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# taz.de -- Der Globus im Wandel: So entsteht die neue Welt
> Wie die Dominanz Europas und der USA sinkt, lässt sich an Zahlen und
> Fakten festmachen. Zehn Gründe, warum die Welt 2014 eine andere geworden
> ist.
Bild: Die Schwellenländer bestimmen die globale Entwicklung: 2014 war das wär…
China hat erstmals die USA als größte Volkswirtschaft der Welt überholt.
Laut IWF stieg das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt Chinas 2014 auf
17,632 Billionen US-Dollar gegenüber 17,416 Billionen in den USA. Auf
absehbare Zeit wird niemand China diese Spitzenstellung streitig machen.
Die zehn reichsten großen Industrienationen stellen erstmals weniger als
die Hälfte der Weltwirtschaft.
Der Anteil von USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Italien, Südkorea, Kanada, Spanien und Australien am Weltinlandsprodukt,
kaufkraftbereinigt gemessen, sank von 52 Prozent im Jahr 2010 auf unter 50
Prozent 2014 und sinkt jedes Jahr weiter. Damit verlieren sie allmählich
ihre Gestaltungsmacht in der Weltwirtschaft.
Die wichtigsten „Millenniumsziele“ der UNO aus dem Jahr 2000 sind erfüllt.
Die bis 2015 angestrebte Halbierung der Armut weltweit trat bereits 2010
ein, ebenso die Halbierung des Anteils der Weltbevölkerung ohne sauberes
Wasser; die Halbierung des Anteils der Hungernden ist auf gutem Weg.
2014 war das wärmste Jahr seit Beginn der weltweiten Klimamessungen.
Die Anstrengungen Europas, per Energiewende die Erderwärmung aufzuhalten,
verpuffen, weil die großen Schwellenländer nicht ausreichend mitziehen.
Hier zeigt sich, wer die Richtung der globalen Entwicklung bestimmt.
Nur noch 10 Prozent der Weltbevölkerung leben in Europa, nur 5 in
Nordamerika.
60 Prozent leben in Asien, 15,5 Prozent in Afrika, 8,5 Prozent in
Lateinamerika. 1950 stellte Europa noch 22 Prozent der Weltbevölkerung; bis
2050 wird sein Anteil auf 7 Prozent schrumpfen. Afrika hingegen wächst im
gleichen Zeitraum von 9 auf 25 Prozent. Die Gewichte verschieben sich
grundlegend nach mehreren Jahrhunderten europäischer Dominanz. In den
globalen Geburtenstatistiken zeichnet sich die Welt von morgen bereits ab.
An der Spitze lag 2011 Indien mit 27,1 Millionen Neugeborenen, gefolgt von
China mit 16,4 Millionen und Nigeria mit 6,5 Millionen. In Nigeria gibt es
mehr Säuglinge als in ganz Westeuropa.
Die „demografische Dividende“ begünstigt Asien und Afrika.
Es geht nicht einfach darum, dass die „weißen“ Kontinente relativ gesehen
immer kleiner werden. Länder, in denen noch keine Überalterung eingetreten
ist, aber die Geburtenrate bereits deutlich sinkt, fahren eine
„demografische Dividende“ ein: Sie haben überdurchschnittlich viele
Menschen im erwerbsfähigen Alter, überdurchschnittlich wenige zu
versorgende Abhängige und damit die Möglichkeit, aus eigenen Mitteln
überdurchschnittlich viel zu investieren und schneller zu wachsen. Das war
einst Grundlage für Europas Aufschwung zum Weltherrscher.
Die ideologische Vormacht des Westens schmilzt.
Spätestens das Vorgehen Russlands in der Ukraine und die Entstehung des
„Islamischen Staates“ haben gezeigt, dass der „Westen“ dieses Jahr in d…
Defensive geraten ist. Weder setzen Europa und die USA dem militärisch
nennenswert etwas entgegen, noch haben sie ein politisches Konzept. Man
kann das gut finden oder schlecht, das ändert aber nichts an der Tatsache
an sich.
Nationale Selbstbehauptung statt internationaler Zusammenarbeit wird zum
dominierenden Faktor in der Weltpolitik.
Es ist kein Zufall, dass sich zwischen den aufstrebenden Mächten der Welt
Grenzstreitigkeiten ausbreiten, deren einziger Sinn darin liegt, den Gegner
zu demütigen und die eigene Stärke unter Beweis zu stellen. Multilaterale
Institutionen wie die UNO fallen immer öfter als Konfliktlöser aus. Der
Internationale Strafgerichtshof musste dieses Jahr seinen Anspruch
begraben, auch amtierende Staatsoberhäupter vor Gericht stellen zu können.
Ein neuer Typ des starken Führers übernimmt das Kommando.
Von Putin in Russland bis al-Sisi in Ägypten, von Erdogan in Ankara bis
Kagame in Ruanda, von Bashir im Sudan bis zum Bolivianer Morales – jeder
„big man“ ist unterschiedlich, aber es gibt ansatzweise Gemeinsamkeiten.
Die Staatsführer bündeln die Macht in letzter Instanz in ihrer Person. Der
einzelne Bürger hat seine Interessen unter die der Nation und des
Vaterlandes unterzuordnen, so er nicht zur Elite gehört. An die Stelle
pluralistischer Gewaltenteilung tritt die Einheit von Staat und Partei.
Sicherheitskräfte sind nicht neutral, sondern Diener der Regierung. Die
Förderung des Gemeinwohls obliegt privaten Interessen. Es ist ein sehr
konservatives Entwicklungsmodell, dessen Träger die Agenda der Welt
zunehmend prägen.
Es kann sich alles wieder ändern.
Die soeben beschriebenen Trends sind keineswegs alle in Stein gemeißelt,
ihre Folgen nicht alle absehbar. In Zeiten der Globalisierung, der
technologischen Vernetzung, der nicht mehr rückholbaren Autonomie des
Einzelnen und des raschen Generationenwechsels in Politik und Wirtschaft
ist alles vergänglich. Zum Glück.
30 Dec 2014
## AUTOREN
Dominic Johnson
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