85.115 Tonnen.
Die Milchpreise, die beispielsweise die litauischen Bauern bekommen, sind
nach Regierungsangaben seit Beginn des Boykotts Anfang August bis Ende
September um rund 20 Prozent gefallen. Im September lagen sie ganze 40
Prozent niedriger als vor einem Jahr. Ein derart krasser Preisverfall ist
aus Italien nicht bekannt.
Beim lettischen Bauernverband findet man es denn auch „ein bisschen
traurig“, dass das EU-Geld an Unternehmen in Länder fließt, die es nicht
wirklich nötig haben – während Bauern das Nachsehen haben, denen es richtig
schlecht geht. „Die aktuellen EU-Marktregulierungsmaßnahmen haben nicht das
gewünschte Ergebnis gebracht“, teilt auch Jurga Vaiciune, Sprecherin des
litauischen Agrarministeriums, der taz mit.
## Schlecht verteilte Hilfe
Die Hilfen sollten nur die Mitgliedsländer bekommen, die „tatsächlich
Verluste wegen des Embargos erlitten haben“. Die Litauer wollten „direkte
Entschädigungen für Milcherzeuger“, deren Preise drastisch gefallen sind.
„Darüber hinaus verlangt Litauen, die Zuschüsse für die private
Lagerhaltung von Käse wiederaufzunehmen.“
Ein Sprecher der EU-Kommission wollte sich auf taz-Anfrage nicht dazu
äußern, ob sie auf solche Wünsche eingeht. Es sei noch unklar, wie viel
Geld im EU-Haushalt 2015 zur Verfügung stehe. Er wies Vorwürfe zurück, die
Behörde habe die Hilfe schlecht verteilt. Die Italiener hätten eben einfach
schneller Anträge eingereicht als die Balten und Finnen. Aber auch so
würden die Milchmengen auf dem EU-Markt reduziert. Und die Kommission
subventioniere ja noch die Lagerung von Milchpulver und Butter.
9 Oct 2014
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## AUTOREN
Jost Maurin
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