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# taz.de -- Gutachten über Schiedsgerichte: TTIP verstößt gegen Grundgesetz
> Der frühere Verfassungsrichter Broß hält Schiedsgerichte in den
> Freihandelsabkommen für verfassungswidrig. Völkerrechtler widersprechen
> ihm.
Bild: TTIP-Gegner kritisieren vor allem die Schiedsgerichte – damit sind sie …
BERLIN taz | Schiedsgerichte, wie sie in den Freihandelsabkommen Ceta mit
Kanada und TTIP mit den USA vorgesehen sind, verstoßen gegen das
Grundgesetz und kollidieren mit Prinzipien des Völkerrechts. Zu diesem
Ergebnis kommt ein Gutachten des früheren Verfassungsrichters Siegfried
Broß im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, die am Montag vorgestellt wurde.
„Deutschland und die EU dürfen keine Abkommen abschließen, die Klauseln
über den Investorenschutz und Schiedsgerichte enthalten“, fordert Broß, der
bis 2010 Richter am Bundesverfassungsgericht war. Daran ändere sich auch
nichts, wenn die EU-Kommission die umstrittene Klausel überarbeiten will.
„Die einzige rechtskonforme Alternative könnten staatlich besetzte
Schiedsgerichte sein“, sagt er.
Seiner Analyse zufolge kollidieren die geplanten Regelungen an folgenden
Punkten: Erstens verletze die umstrittene Investorenschutzklausel das
Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Denn nach deutschem Verfassungsrecht
dürften allein ordentliche Gerichte über Klagen gegen Staaten entscheiden.
Zweitens schließe auch das Völkerrecht Klagen von Unternehmen gegen Staaten
vor privaten Schiedsgerichten aus – Privatpersonen und Unternehmen seien
„nur mittelbar über den jeweiligen Heimatstaat am Völkerrechtsverkehr
beteiligt oder betroffen“, heißt es dort.
## Autonome Rechtsordnung
Drittens warnt Broß davor, dass Schiedsgerichte eine autonome Rechtsordnung
schaffen, deren Urteile „parlamentarische Mitwirkung und Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts“ unterliefen. Zudem kritisiert er in der Studie,
dass die Prozesse von Schiedsgerichten und in vielen Fällen sogar die
Schiedssprüche geheim seien: „Öffentliche Verhandlungen gehören zu den
elementaren Qualitäten rechtsstaatlicher Gerichtsverfahren“, sagt Broß.
Deshalb müsse jetzt ein ständiges Gericht gebildet werden, bei dem
parlamentarisch legitimierte Richter über Streitigkeiten zwischen
Privatpersonen oder Unternehmen und Staaten entscheiden. Indem man die
Zuständigkeit klar festlege, könne man so auch verhindern, dass Urteile auf
Grundlage von Investitionsschutzabkommen mit EU-Regeln kollidieren.
Angesichts der Studie stellt sich die Frage, warum der Europäische
Gerichtshof noch nicht Stellung bezogen hat – wo doch die EU das
umstrittene Kapitel in 3.000 derartige Verträge geschrieben hat, allein
Deutschland hat mit 130 Staaten Investorenschutzabkommen abgeschlossen.
Laut Broß hätten in den letzten Jahren vor allem Juristen, die in
Schiedsverfahren involviert sind, über ebendiese geforscht. „Über
Jahrzehnte hinweg hat sich so ein interessiertes Umfeld zugunsten der
privaten Schiedsgerichte entwickelt“, sagt er. Erst aufgrund von
Bürgerinitiativen sei eine wissenschaftliche Debatte in Gang gekommen. So
kam etwa eine von Attac in Auftrag gegebene Studie des Völkerrechtlers
Andreas Fischer-Lescano vom Oktober 2014 zu dem Ergebnis, dass Ceta gegen
das Grundgesetz verstoße.
## Widerspruch von anderen Seiten
Stephan Schill vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht
in Heidelberg ist da anderer Meinung. Im September 2014 kam er in einem
Gutachten im Auftrag des Wirtschaftsministeriums zu dem Ergebnis, dass die
Klauseln zum Investorenschutz in Ceta gar nicht so problematisch seien, da
sie ausländischen Investoren einen weniger umfassenden Schutz als bisher
das deutsche Recht bieten.
„Zwar ist es tatsächlich verfassungsrechtlich problematisch, wenn
Schiedsverfahren intransparent durchgeführt würden“, sagt Schill, der auf
der Schlichterliste der internationalen Schiedsstelle der Weltbank geführt
wird. Es sei aber vom Grundgesetz gedeckt, dass Deutschland in
völkerrechtlichen Verträgen Kompetenzen abgibt. Die Verfassung dürfe
dadurch jedoch nicht in ihrem Kern ausgehöhlt werden.
19 Jan 2015
## AUTOREN
Julia Maria Amberger
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