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# taz.de -- Nach Zustellung der Beitragsbescheide: Aufschrei gegen Pflegekammer
> Über 30.000 Menschen haben innerhalb der letzten zehn Tage eine
> Online-Petition unterschrieben, die die Auflösung der Pflegekammer
> Niedersachsen fordert.
Bild: Auch bei dieser Demo in Berlin im Mai 2018 kommt die Pflegekammer nicht g…
Bremen taz | Auf große Kritik stößt die seit August tätige Pflegekammer
Niedersachsen. Eine am 23. Dezember gestartete [1][Online-Petition], die
die „Auflösung der Pflegekammer und die Beendigung der
Zwangsmitgliedschaften von Pflegekräften“ fordert, wurde bis zum 2. Januar
von fast 31.000 Menschen unterzeichnet.
Die Pflegekammer hatte ihren Mitgliedern – examinierten Alten- und
KrankenpflegerInnen – kurz vor Weihnachten Briefe mit der Aufforderung
verschickt, für das vergangene Halbjahr ihren Kammer-Pflichtbeitrag zu
überweisen. Der liegt bei 0,4 Prozent des Jahresgehalts. Dem nun
verschickten Beitragsbescheid zugrunde liegt ein Gehalt von 70.000 Euro –
so viel verdient kaum jemand, der in der Pflege arbeitet.
Wer den auf dieser Basis errechneten Halbjahresbeitrag von 140 Euro nicht
zahlen wollte, bekam vier Wochen Zeit, um schriftlich seinen Verdienst
mitzuteilen. Außerdem bekamen viele Menschen Beitragsbescheide, die gar
keine Kammermitglieder sind: PflegehelferInnen, gänzlich Berufsfremde oder
PflegerInnen, die gar nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten.
„Das ist unglücklich gelaufen“, sagt Timo Schaft, Sprecher der Pflegekammer
Niedersachsen. Bei der Gründung des Errichtungsausschusses für die Kammer
vor zwei Jahren seien ArbeitgeberInnen angeschrieben worden: „Es gibt ja
keine Datei, in der die in Niedersachsen tätigen Pflegenden erfasst sind,
also haben wir die Arbeitgeber darum gebeten, uns Daten zu melden.“
Offenbar hätten einige von ihnen Angestellte als PflegerInnen gemeldet, die
gar keine seien: „Und manche der Gemeldeten waren damals noch Pfleger, sind
es aber heute nicht mehr – das sorgt alles für ein bisschen Verwirrung.“
Die Beitragsbescheide, sagt Schaft, seien zu einem „unglücklichen
Zeitpunkt“ verschickt worden, „aber jeder muss natürlich nur 0,4 Prozent
seines Einkommens zahlen – dafür muss er aber auch selbst aktiv werden.“
Für Stefan Cornelius, Krankenpfleger aus Berge bei Osnabrück und
Mitinitiator der Petition gegen die Pflegekammer, ist bei vielen Pflegenden
die Existenz der Kammer mit dem Beitragsbescheid erst richtig angekommen.
Er selbst ist bereits seit Beginn der Planungen gegen die
„Zwangsmitgliedschaft“: „Man kann sich für gute Pflege in Vereinen oder
Organisationen oder auch in der Gewerkschaft einsetzen – und überall dort
ist die Mitgliedschaft freiwillig.“ Bei Apotheker-, Handwerks- und
Ärztekammern, die oft zum Vergleich herangezogen würden, seien nicht die
ArbeitnehmerInnen Mitglieder, sondern Arbeitgeber.
„Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für die Pflege – die kann eine
Kammer nicht schaffen“, sagt Cornelius. Für Gesundheit und Pflege müsse
viel mehr Geld ausgegeben werden, „und zwar bundesweit und nicht auf
Länderebene.“
Tarifverhandlungen fänden zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften statt –
eine Pflegekammer könne sich daran nicht beteiligen. „Und eine
Berufsordnung und ihre Überwachung kann nur auf Basis von genügend Personal
und angemessener Bezahlung funktionieren.“ Cornelius fürchtet, dass sich
die Kammer sogar gegen die Arbeitnehmer wenden könnte: „Da sollen bestimmte
Fort- und Weiterbildungen verpflichtend werden, aber wer bezahlt die? Am
Ende müssen das die Kammermitglieder neben ihren Beiträgen auch noch selbst
stemmen.“
## Gespräch im Sozialministerium
Manche Pflegende, sagt Cornelius, hätten als Reaktion auf den
Beitragsbescheid sogar angekündigt, ihr Pflege-Examen zurückzugeben. „Aber
dadurch würde sich die Situation in der Pflege ja noch weiter
verschlechtern – das kann keine Lösung sein.“
Schätzungsweise 85.000 Pflegende gibt es in Niedersachsen. „Dass in so
kurzer Zeit bereits 31.000 Menschen unsere Petition unterschrieben haben,
ist für uns überraschend“, sagt Cornelius. Man habe gehofft, bis März
30.000 Unterschriften zusammenzubekommen: „Dass es jetzt schon mehr sind,
ist ein starkes Signal.“
Das übersieht auch die Pflegekammer nicht: „Wir müssen das ernst nehmen und
künftig bessere Aufklärungsarbeit leisten“, sagt Schacht. Am 9. Januar
treffen sich Kammer-VertreterInnen mit der niedersächsischen
Sozialministerin Carola Reimann (SPD), um über eine Überarbeitung der
Pflegekammer-Beitragsordnung zu sprechen. „Angesichts der beeindruckend
hohen Anzahl von Unterstützern wird auch die Petition Gegenstand des
Gesprächs sein“, heißt es im Sozialministerium.
3 Jan 2019
## LINKS
[1] https://www.openpetition.de/petition/online/aufloesung-der-pflegekammer-nie…
## AUTOREN
Simone Schnase
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