# taz.de -- Pflichtbeiträge abgeschafft: Pflegekammer für lau | |
> Die Pflegekammer ist die berufspolitische Vertretung für Fachkräfte in | |
> Pflegeberufen. Nun hat Niedersachsen die Pflichtbeiträge dafür | |
> abgeschafft. | |
Bild: Sind gegen die Zwangsmitgliedschaft auf die Straße gegangen: Pfleger*inn… | |
Göttingen taz | Im Dauerzwist um die Pflegekammer in Niedersachsen haben | |
die Koalitionsparteien SPD und CDU jetzt nachgegeben und die | |
Beitragspflicht abgeschafft. Stattdessen soll die Kammer sechs Millionen | |
aus dem Landeshaushalt 2020 bekommen. Bei der ebenfalls umstrittenen | |
Zwangsmitgliedschaft in der Kammer soll es allerdings auch künftig bleiben. | |
Das heißt, dass alle Fachkräfte der Alten-, Kranken- und | |
Kinderkrankenpflege in Niedersachsen der Kammer beitreten müssen. Insgesamt | |
betrifft das mehr als 90.000 Frauen und Männer in dem Bundesland. | |
Die Pflegekammer hatte im August 2018 ihre Arbeit aufgenommen. Sie soll die | |
professionelle Versorgung pflegebedürftiger Menschen in Niedersachsen | |
sicherstellen und die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen | |
berufspolitisch vertreten. Seit ihrem Start sah sich die Kammer jedoch | |
heftiger Kritik ausgesetzt. Sie entzündete sich vor allem an der | |
Zwangsmitgliedschaft, den Pflichtbeiträgen – die Beschäftigten mussten | |
bislang Beiträge nach ihrem Einkommen gestaffelt zahlen – und vielen | |
fehlerhaften Beitragsbescheiden. | |
[1][Eine Online-Petition gegen die Kammer erreichte weit mehr als 50.000 | |
Unterschriften.] Kritik kam auch vom Verband der privaten Pflegeanbieter, | |
von einem „Pflegebündnis Niedersachsen“ und auch von der FDP. Zwei Frauen, | |
die sich dagegen wehrten, der Kammer anzugehören, scheiterten mit ihrer | |
Klage gegen die Pflichtmitgliedschaft allerdings vor Gericht. Das | |
Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschied letztinstanzlich, das | |
Bundesland habe mit dem Gesetz zur Gründung der Kammer innerhalb der ihm | |
zustehenden Gesetzgebungskompetenz gehandelt. Die Einrichtung der | |
Pflegekammer sei vornehmlich eine politische Entscheidung. | |
Zuletzt stieß ein geplanter Winterempfang der Kammer auf heftigen | |
Widerstand. So hatten Vertreter der Gewerkschaft Ver.di in einem Brief an | |
die Kammer geäußert, es sei ihnen unverständlich, „dass wertvolle | |
Mitgliedsgelder für den sogenannten Winterempfang investiert werden“. Die | |
Gewerkschaft kündigte an, der Veranstaltung fernzubleiben. Zuvor hatten | |
bereits die Landtagsfraktionen von CDU, FDP und AfD ihre Teilnahme | |
abgesagt. Kammerpräsidentin Sandra Mehmecke cancelte die Veranstaltung | |
schließlich ganz. | |
## Die SPD gesteht Fehler ein | |
Nach dem jetzigen Koalitionsbeschluss zeigte sich die | |
SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Johanne Modder, selbstkritisch. Ein | |
nicht optimaler Start, mangelnde auskömmliche Finanzierung und auch die | |
unglückliche, fehlerhafte Versendung von Beitragsbescheiden sowie die | |
Kommunikation der Kammer mit ihren Mitgliedern hätten „es erschwert, das | |
Vertrauen bei den Pflegekräften zu stärken“, sagte sie. „Wir müssen | |
einräumen, dass es ein Fehler war, die Pflegekammer in Niedersachsen bei | |
ihrer Einrichtung nicht mit einer Anschubfinanzierung zu unterstützen und | |
so eine größere Akzeptanz zu erreichen.“ | |
Ihre Fraktion vertrete aber weiterhin die Auffassung, „dass die | |
niedersächsische Pflegekammer die Organisation sein soll, die dafür sorgt, | |
dass nicht mehr über, sondern mit der Pflege gesprochen wird“, sagte | |
Modder. Die Kammer habe das Potenzial, eine „mächtige Interessenvertretung“ | |
der Pflegekräfte in Niedersachsen zu werden und so wichtige Impulse im | |
politischen Kontext zu geben. | |
Die CDU im Landtag erwartet nach Angaben von Fraktionschef Dirk Toepffer, | |
dass Mitglieder, die bereits Beiträge gezahlt haben, diese nun | |
zurückbekommen. Im Landtagswahlkampf 2017 hatte sich die Union noch | |
gänzlich gegen die Kammer ausgesprochen. Sie machte ihre Unterstützung | |
letztlich von einer Evaluation abhängig – so wurde es auch im | |
Koalitionsvertrag vereinbart. Sozialministerin Carola Reimann (SPD) hat | |
inzwischen auch das Startsignal für eine externe Bewertung gegeben und | |
damit eine Unternehmensberatungsfirma aus Köln beauftragt. | |
Auch später wurde die CDU mit der Pflegekammer nicht richtig warm. | |
„Letztlich geht es nicht darum, wer den Sieg nach Hause trägt, sondern um | |
Menschen, die einen harten Job ausüben“, sagte nun Toepffer. Hier zeige die | |
große Koalition, dass sie auch schwierige Probleme aus dem Weg schaffen | |
könne. | |
Kammerpräsidentin Mehmecke sagte, die Kammer nehme die politische | |
Entscheidung zur Kenntnis. „Mit dieser finanziellen Unterstützung holt das | |
Land die zum Start der Pflegekammer fehlende Anschubfinanzierung verspätet, | |
aber rechtzeitig nach.“ Es sei gut, dass an der Pflichtmitgliedschaft als | |
Baustein der unabhängigen Selbstverwaltung festgehalten werde. | |
Das „Pflegebündnis Niedersachsen“ will am Widerstand gegen die | |
Zwangsmitgliedschaft festhalten. Bündnissprecher Reinhold Siefken rief | |
Ministerin Reimann und Mehmecke auf, mit dem Bündnis am 9. Dezember um 17 | |
Uhr auf dem Trammplatz in Hannover über ein Alternativmodell zu | |
diskutieren. | |
28 Nov 2019 | |
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[1] /Nach-Zustellung-der-Beitragsbescheide/!5559900 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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