# taz.de -- Pariser Kulturszene über „Charlie Hebdo“: Kauft Kulis! | |
> Vom großen Literaten bis zum kleinen Rapper aus der Banlieue – viele | |
> französische Künstler bekunden ihre Betroffenheit. | |
Bild: Günstiger als eine Kalschnikow: Stift. | |
„Man hat dich getötet, Charlie /aber nicht deine Ideen, Charlie /wir werden | |
sie singen, mein Bruder“ – so klingt die Hommage der französischen | |
Reggae-Gruppe Tryo an das Satiremagazin Charlie Hebdo. [1][Ihr Lied „Je | |
suis Charlie“] präsentierte die Band am Sonntag während eines | |
Solidaritätskonzerts im französischen Radio. Das dazugehörige Video hatte | |
am Dienstag auf YouTube bereits mehr als eine Million Clicks. | |
An diesem Mittwoch erscheint die neue Ausgabe von Charlie Hebdo in einer | |
Auflage von drei Millionen Exemplaren anstatt der üblichen 60.000. Die | |
Redaktion der Tageszeitung Libération hatte den überlebenden | |
Charlie-Hebdo-Mitarbeitern nach dem Anschlag spontan ihre Redaktionsräume | |
zur Verfügung gestellt. Es war eine von vielen Gesten der Solidarität, die | |
die französische Kulturszene den Satirikern zuteil kommen lässt. Vom großen | |
Literaten bis zum kleinen Rapper aus der Banlieue – alle wollen sie ihre | |
Betroffenheit bekunden. | |
Der ansonsten öffentlich eher wortkarge französische | |
Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano erklärte in der Sonntagszeitung | |
Journal du Dimanche, warum er am Trauermarsch teilnehme: „Ich laufe mit, | |
weil diese Opfer an unserer Stelle zu Helden geworden sind und für immer | |
ein Symbol dieses tief verletzten, aber geeinigten, mutigen, freien | |
Frankreichs bleiben werden.“ | |
Der Filmregisseur Tony Gatlif sagte Le Monde, sein letzter Film „Gironimo“ | |
behandele bereits das Thema der Intoleranz. Dennoch werde es in seiner | |
Arbeit ein „Vor und ein Nach dem Anschlag“ geben. Den Blick in die Zukunft | |
gerichtet, appellierte Gatlif an die Franzosen: „Man muss aufhören, die | |
Vorstädte zu verteufeln!“ | |
## Luc Besson: „Kalaschnikow kostet 250 Euro, Kugelschreiber 3 Euro“ | |
Ähnlich äußerte sich der Theaterregisseur Luc Besson. Le Monde | |
veröffentlichte in ihrer Sonntagsausgabe seinen durchaus pathetisch | |
anmutenden Brief an den „Bruder“ aus den Vorstädten. „Wer kann leben und | |
sich entfalten unter solchen Bedingungen?“, klagt Besson darin. Unternehmen | |
ruft er dazu auf, der „gedemütigten Jugend“ zu helfen, Teil der | |
Gesellschaft zu werden. Die Jugendlichen selbst seien allerdings auch | |
gefragt, sich zu bilden und Verantwortung zu übernehmen: „Eine Kalaschnikow | |
kostet 250 Euro, ein Kugelschreiber 3 Euro, und deine Antwort kann | |
tausendmal mehr Wirkung zeitigen.“ | |
Doch es gibt auch Stimmen, die sich dagegen wehren, die Radikalisierung von | |
Jugendlichen durch wirtschaftliche oder soziale Verhältnisse zu erklären. | |
Der Philosoph Jean-Pierre Le Goff erklärte am Montag im Figaro: „Dieser | |
entschuldigende Diskurs hat lange genug gedauert.“ Anstatt einen | |
„rückgratlosen Multikulturalismus“ zu propagieren, gelte es nun, das wahre | |
Problem anzusprechen – „den religiösen Fanatismus, in diesem Fall den | |
islamistischen“. | |
Während die Debatte über die Ursachen des Terrors in Frankreich also in | |
vollem Gange ist, hat sich auch erstmals nach den Anschlägen der | |
Schriftsteller Michel Houellebecq zu Wort gemeldet. Der französische | |
Fernsehsender Canal+ sendete am Montagabend ein Interview, das bereits am | |
Tag nach dem Attentat aufgezeichnet worden war. Ja, auch er sei Charlie, | |
sagt Houellebecq darin. Sichtlich mit den Tränen kämpfend erklärt der | |
Autor, auch er habe mit dem Wirtschaftswissenschaftler und | |
Charlie-Hebdo-Mitarbeiter Bernard Maris einen Freund verloren. | |
Dennoch verteidigt er sein Buch „Unterwerfung“ gegen die zahlreichen | |
Kritiker. „Mein Buch ist nicht islamophob“, sagt Houellebecq. Er wehre sich | |
dagegen, verantwortlich gemacht zu werden. Freiheit sei nicht möglich ohne | |
ein gewisses Maß an Provokation, betont er und wird noch deutlicher: „Es | |
gibt keine Grenzen der Meinungsfreiheit.“ Eine Aussage, der die Zeichner | |
von Charlie Hebdo wohl zugestimmt hätten. | |
13 Jan 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=yNpOz44RM20 | |
## AUTOREN | |
Luise Checchin | |
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