# taz.de -- Niedrige Löhne: Nur ein wenig Pflege für die Pflege | |
> Nirgendwo im Westen verdienen Pflegekräfte so wenig wie in Niedersachsen. | |
> Daran wird auch neue Kammer nichts ändern. | |
Bild: Ungerechte Entlohnung: Ball spielen mit Senioren wird in Niedersachsen de… | |
Trotz massiver Kritik der Gewerkschaft Ver.di und der Arbeitgeberverbände | |
will Niedersachsens Gesundheits- und Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) | |
an der Gründung einer berufsständischen Vertretung für Pflegeberufe | |
festhalten. „Der Gesetzentwurf zur Pflegekammer wird gerade mit den anderen | |
Ministerien abgestimmt“, sagte die Ministeriumssprecherin Heinke Traeger | |
der taz. „Im April oder Mai wird er dem Landtag vorgelegt.“ | |
Alten- und KrankenpflegerInnen fordern seit Ende der 90er-Jahre eine | |
Pflegekammer. Die könne eine bessere Bezahlung durchsetzen, hoffen sie. | |
Anfang Februar wurde bekannt, dass Pflegekräfte in keinem westlichen | |
Bundesland so wenig verdienen wie in Niedersachsen. Eine examinierte | |
Fachkraft mit dreijähriger Berufsausbildung verdient hier einen Bruttolohn | |
von 2.209 Euro im Monat. In Baden-Württemberg sind es durchschnittlich | |
2.725 Euro; in Nordrhein-Westfalen werden 2.692 Euro gezahlt. In der Folge | |
gebe es an den Landesgrenzen einen „echten Fachkräftemangel“, sagte | |
Ministerin Rundt. Viele PflegerInnen arbeiteten in Hamburg oder Bremen. | |
„Der Pflegeberuf wird zu schlecht bezahlt“, sagte Niedersachsens | |
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). So könne es nicht weitergehen. | |
## Kein Mitspracherecht | |
Zwar sind die Beitragssätze, die von den Versicherten an die Pflegekassen | |
gezahlt werden, bundesweit gleich. Die Löhne der PflegerInnen richten sich | |
aber nach den Pflegesätzen, die in jedem Bundesland zwischen den | |
Pflegekassen, den Städten und Landkreisen als Sozialhilfeträgern auf der | |
einen und den Pflegeeinrichtungen wie etwa Heimen auf der anderen Seite | |
ausgehandelt werden – und zwar autonom, Rundts Ministerium hat kein | |
Mitspracherecht. Nicht umsonst hat die Ministerin damit gedroht, notfalls | |
über ein Ende dieser Selbstverwaltung nachdenken zu wollen. | |
Vorerst setzt Rot-Grün aber auf die Pflegekammer. Die schaffe „eine | |
demokratisch legitimierte, berufspolitische starke Stimme für die Pflege“, | |
argumentierte Ministerin Rundt im Landtag – schließlich soll die | |
Mitgliedschaft für alle rund 70.000 niedersächsischen Pflegekräfte | |
verpflichtend sein. Außerdem sollen PflegerInnen Qualifizierungen wie Fort- | |
und Weiterbildung selbst steuern dürfen, was zu mehr Qualität und damit zu | |
größerer gesellschaftlicher Anerkennung führen werde. | |
In einer Umfrage hätten sich zuletzt 67 Prozent der niedersächsischen | |
Pflegekräfte für eine Kammer ausgesprochen, argumentiert die | |
Grünen-Landtagsabgeordnete Filiz Polat. In Bremen hatten SPD, Grüne und | |
Linkspartei die Pflegekammer bereits 2012 abgelehnt – die | |
„Zwangsmitgliedschaft“ sei eine „undemokratische Konstruktion“, befand … | |
allem die Linke. | |
Auch in Niedersachsen monieren Kritiker vor allem die vorgesehene | |
Mitgliedspflicht aller examinierten Pflegekräfte. Der angepeilte | |
Monatsbeitrag von vier bis acht Euro entspreche einer Netto-Lohnkürzung, | |
sagt etwa Sylvia Bruhns (FDP). Schließlich sei vorgesehen, dass 60 Prozent | |
der erwarteten Beiträge von knapp fünf Millionen Euro in die Verwaltung der | |
Kammer fließen sollen. Tatsächlich ist in einem Eckpunktepapier des | |
Gesundheitsministeriums von 53 zu schaffenden Vollzeitstellen die Rede. Für | |
die CDU beschwört deren Fraktionsvize Reinhold Hilbers eine „Spaltung der | |
Pflegekräfte in zwei Klassen“, denn Pflegehilfskräfte sollen von der Kammer | |
nicht vertreten werden. | |
Arbeitnehmervertreter etwa vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe | |
(DBFK) unterstützen die Schaffung der Kammer vehement. „Der Widerstand von | |
Ver.di erklärt sich durch den geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad | |
in der Pflege“, sagt DBFK-Geschäftsführer Burkhardt Ziegler. „Dabei wollen | |
wir die Arbeitsbedingungen doch gemeinsam mit Ver.di verbessern“, sagt er, | |
denn bei Tarifverhandlungen werden weiter Gewerkschaften um bessere Löhne | |
kämpfen müssen: Nach dem Gesetzentwurf der Sozialdemokratin Rundt soll die | |
Pflegekammer dafür aber nicht zuständig sein. | |
6 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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