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# taz.de -- Kolumne Globalisierung: Kein Sonnenaufgang im Westen
> Wenn ein Chinese jemandem in Kairo den Parkplatz blockiert, symbolisiert
> das eine neue Weltordnung. Der Westen hat die Rolle des Lenkers
> eingebüßt.
Bild: Auch als Touristen gern gesehen: ChinesInnen in Ägypten.
KAIRO taz | Das ist mein Parkplatz“, blafft mich der Chinese in gebrochenem
Englisch an. Um seinen Anspruch zu untermauern, hat er mein Auto am
Straßenrand in Kairo einfach in der zweiten Reihe zugeparkt. So stellt er
sicher, dass ich nicht mehr herauskomme, bis ich mich bei ihm entschuldigt
habe.
Ich bezeichne ihn als Esel, auf Arabisch; er wirft mir ein paar
Schimpfwörter entgegen, wohl auf Chinesisch. Schließlich intervenieren ein
paar Nachbarn und überzeugen den Chinesen mit Händen und Füßen, dass er
mich herausfahren lassen sollte, um dann den Parkplatz selber besetzen zu
können.
Man streitet sich mit einem Chinesen um einen Parkplatz in Kairo. Die Welt
ändert sich. Früher lebten in diesem Vorort in Kairo US-amerikanische
Ölarbeiter oder europäische Fachleute. Nun sind es chinesische Ingenieure.
Wenn man außerhalb der westlichen politischen Hemisphäre lebt, merkt man:
Die Sonne dreht sich nicht mehr um Europa und die USA. Die Welt ist weniger
schwarz-weiß, sie ist bunter und damit auch oft komplizierter geworden.
Früher lautete die Lieblingsfrage der Redaktionen an den
Nahost-Korrespondenten: Wie reagiert die arabische Welt auf die Wiederwahl
von George W. Bush oder einen homosexuellen deutschen Außenminister? Heute
heißt es: Wie reagiert Europa auf den Bürgerkrieg in Syrien?
Wie verhält sich die USA zum IS im Irak? Was machen beide angesichts der
größten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg? Europa und die USA
müssen reagieren – auf Dinge, auf die sie nur wenig Einfluss haben. Und das
ist nicht nur im Nahen Osten der Fall, sondern in Asien, in Afrika, in
Lateinamerika.
## Der große Lehrmeister
Auch das moralische Monopol ist verloren gegangen. Abschminken sollte sich
der Westen, für den Rest der Welt der große Lehrmeister für Demokratie und
Menschenrechte sein zu wollen. Zu oft hat man weltweit Autokraten und
repressive Regime im Namen der Stabilität unterstützt, und tut das bis
heute im Namen des Antiterrorkampfes.
Spätestens seit den CIA-Folterberichten und dem Wegschauen, wenn Europa als
Verladestation dafür diente, sitzt der Westen nicht mehr auf dem hohen
moralischen Ross.
Der chinesische Ingenieur hatte mich übrigens mit einer deutschen Automarke
eingeparkt, in Ägypten als „El-Brasili“ bekannt, weil in Lateinamerika
gebaut. Aber es sind chinesische Automarken, die auf den Straßen Kairos
immer mehr ihre wesentlich teureren europäischen und amerikanischen
Konkurrenten verdrängen.
Auch Flitterwochen sind in Indonesien, Malaysia oder Thailand billiger als
in Europa. Der Medizintourismus nach Europa, oft gefüttert von kränkelnden,
gut zahlenden Golfarabern, bekommt asiatische Konkurrenz.
## Revolution im Fernsehen
Und dann sind da noch die „ausländischen“ Fernsehserien im ägyptischen
Fernsehen. In den 1990er Jahren noch glich es in Ägypten einer kulturellen
Revolution, als die japanische Serie „Oshin“ den US-amerikanischen „Schö…
und Kühnen“ den Rang abgelaufen hatte. In den letzten Jahren waren dann die
türkischen Serien in.
Nervenaufreibend für Europäer sind auch die indischen DVDs mit arabischen
Untertiteln, die der Fahrer des Überlandbusses gerne mit voller Lautstärke
einlegt, um den Passagieren die Reise zu versüßen und sich selbst von der
Fahrbahn abzulenken.
Es gibt inzwischen viel mehr Lenker und Walter dieser Welt als früher. Aber
was für manchen in Europa oder in den USA eine neue Erkenntnis ist, ist in
vielen anderen Teilen der Welt schon lange klar und deutlich.
30 Dec 2014
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Ägypten
Kairo
China
Globalisierung
Konsum
China
Schwerpunkt TTIP
China
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