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# taz.de -- Abschiebepolitik in Baden-Württemberg: Nicht vor vier Uhr nachts a…
> Baden-Württemberg legt seine Abschiebekriterien offen. Allzu human
> klingen sie nicht. Im Innenministerium sieht man aber kaum
> Handlungsspielraum.
Bild: Abgelehnte Asylbewerber warten am 24. Februar am Baden-Airport im Rahmen …
STUTTGART taz | Der Fall der Familie Ametovic, die vor rund einem Monat mit
sechs Kindern aus Freiburg nach Serbien abgeschoben wurde, hat in
Baden-Württemberg hohe Wellen geschlagen: Die Frau und ihre Kinder leben
nun in einem Elendsviertel der Stadt Nis. Die Fraktionschefin der Grünen im
baden-württembergischen Landtag, Edith Sitzmann, war „erschüttert“. Sie
forderte vom Innenministerium, transparent zu machen, wann Abschiebungen
aus humanitären Gründen ausgesetzt werden müssten.
Seit dieser Woche sind diese Kriterien nun öffentlich. Ein
Verhandlungserfolg der Grünen ist darin aber kaum zu erkennen.
In den Kriterien heißt es zum Beispiel, dass eine Abschiebung ausgesetzt
wird, wenn eine dringende ärztliche Behandlung ansteht, die im
Herkunftsland nicht gewährleistet ist. Auch Jugendliche, die kurz vor
Abschluss der Schule oder einer Ausbildung stehen, sollen nicht abgeschoben
werden.
Andreas Linder, Leiter der Geschäftsstelle des Flüchtlingsrats
Baden-Württemberg, hält die Kriterien für zu streng. Ein Jugendlicher, der
noch am Anfang seiner Ausbildung steht, wird laut Papier nur dann nicht
abgeschoben, wenn er bereits mehr als sechs Jahre in Deutschland ist. „Das
wird nur sehr wenigen Leuten helfen“, sagt Linder. Carlos Mari,
Geschäftsführer des Jugendhilfswerks Freiburg, das für das Bleiberecht der
Großfamilie aus Freiburg gekämpft hat, nennt das Papier „lächerlich.“
Darin steht auch, dass Menschen am Tag der Abschiebung nicht vor vier Uhr
zu Hause abgeholt werden sollen. „Das ist mitten in der Nacht. Es ist
dreist, dass sich Grün-Rot hinstellt und sagt, das sei human“, kritisiert
Mari. In Niedersachsen ist in der Winterzeit eine Abholung frühestens um 6
Uhr vorgesehen.
Im Innenministerium sieht man hingegen kaum Handlungsspielraum: Das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) prüfe, ob ein
Abschiebungsverbot auszusprechen ist, „eine nochmalige Prüfung durch das
Land wäre rechtswidrig“, heißt es. Nach BaMF-Prüfung seien 2014 rund 30
Prozent der Asylantragsteller geschützt worden, die reine
Asylanerkennungsquote liege bei unter zwei Prozent.
Am Dienstag fand am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden wieder eine
Sammelabschiebung statt, die von Protestaktionen begleitet war. Nach
Angaben von Beobachtern wurden mindestens 60 Personen, darunter viele
Kinder, aus unterschiedlichen Bundesländern in ihre Herkunftsländer im
Balkan abgeschoben.
24 Feb 2015
## AUTOREN
Lena Müssigmann
## TAGS
Flüchtlinge
Asylsuchende
Baden-Württemberg
Abschiebung
Bundesgerichtshof
Abschiebehaft
Asylrecht
Ralf Stegner
Flüchtlinge
Thomas de Maizière
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